Anders als zu Zeiten des Bankgeheimnisses ist die Angelegenheit kein Aufreger mehr. Darauf deutet schon der Name der am letzten Freitag vom Bundesrat verabschiedeten Vorlage hin: «Änderung des Finanzmarktaufsichtsgesetzes und weiterer Erlasse im Bereich der internationalen Zusammenarbeit». Es geht vor allem um das sogenannte Kundenverfahren. Das heisst um einen «Swiss Finish» nicht im Sinne einer zusätzlichen Belastung der Finanzplatzakteure. Sondern um ein «Goodie» für jene, die von Amtshilfegesuchen aus dem Ausland betroffen sind.
Und zwar in doppelter Hinsicht: Zum einen verzögert das Kundenverfahren die Informationsübermittlung um Monate und ist damit Hindernis für eine wirkungsvolle Marktaufsicht. Zum anderen führen die spezifischen Informationspflichten dazu, dass die betroffenen Kunden bereits Kenntnis von der ausländischen Untersuchung erlangen, bevor die um Amtshilfe ersuchende Behörde überhaupt die Identität der Kunden erfährt. Dies kann es Finanzkriminellen ermöglichen, ausländische Verfahren zu behindern oder zu verzögern, vorhandene Beweismittel vor dem Zugriff der ausländischen Behörden zu vernichten und unrechtmässig erlangte Gewinne beiseite zu schaffen.
Getreu dem im Finanzmarktrecht gängigen Motto «Hebä, so lang’s gaht» hat das Kundenverfahren seit 1995 mit gewissen Einschränkungen zwei Revisionen der internationalen Zusammenarbeit überstanden. Und wenn nicht alles täuscht, wird dieser «alte Zopf» auch bei der jüngsten Gesetzesänderung nicht vollständig abgeschnitten. Zwar hatte der Bundesrat die Aufhebung des Kundenverfahrens in seinem Bericht zur Vernehmlassung über die jüngste Revision mit Blick auf überwiegende öffentliche Interessen wie die Marktintegrität und die Finanzstabilität noch als gerechtfertigt bezeichnet. Dennoch wollte die Regierung selber einen solchen Paradigmenwechsel nicht ohne Alternativen vorschlagen. Wenig überraschend und gegen den Widerstand der Linken liegt nun eine Variante mit einem risikobasierten Ansatz auf dem Tisch des Parlaments.
Insider und Marktmanipulatoren im Visier
Demnach sollen die Anhörungs- und Beschwerderechte der Kunden lediglich in jenen Fällen eingeschränkt werden, in denen das ausländische Amtshilfeersuchen einen Verdacht auf Insiderhandel oder Marktmanipulation betrifft. Damit werde der Erkenntnis Rechnung getragen, dass gerade in diesen besonders sensiblen Fällen die Amtshilfe häufig unterlaufen oder verzögert werde, schreibt der Bundesrat. Bei anderen Amtshilfeersuchen, etwa bei unerlaubter Finanzintermediation oder bei Aufsichtsverfahren ohne Marktmissbrauchsbezug, soll das Kundenverfahren hingegen weiterhin zur Anwendung gelangen. Damit werde eine differenzierte Balance zwischen effektivem öffentlichen Aufsichtsinteresse und dem verfassungsrechtlich gebotenen Individualrechtsschutz gewahrt.
Mit dem Verzicht auf die vollständige Abschaffung des Kundenverfahrens überlebt auch eine weitere Besonderheit im Amtshilfeverfahren, der sogenannte «Private Banking Carve-out». Er schränkt bei Vor-Ort-Kontrollen ausländischer Aufsichtsbehörden die Einsicht in Kundendossiers ein. Und soll verhindern, dass die Amtshilfe und das Kundenverfahren umgangen werden.
Auch Privatbanken einverstanden
Im Parlament dürfte die Vorlage gute Erfolgschancen haben. In der Vernehmlassung erklärten sich selbst die Privatbanken mit den Einschränkungen des Kundenverfahrens einverstanden. Die Finanzmarktaufsicht Finma müsse aber weiterhin jedes Amtshilfegesuch einzeln prüfen und die Prinzipien der Spezialität, der Vertraulichkeit und der Verhältnismässigkeit hochhalten, forderte die Vereinigung Schweizerischer Privatbanken. FDP und Mitte erklärten sich mit den Änderungen einverstanden; die SP sprach sich für die Abschaffung des Kundenverfahrens aus. Dass sich die SVP in der Vernehmlassung gar nicht zu Wort meldete, deutet darauf hin, dass die Frage in Zeiten des automatischen Informationsaustausches an Brisanz verloren hat.