Bankensoftware
Der umstrittene Hedgefonds geht erstmals gegen ein Schweizer Unternehmen vor. Hindenburg Research, bekannt für seine waghalsigen Short-Strategien, hat die Genfer Bankensoftwarefirma Temenos ins Visier genommen.
15. Februar 2024 • red.

Irgendwann musste es passieren. Am Donnerstagmittag war es soweit: Der US-Hedgefonds Hindenburg Research verschickte eine Mitteilung mit dem Titel «Temenos: schwerwiegende Unregelmässigkeiten in der Buchhaltung, gescheiterte Produkte und ein illusorischer Turnaround». Die Meldung verfehlte ihre Wirkung nicht: Die Aktie der Genfer Bankensoftwarefirma stürzte ab; bis 14 Uhr verliert sie 32 Prozent. bei Börsenschluss waren rund 2 Milliarden Franken Marktkapitalisierung weg.

Hindenburg schreibt: «Unsere viermonatige Untersuchung von Temenos, bei der wir 25 ehemalige Mitarbeitende, darunter auch Führungskräfte des Unternehmens, befragten, ergab Hinweise auf manipulierte Gewinne und gravierende Unregelmässigkeiten in der Buchhaltung. Dazu gehörten Beweise für 'Roundtrip'-Einnahmen, Scheinpartnerschaften, das unkontrollierte Vorziehen von Vertragsverlängerungen, rückdatierte Verträge, übermässige Aktivierung von F&E-Investitionen, die scheinbar nicht existierten, und andere klassische buchhalterische Warnzeichen.»

Diese «aggressiven Buchhaltungspraktiken» schienen unter den Mitarbeitern «ein offenes Geheimnis» zu sein, schreibt der Hedgefonds, der selbst eine nicht näher bezifferte Short-Position in dem Unternehmen aufgegebaut hat. Laut Hindenburg gaben mehrere Mitarbeiter an, dass CEO Andreas Andreades diese Praktiken fördere, die dazu beitrügen, «die erhebliche Unzufriedenheit der Kunden mit den Produkten und die Fluktuation zu verschleiern».

Temenos soll gegenüber Hindenburg angegeben haben, «alles zu unternehmen, um so offen wie möglich mit Daten umzugehen». Das Unternehmen wolle sämtlichen Vorwürfe über allfälliges unangemessenes Verhalten nachgehen. Hier die ganze Analyse von Hindenburg zu Temenos.

Hinter Hindenburg steckt der New Yorker Hedgefonds-Manager Nathan Anderson. Er wurde bekannt mit seinem Angriff auf den indischen Multimilliardär Gautam Adani und dessen Adani Group. Dem engen Vertrauen des indischen Ministerpräsidenten Narendra Modi warf Anderson vor, den «grössten Betrug der Wirtschaftsgeschichte» begangen zu haben.

Update: Temenos nahm an Donnerstagnachmittag in einer Ad-hoc-Meldung zu den Vorwürfen Stellung. Der Verwaltungsrat weise die Anschuldigungen «entschieden zurück», heisst es darin. Der Bericht enthalte «sachliche Ungenauigkeiten und analytische Fehler sowie falsche und irreführende Behauptungen, die darauf abzielen, den Aktienkurs der Gesellschaft negativ zu beeinflussen». Das Unternehmen sei im Vorfeld nicht um eine Stellungnahme zu dem Bericht gebeten worden.

Temenos sei zuversichtlich, was die Stärke des Geschäfts, seine finanzielle Leistung und seine Liquiditätslage betreffe. Das Unternehmen wird am 19. Februar nach Börsenschluss seine Zahlen für das abgelaufene Jahr veröffentlichen.

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