Lohnpolitik
Drei Viertel der Grosskonzerne weltweit berücksichtigen ESG-Kriterien bei den Manager-Gehältern. Es zeichnet sich kein Umdenken ab – im Gegenteil.
25. Januar 2023 • Beat Schmid

Weltweit berücksichtigen mehr als drei Viertel der grossen Unternehmen ESG-Kriterien bei der Entschädigung des Top-Managements. Gegenüber 2021 ist dieser Wert um 5 Prozentpunkte gestiegen und im Vergleich zu 2020 sogar um 14 Prozentpunkte. Dies zeigt eine bisher unveröffentlichte Studie, die das Schweizer Beratungsunternehmens HCM International mit Partnerfirmen durchführte.

Doch es gibt grosse Unterschiede zwischen den Regionen, die gemäss Studienautoren auf den jeweiligen Mix der Wirtschaft, kulturelle Normen und lokale Vorschriften zurückzuführen sind. Trotzdem bewegen sich alle Regionen, mit Ausnahme von Kanada, in die gleiche Richtung: nach oben.

Europa, Grossbritannien, Australien und Südafrika führen den Markt an. Dort haben über 80 Prozent der grossen Firmen ESG-Massnahmen in ihre Anreizsysteme implementiert. In den USA und Singapur werden ESG-Kriterien zwar auch zunehmend in der Vergütung eingesetzt, jedoch nicht in demselben Ausmass.

Energieunternehmen sind an der Spitze – IT liegt am Ende

Aufgeschlüsselt nach Branchen sind Energieunternehmen und Rohstofffirmen führend bei der Anwendung von ESG-Kriterien. Sie liegen noch vor der Finanzindustrie. Stark aufgeholt haben Unternehmen aus der Konsumgüterindustrie. Die tiefsten Werte (54 Prozent) haben Unternehmen aus der IT-Branche.

ESG steht bekanntlich für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Auffallend ist, dass Umweltaspekte in den letzten drei Jahren als Einflussfaktoren bei den Managergehältern stark zugelegt haben. Insbesondere in Europa ist das so. Im Jahr 2020 lag der Anteil von grossen Firmen, die entsprechende Kriterien eingeführt haben, bei 38 Prozent. Im Jahr 2022 waren es bereits 82 Prozent – mehr als eine Verdopplung.

In anderen Märkten legen Umweltaspekte ebenfalls zu, doch jedoch von einer deutlich tieferen Basis. In den USA etwa wurden Umweltziele im Jahr 2020 bei 8 Prozent der Firmen in den Manager-Salären berücksichtigt. Heute liegt dieser Wert bei 34 Prozent. Der globale Schnitt liegt bei 50 Prozent.

ESG-Backlash soll den Trend nicht brechen

Die grosse Frage ist, wie es weitergeht. Der Krieg in der Ukraine und Energieengpässe verdrängten ESG-Themen aus den Köpfen vieler Manager. In den USA tobt zudem ein heftiger Streit zwischen rechten und linken Politikern über Sinn und Unsinn von ESG. Die intensive Debatte führte bereits dazu, dass namhafte Firmen ihr Umweltengagement relativiert haben und sich beispielsweise aus Klimaallianzen verabschiedet haben. Zum Beispiel Vanguard.

Wie wird sich der ESG-Backlash auf die Lohnpolitik auswirken? Werden die Manager-Boni wieder vermehrt nur an finanziellen Zielen gemessen? Expertin Claudia Würstle winkt ab. Die Senior Managerin und Projektleiterin für Nachhaltigkeit und ESG-Strategien bei HCM International sagt zu Tippinpoint, dass diese Debatten den Trend nicht brechen werden. Laut Würstle werden nicht-finanzielle Anreize in den Lohnsystemen auch künftig zunehmen.

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