Partner Content
Seit Anfang Jahr müssen Schweizer Banken die neue Selbstregulierung im Bereich «Sustainable Finance» anwenden. Weil diese anders aufgebaut als die Regulierung der EU, wird dies einige Banken in Schwierigkeiten bringen.
9. Februar 2024 • Nicolas Mougeot

Ab dem 1. Januar 2024 müssen Banken, die der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) angeschlossen sind, die neue Selbstregulierung im Bereich «Sustainable Finance» anwenden. Diese enthält verbindliche Vorgaben für die Anlage- und Hypothekarberatung sowie die Vermögensverwaltung. Im Kern geht es darum, die Anliegen und Einstellungen der Kunden zu ESG (Environmental, Social, Governance) zu kennen und in die Geschäftsbeziehung zu integrieren sowie die angebotenen Produkte und Dienstleistungen darauf abzustimmen.

So müssen die Kunden künftig bereits beim Erstkontakt nach ihren ESG-Präferenzen befragt werden. Die Antwort kann auf einer Skala erfolgen, z.B. «sehr interessiert», «interessiert» oder «neutral», wobei die Banken die Kriterien frei definieren können. Sie sind jedoch verpflichtet zu gewährleisten, dass die den Kunden angebotenen Anlagelösungen mit den konkreten Bedürfnissen übereinstimmen beziehungsweise den Interessen passen. Konkret könnten einem Kunden, der angegeben hat, dass ihm der Schutz der Umwelt wichtig ist, Anlagelösungen angeboten werden, welche die Verbesserung der Energieeffizienz oder den Ausbau erneuerbarer Energien zum Ziel haben.

Die Richtlinien der SBVg halten jedoch klar fest, dass die Banken in erster Linie und vor allem die finanziellen Interessen ihrer Kunden zu schützen und zu wahren haben. Dazu gehören insbesondere Liquiditätsanforderungen, die Berücksichtigung des individuellen Anlagehorizonts sowie Aspekte der Risikofähigkeit.

Schweizer Regulierungen vs. EU?

Auch die Europäische Union (EU) hat in den letzten Jahren mit verschiedenen Regulierungen die Rahmenbedingungen für eine nachhaltige Finanzwirtschaft definiert. Dazu gehören insbesondere die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), die Finanzmarktakteure dazu verpflichtet, offenzulegen, inwieweit die von ihnen getätigten Anlagen tatsächlich nachhaltig sind, sowie MIFID II, die die Anforderungen an Finanzdienstleister und Handelsplätze in der EU definiert.

Während die Regeln der SBVg eher dem typisch schweizerischen Konsens und Pragmatismus entsprechen, waren die EU-Verordnungen von Anfang an sehr streng und berücksichtigen neben ESG auch die EU-Taxonomie. Letztere definiert die Nachhaltigkeit wirtschaftlicher Aktivitäten. Gemeinsam ist den Schweizer wie europäischen Regelwerken, dass sie das sog. Greenwashing zu verhindern versuchen.

Neben der SBVg hat auch die Asset Management Association (AMAS) eine umfassende Selbstregulierung im Bereich Nachhaltigkeit erarbeitet. Auch diese ist für die Mitglieder des Branchenverbandes verbindlich, hat aber ebenfalls keinen Gesetzescharakter. Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Bundesrat bei einer möglichen gesetzlichen Regelung – beispielsweise zur Sicherstellung der Konvergenz zur EU – zuerst die Auswirkungen dieser Selbstregulierungen analysieren wird, bevor er Anpassungen in Betracht zieht.

Ein Big-Bang mit 2 Geschwindigkeiten?

Da ein Grossteil der EU-Vorschriften bereits in Kraft ist, dürften die neuen Richtlinien der SBVg einige Banken in Schwierigkeiten bringen. Zudem besteht die Gefahr eines Zweiklassensystems. So müssen Schweizer Banken mit Niederlassungen oder Kunden in der EU künftig sowohl die schweizerischen als auch die europäischen Richtlinien einhalten, während Banken ohne Beziehungen in oder mit der EU «nur» die schweizerischen Regeln einhalten müssen.

Unabhängig davon erfordern die neuen Regeln von den betroffenen Finanzinstituten erhebliche Anstrengungen und Vorkehrungen. Dazu gehört in erster Linie der Aufbau und die Bereitstellung der notwendigen IT-Infrastruktur, um das Angebot an nachhaltigen Finanzprodukten mit den ESG-Präferenzen der Kunden abzugleichen. Darüber hinaus müssen die Mitarbeiter im Hinblick auf die neuen ESG-Regulierungen und die Herausforderungen eines nachhaltigen Finanzplatzes geschult werden. Auch hier könnte sich die Schere zwischen kleineren und grösseren Instituten weiter öffnen.

In der nun beginnenden Lern- und Anpassungsphase werden wir sicherlich beobachten können, dass die Banken je nach Standort, verfügbaren Ressourcen oder Wertvorstellungen unterschiedliche ESG-Ansätze verfolgen werden. Wir sind jedoch überzeugt, dass die Einführung von Richtlinien, welche die Nachhaltigkeit von Anfang an in den Mittelpunkt der Beziehung zwischen Bank und Kunde stellen, die Entwicklung des Finanzplatzes insgesamt fördern wird. Wir sind gespannt, wie sich die Situation in zwei bis drei Jahren darstellt.

Zum Autor: Nicolas Mougeot ist Head of Investment Strategy & Sustainability bei Indosuez Wealth Management.

MEHR ZUM THEMA


Künstliche Intelligenz: Warum die Gewinner von heute nicht unbedingt die Sieger von morgen sind

Sie fasziniert und beunruhigt. Gleichzeitig bietet Künstliche Intelligenz neue wirtschaftliche Chancen. Aber die tatsächlichen Auswirkungen bleiben nur schwer messbar.
30. November 2023