Digital Assets Briefing
Nach langem Zögern macht die US-Börsenaufsicht den Weg frei für Ether-Fonds. Doch gibt entscheidende Unterschiede zum Bitcoin. Drei Experten schätzen ein.
24. Mai 2024 • Werner Grundlehner

In der Nacht auf Freitag kam es überraschend zur Versöhnung von Ethereum und der US-Börsenaufsicht. Ist die Zulassung der Ether-Spot-ETF durch die SEC die Absolution für andere ähnliche Kryptowährungen? Der Meinungsumschwung ist frappant. Noch vor wenigen Wochen rechneten die Marktteilnehmer mit einer 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit damit, dass die Anträge für eine Zulassung von börsengehandelten Indexfonds (ETF), der den Kassakurs des Ethers abbildet, in den USA abgelehnt würde. Zahlreiche Termine für einen Entscheid wurden in den vergangenen Wochen durch die US-Börsenaufsicht SEC nach hinten verschoben. Die Behörde beharrte implizit auf der Meinung, Ether sei als nicht-registriertes Wertpapier einzustufen. Diese kritische Haltung war im Einklang mit der Anti-Krypto-Einstellung des Weissen Hauses.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Der Bitcoin wird in den USA zum Wahlkämpfer
• Die teuerste Pizza der Welt


Doch zuletzt erteilte der US-Kongress der SEC eine Abfuhr, als eine parteiübergreifende Mehrheit die neuen Krypto-Buchhaltungsvorschriften aufhob und das «Krypto-Gesetz» FIT21 verabschiedete. Krypto-Währungen werden erstmals zum Wahlkampfthema (vgl. Short Cuts). Es scheint, als ob die Biden-Administration im Vorfeld der Wahlen von ihrer strikten Anti-Krypto-Haltung wegkommen möchte. Am Donnerstag nach Börsenschluss bewilligte die Börsenaufsicht die Anträge der Börsen Nasdaq, CBOE und NYSE für den Handel mit Ether-ETF. Die Emittenten wie Blackrock, Ark/21Shares, VanEck u.a. benötigen nun noch eine Genehmigung für die Erstellung detaillierter Anlegerinformationen, dafür gibt es keinen festen Zeitrahmen, in welchem die SEC entscheiden muss.

Anpassungen von beiden Seiten

Die Behörden und die Emittenten machten in dieser Woche rasch vorwärts. Mitte Woche haben Blackrock, Grayscale und Bitwise bei der Börsenaufsicht aktualisierte 19B-4-Formulare für ihre Ethereum ETF eingereicht. In allen aktualisierten Formularen kam es zur Streichung von ETH-Staking-Optionen, welche aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu Dividendenausschüttungen womöglich ein regulatorisches Hindernis dargestellt hätten. Ähnliches hatten in den Tagen zuvor bereits andere ETF-Anbieter vorgenommen.

Die SEC hatte zudem die Börsenbetreiber Nasdaq, CBOE und NYSE aufgefordert, ihre Anträge für die Notierung von Spot- Ethereum-ETF zu verfeinern. Auch das wurde als Zeichen gedeutet, dass die Zulassung unmittelbar bevorstehe. Die Zuversicht trieb die Ether-Notierung an. In den vergangenen Tagen von rund 3100 auf 3900 Dollar geklettert. Die ETF-Fantasie erfasste den gesamten Krypto-Bereich. Jetzt also gibt die Behörde grünes Licht.

Eine Absolution für Altcoins

Mit der Zulassung der Bitcoin-ETF im Januar hat sich die Nachfrage nach den Coins markant erhöht, denn die Emittenten müssen ihre Produkte mit realen Basiswerten hinterlegen. Beim Bitcoin, der sich als Wertaufbewahrungs- und Zahlungsmittel etabliert hat, ist ein solcher Nachfrageschub – verbunden mit einer Aufwertung – durchaus im Sinn der Bitcoin-Gemeinde. Wie sieht das, aber bei Ethereum aus? Die Blockchain wird als Basissystem für zahlreiche Anwendungen wie Defi (dezentrale Zahlungsdienstleistung), NFT etc. genutzt?

Gewisse Marktbeobachter sehen in einer möglichen Ether-ETF-Zulassung zudem eine Absolution für viele andere Altcoins durch die SEC. Da Solana, Cardano, Ripple & Co. ähnliche Funktionen wie Ethereum ausführen. «Ich würde aufgrund der Historie nicht davon ausgehen, dass die SEC grosszügig sein wird in der Freigabe von Geldtokens – auch wenn wir von der gleichen zugrunde liegenden Blockchain sprechen. Nichtsdestotrotz ist die Frage berechtigt, zumal die SEC immer mit Ängsten hinsichtlich der Geldwäsche gegen die Freigabe argumentiert hat», sagt Nourdine Abderrahmane, Experte bei LPA, einem Entwickler technologiebasierter Kapitalmarktlösungen. So könnte die Freigabe des Ether-ETF gegenüber den Altcoins als Wettbewerbsverzerrung ausgelegt werden. Schlimmer gar, es entsteht gemäss dem LPA-Experten eine Angriffsfläche gegenüber Whitewashing-Argumenten, wenn nun alle Blockchain-basierten Altcoins eine generelle Freigabe erhalten würden.

