Private Banking
Die Zürcher Privatbank sieht sich mit einer Whistleblower-Meldung konfrontiert, die eine heikle Kundenbeziehung in die Familie des russischen Aussenministers und damit zum engsten Machtzirkel von Wladimir Putin thematisiert.
26. Mai 2025 • Beat Schmid

Es ist eine delikate Meldung, die die Finanzmarktaufsicht Finma im März 2025 erreicht. Eingereicht wurde sie über den geschützten Postkasten – ein sicheres elektronisches Meldesystem, über das Whistleblower Hinweise an die Behörden übermitteln können. In der Meldung, die tippinpoint vorliegt, wird eine Kundenbeziehung der Privatbank Julius Bär zu einer Person beschrieben, die in direktem Zusammenhang mit dem russischen Aussenminister Sergej Lawrow steht.

Wie weitere Recherchen ergeben haben, handelt es sich bei dieser Person um Lawrows Tochter, Ekaterina Sergeevna Vinokurova. Sie lebte in den Jahren vor dem Krieg in New York, wo sie 1982 geboren wurde. Sergej Lawrow war zwischen 1981 und 1988 in New York tätig, damals als Diplomat bei der Ständigen Vertretung der Sowjetunion bei den Vereinten Nationen.

Das Risiko im Zusammenhang mit der Kundenbeziehung zur Lawrow-Tochter sei bei Julius Bär als «tief» eingeschätzt worden, heisst es in der Whistleblower-Meldung. Das Konto sei später unter direkter Aufsicht von Chief Risk Officer Oliver Bartholet geschlossen worden. Die Angelegenheit sei mit grösstmöglicher Diskretion behandelt worden, heisst es weiter.

Die Kundenbeziehung mit Ekaterina Sergeevna Vinokurova soll im März 2022 aufgelöst worden sein – zu einem Zeitpunkt, als sie noch nicht auf den internationalen Sanktionslisten stand. Ihr Name wurde erstmals im April 2022 auf einer solchen Liste aufgeführt.

Ihr Vater hingegen, ebenso wie andere Personen aus dem engsten Machtzirkel rund um Präsident Wladimir Putin, wurde bereits am 25. Februar 2022 von den USA sanktioniert. Reisesperren wurden verhängt und Privatvermögen eingefroren. Lawrow soll unter anderem in London eine fünf Millionen Franken teure Wohnung besessen haben. Die Sanktionen folgten nur wenige Tage nach dem Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine am 20. Februar 2022.

Sanktionen gegen russische Exponenten gab es allerdings schon deutlich früher. Spätestens seit der Annexion der Krim im Jahr 2014 verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen erheblich. Zahlreiche Personen landeten bereits damals auf Sanktionslisten – allerdings nicht Wladimir Putin oder Sergej Lawrow.

«Spätestens ab 2014 war für Schweizer Banken höchste Vorsicht im Umgang mit russischen Kunden geboten», sagt ein Banker. In den Compliance-Abteilungen wurden die Kundenportfolios aus Osteuropa systematisch durchleuchtet. Besonders geachtet wurde auf Personen mit direktem Zugang zu Wladimir Putin, so der Banker weiter. Was bei Aussenminister Lawrow ohne Zweifel der Fall gewesen sei. Bei solchen Personen liege der Verdacht nahe, dass ihr Vermögen «nicht ausschliesslich auf legalem oder redlichem Weg» entstanden sei.

Was die Finma mit der Whistleblower-Meldung zu tun gedenkt ist, ist unbekannt. Die Finma selbst «äussert sich nicht zu Einzelheiten eines Instituts», schreibt ein Sprecher. Die Bank Julius Bär schreibt in einer Stellungnahme: «Wir bestätigen, dass im Zusammenhang mit dem suggerierten Sachverhalt es weder aktuelle Anfragen noch uns bekannte laufende Verfahren seitens der Finma gibt. Das erwähnte Whistleblowing gegenüber der Finma haben wir dieser mitgeteilt.»

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