«Ohne Staking nicht kompetitiv»

«Regulatorische Entscheidungen sollten von spezifischen Krypto-Assets nicht auf den gesamten Markt extrapoliert werden», sagt Fabian Schär, Professor für Distributed Ledger Technology (Blockchain) und Fintech an der Uni Basel. Im Gegenteil hoffe er, dass sich die Regulatoren jedes Krypto-Asset individuell anschauen würden. Man sollte nicht vergessen, dass es riesengrosse Unterschiede gebe und zwar hinsichtlich des Anlagetyps, der Technologie und des Zentralisierungsgrades, um nur einige Aspekte zu nennen, fügt Schär an.

«Staking macht die Frage sicherlich komplizierter — insbesondere wenn man sich vor Augen führt, dass für kompetitives Staking auch das Thema MEV (Transaction Ordering und Arbitrage) relevant werden dürfte», fügt der DLT-Professor im Hinblick auf die Streichung des Staking-Aspekts aus den Zulassungsunterlagen an. Er befürchtet aber, dass man mittelfristig nicht um das Thema herumkommen werde: «Ein ETF ohne Staking-Ertrag ist nicht kompetitiv.»

Gemäss Abderrahmane sei die Frage interessant, ob Staking erlaubt werde oder nicht: «Aus klassischer Finanzsicht könnte man einen Investitionsanreiz in Form einer Verzinsung stellen, indem Einlagen in den ETF auch ‘at stake’ gesetzt werden, was einen der zentralen Unterschiede zum Bitcoin darstellt». Hier hätte der Ether-ETF gegenüber dem Bitcoin-ETF einen klaren Performance-Vorteil. Es bestünden jedoch auch eine Risikokomponente, da Staking im schlimmsten Fall einen Totalausfall bedeuten kann. Wahrscheinlich seien es die Risikoauflagen seitens der SEC, die zum Verzicht von Staking geführt hätten.

Kategorisierung der Tokens ist gefragt

Schär glaubt nicht, dass mit einer ETF-Zulassung durch die SEC die Diskussion «Wertschriften oder nicht» vom Tisch ist. Den Begriff Krypto-Asset sieht er als technischen Container, unter welchem native Protokoll-Assets wie Bitcoin oder Ether, aber auch Tokens mit externen Zahlungsversprechen wie beispielsweise der Stablecoin USDC oder Real Estate Tokens verbucht werden. «Die regulatorische Behandlung muss sich meines Erachtens an diesen ökonomischen Charakteristika orientieren und darf nicht nur aufgrund der Tatsache erfolgen, dass etwas auf einer Blockchain abgebildet ist», so Schär.

Dem stimmt auch der LPA-Experte zu: «Die Unterschiede zwischen den kommerziellen wie technischen Eigenschaften der Ethereum-Blockchain unterstreicht die Notwendigkeit, jeden Geld-Token, der per ETF besparbar gemacht werden soll, einzeln zu prüfen». Hier würde eine einheitliche Kategorisierung der Tokens seitens der SEC, wie sie zum Beispiel von der Schweizer Aufsichtsbehörde Finma herausgegeben wurde, mehr Klarheit schaffen für Token-Anbieter.

Mehr Liquidität führt zu mehr Entwicklern

Die ETF würden in erster Linie eine grössere Liquidität und Beteiligung institutioneller Anleger mit sich bringen, erklärt Adrian Fritz, Head of Research bei 21Shares. «Diese erhöhte Liquidität würde wahrscheinlich mehr Entwickler anziehen sowie andere Unternehmen ermutigen, ihre Geschäftsmodelle auf Ethereum aufzubauen», fügt er an. Ein Zustrom institutioneller Investitionen könnte theoretisch Bedenken hinsichtlich der Zentralisierung aufwerfen, da grosse Anleger möglicherweise Einfluss auf die Governance des Netzwerks ausüben könnten – vorausgesetzt diese agieren als Validator und die angesammelten ETH werden gestaked. Die Ethereum-Community begrüsst gemäss Fritz aber Dezentralisierung und würde Änderungen, die als zu stark auf traditionelle Finanzinteressen ausgerichtet wahrgenommen werden, wahrscheinlich ablehnen.

Ethereum wird gemäss Fabian Schär bereits seit einigen Jahren mehrheitlich als Basis-Layer für Finanzanwendungen im Defi-Bereich genutzt. Eine Bewilligung von Spot-ETFs würde daran nichts ändern – zumindest nicht direkt. «Viel entscheidender wird die Frage sein, auf welchem Basis-Layer Institutionen ihre Tokenisierungsprojekte und Finanzanwendungen abbilden», sagt der Finanzprofessor.

Abderrahmane sieht keinen Widerspruch zwischen Ether-ETF und Web3-Plattform: «Investoren sind in Wirklichkeit ja entweder Eigentümer von Ether-Coins, Staker oder Nutzer von Ethereum-Blockchain basierten Kontrakten. Alle profitieren von einer Wertentwicklung des Ethers.» Durch den ETF könnte die Nachfrage hoch gehen und eine nachhaltige Wertsteigerung auslösen. Aber selbst wenn der Ether Bewertungen in der Höhe von Bitcoin erreichen würde, erlaubt die Stückelung von bis zu 10 hoch 18 gemäss Abderrahmane eine anhaltende Nutzbarkeit für echte Anwendungsfälle.

Ein Upgrade ist in Vorbereitung

Auf der Ethereum-Blockchain wird am nächsten grossen Upgrade mit dem Projektnamen «Pectra» gearbeitet. Dieses wird dieses oder Anfang des nächsten Jahres erwartet. Es werden zahlreiche Verbesserungen im Bereich der Netzwerkstabilität und der Benutzererfahrung erwartet. Arbeiten die Ethereum-Entwickler auch mit Blick auf den Einsatz des Ether-Coins in ETF – oder ist das der Entwicklergemeinde egal?

Ethereum möchte sich gemäss Adrian Fritz als neutrale, globale sowie dezentrale Innovationsplattform etablieren. Projekte, Apps und Dienstleistungen, die auf Ethereum aufbauen, können je nach Anwendungsfall und Zielgruppe entweder dezentralisiert oder zentralisiert sein. «Beide Welten können auf der Ethereum-Blockchain koexistieren. Upgrades wie Pectra sind entscheidend für den langfristigen Erfolg von Ethereum. «Auch wenn solche Upgrades keine sofortigen Auswirkungen auf den Preis haben, werden sich diese fundamentalen Verbesserungen langfristig in der Adoption und im Interesse der Investoren widerspiegeln», sagt der Leiter Research von 21 Shares.

Benutzerfreundlichkeit wird verbessert

Das Upgrade erhöht das maximale Einsatzlimit pro Validator auf 2048 Ether statt 32 Ether und entfernt leere Konten, um die Transaktionsverarbeitung zu erleichtern. Ein wichtiger Bestandteil ist EIP 7702, Vitalik Buterins neuer Vorschlag zur Verfeinerung der Account Abstraction (AA). AA soll vor allem die Benutzerfreundlichkeit von Wallets deutlich verbessern. Weitere Optimierungen umfassen gemäss Adrian Fritz gebündelte Transaktionen, gesponserte Transaktionen und Widerstandsfähigkeit gegen Quantencomputing-Bedrohungen.

Schärs Wahrnehmung ist, dass die Eignung als ETF-Basis von Ethereum für die Entwickler keine Rolle spiele: «Andere Fragen wie beispielsweise Zensurresistenz, Privatsphäre, Skalierung und MEV sind für die meisten Entwickler deutlich wichtiger.»




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Der Bitcoin wird in den USA zum Wahlkämpfer

Im Wahlkampf wird viel versprochen – und auch mal gelogen –, Hauptsache neue Wähler werden gewonnen. «Wir werden eine Krypto-Armee aufbauen, die die Kampagne am 5. November zum Sieg führt», schrieb jüngst das Wahlkampfteam von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump. Der praktische Hintergrund dieser martialischen Ankündigung: Das Kampagnen-Team des Ex-Präsidenten akzeptiert seit dieser Woche die Annahme von Wahlkampfspenden in Kryptowährungen. Das Ganze wird als Solidarität mit den Gegnern einer «sozialistischen Regierungskontrolle» über die US-Finanzmärkte verkauft. Die Akzeptanz von Spenden in Kryptowährungen ist nur die jüngste in einer Reihe von Trumps Bemühungen, die Krypto-Gemeinschaft zu umwerben, die laut einer Umfrage des Pew Research Center vom April 2023 tendenziell jung und und männlich ist.

Das Ganze ist auch ein direkter Angriff auf Konkurrenten und Amtsinhaber Joe Biden und seine Partei. Das zeigt sich an der Formulierung. Die demokratische US-Senatorin Elizabeth Warren hatte in ihrem Wahlkampf im Jahr 2023 versprochen eine «Anti-Krypto-Armee» auf die Beine zu stellen. Der Kreuzzug von Senatorin Elizabeth Warren gegen Kryptowährungen gerät aber auch in der eigenen Partei vermehrt unter Druck. Dutzende von Demokraten, darunter der Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, haben in den vergangenen Tagen mit ihr gebrochen und einen Versuch unterstützt, die SEC-Richtlinien rückgängig zu machen, die gemäss Kritiker Banken davon abhalten, digitale Vermögenswerte zu halten.

Mit Erfolg: Am Mittwoch verabschiedete das Repräsentantenhaus das sogenannte «Krypto-Gesetz» FIT21. Das Gesetz über Finanzinnovation und -technologie für das 21. Jahrhundert soll für regulatorische Klarheit in den USA sorgen. Präsident Biden drohte ursprünglich mit seinem Veto, hat nun aber darauf verzichtet. Wie viel von dieser Krypto-Begeisterung der US-Politiker reines Wahlkalkül ist, wird sich wohl erst in der neuen Präsidentschaftsperiode im Januar 2025 zeigen.


Die teuerste Pizza der Welt

Es wird wohl jeder mitbekommen haben – zig Tweets, Linkedin- und Instagram-Posts sowie andere Kanäle verkündeten es: Am vergangenen Mittwoch wurde zum vierzehnten Mal der Bitcoin-Pizza-Day begangen. Am 22. Mai 2010 wollte der Programmierer Laszlo Hanyecz in Florida für seine Familie Pizza bestellen. Hanyecz stellte die Frage online, ob ihm jemand zwei Familienpizzen liefern würde, wenn er 10’000 Bitcoin dafür zahlte. Jeremy Sturdivant willigte ein. Er holte bei der Pizzakette Papa John’s zwei grosse Pizzen und erhielt dafür Bitcoin zum damaligen Wert von rund 40 Dollar. Heute wären diese aber gegen 700 Millionen Dollar wert.

Die Pizzakette Papa John’s hat nicht mitbekommen, dass sie am «wervollsten» Pizza-Deal der Geschichte beteiligt war. Jeremy Sturdivant hat seine Bestellung ganz konventionell mit seiner Kreditkarte bezahlt. Wichtiger als die immense Kaufkraftsteigerung des Bitcoins ist vielmehr die Tatsache, dass bereits im Jahre 2010 offizielle Transaktionen stattfanden. Mit der Kryptowährung, die nach wie vor von vielen als «Schneeballsystem» oder ähnlich betitelt wird, war bereits vor 14 Jahren eine reale Kauftransaktion möglich. Und der Empfänger war dabei nicht der Gelackmeierte. Jeremy Sturdivant verkaufte die Coins kurz darauf zu einem Bitcoin-Kurs von 1 Dollar – und leistete sich mit dem Erlös ein paar schöne Ferientage.

MEHR ZUM THEMA


Darum sind CBDC keine Kryptos - und keine Bitcoin-Alternative

So ziemlich alle Zentralbanken arbeiten an eigenen digitalen Landeswährungen. Diese CBDC haben aber wenig mit Bitcoin & Co. gemeinsam – und stellen in gewissen Ausprägungen für den Bürger eine Bedrohung dar.
10. Mai 2024

Verliert der Bitcoin seine Seele…

… oder verhelfen die neuen Protokolle wie Ordinals und Runes zu bahnbrechenden Anwendungen und einer breiteren Akzeptanz? Drei Experten ordnen ein. +++ Dazu: Blackrock wartet auf grossen Fische; Tether erzielt Rekord-Quartalsgewinn.
3. Mai 2024

Die wunderbare Welt der Cathie Wood

Die bekannte US-Tech-Investorin kommt ins Zürcher Kaufleuten zu «Drinks and Canapés», dabei wird Stimmung für die Lancierung der ARK-Fonds in Europa gemacht. Es zeigt sich: Glaube und Marketing sind wichtiger als Performance.
1. Mai 2024

Bitcoin-ETF: Viel Wirbel im Vorfeld der SEC-Zulassung

Vor der (wahrscheinlichen) Zulassung von Bitcoin-ETFs durch die US-Börsenaufsicht SEC sorgt ein gehacktes Posting auf X für Aufregung. Peinlich für Gary Gensler: Das Konto war nur rudimentär gesichert.
10. Januar 2024

Garry Gensler - verschmähter Liebhaber oder Feind der Kryptobranche?

In den USA stehen für den Kryptobereich (überlebens-)wichtige Tage an. Doch in der Anklage der Börsenaufsicht gibt es bereits zahlreiche Risse. Die Position des SEC-Chefs hat sich innerhalb von wenigen Monaten komplett verändert.
16. Juni 2023