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Eine neue Anwendung ermöglicht Smart-Contract-Fähigkeiten auf Bitcoin. Ein Whitepaper dazu hat viel Aufmerksamkeit, Begeisterung – aber auch Kritik ausgelöst.
13. Oktober 2023 • Werner Grundlehner

Ist das die neue «Killer-App» für Bitcoin? Bisher war die Krypto-Welt zweigeteilt. Hier der Bitcoin, ein stabiles und weit verbreitetes dezentrales Peer-to-Peer-Netzwerk, das Transaktionen nachvollziehbar und fälschungssicher abwickelt – aber mit Kapazitätsproblemen kämpft. Auf der anderen Seite Blockchains, die als Plattform für Anwendungen, etwa dezentralisierte Finanzanwendungen (Defi) dienen und meist auf dem Proof-of-Stake Konsensmechanismus aufbauen (während Bitcoin eine energieintensive Proof-of-Work-Blockchain nutzt).



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Ein «Börsen-Guru» sieht einen massiven Bitcoin-Einbruch
• Protest-Blockchain: Wikileaks zum Afghanistan-Krieg verewigt


Die meistgenutzte dieser «schlauen» Blockchains ist Ethereum. Diese «Intelligenz» erhalten diese Blockchains durch Smart Contracts. Das sind Programme, die in einer Blockchain gespeichert sind und ausgeführt werden, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

Das soll nun auch auf der Bitcoin-Blockchain möglich sein. In dieser Woche wurde ein Whitepaper veröffentlicht, das ein neues Berechnungsmodell namens BitVM vorstellt. Das Whitepaper trägt den Namen «BitVM: Compute Anything on Bitcoin» Das Berechnungsmodell zielt darauf ab, die Smart-Contract-Fähigkeiten von Bitcoin zu verbessern, ohne Änderungen an den Konsensregeln der Blockchain vorzunehmen.

Eine Limitierung verschwindet

Bitcoin liess schon immer eine simplistische Form von Smart Contracts zu – welche die Anwender oft Bitcoin Scripts nannten, weil dafür die Programmiersprache Script verwendet wurde. Komplexe Funktionen können aber auf «Scripts» nicht ausgeführt werden. Diese Limitierung war der Auslöser, dass Programmierer um Vitalik Buterin die Ethereum-Blockchain entwickelten.

Der Ansatz von BitVM zielt darauf ab, die Funktionalität von Bitcoin im Bereich der Smart Contracts und dezentralen Anwendungen (DApps) zu erweitern. BitVM ist so konzipiert, dass Turing Bitcoin-Verträge abschliessen kann, ohne die Konsensregeln von Bitcoin zu verändern. Ein Turing-Komplettsystem zeichnet sich dadurch aus, dass es theoretisch in der Lage ist, Lösungen für jedes beliebige Rechenproblem zu liefern, wenn genügend Zeit und Rechenressourcen vorhanden sind. Der Mechanismus ermöglicht es, dass die «Logik» von Bitcoin-Verträgen ausserhalb der Kette ausgeführt wird, während die Verifizierung auf Bitcoin erfolgt, ähnlich wie bei Ethereum.

Schach, Go oder Poker auf der Bitcoin-Blochchain

Die Architektur basiert auf Betrugsbeweisen und verwendet ein Challenge-Response-Modell. In diesem Modell stellt ein «Prover» Behauptungen auf, und ein «Verifier» führt einen Betrugsbeweis aus, um den Prover zu bestrafen, wenn falsche Behauptungen aufgestellt werden. Der Autor des Whitpapers, Robin Linus, hob hervor, dass Bitcoin in seiner jetzigen Form auf grundlegende Operationen wie Signaturen, Zeitsperren und Hash-Sperren beschränkt ist, der Mechanismus diesen Bereich jedoch erheblich erweitern und die Berechnung einer Vielzahl von Anwendungen ermöglichen kann.

Linus betonte, dass BitVM den Weg für zahlreiche Anwendungen ebnen könnte, darunter Spielplattformen für Schach, Go oder Poker und vor allem die Überprüfung von Gültigkeitsnachweisen in Bitcoin-Verträgen. Darüber hinaus könnte es die Brückenbildung von Bitcoin zu anderen Blockchains erleichtern. Das Modell bringt aber auch eine Reihe von Einschränkungen mit sich. Es ist auf eine Zwei-Parteien-Umgebung (Prover und Verifier) beschränkt, was eine beträchtliche Menge an Berechnungen ausserhalb der Blockchain und Kommunikation zur Ausführung von Programmen erforderlich macht.

Beweis der Verjüngung erbracht

In der Bitcoin-Gemeinschaft löst das Whitepaper eine Vielzahl von Reaktionen aus – rief aber beim Bitcoin selbst keine wahrnehmbare Kursreaktion hervor, obwohl die positiven Reaktionen deutlich in der Mehrheit waren. Einzelne Entwickler riefen dazu auf, die Begeisterung zu züglen. Bitcoin-Puristen äusserten Befürchtungen, dass sie mit ihren Bitcoins in Verträgen «eingesperrt» würden. Sie wurden aber darauf hingewiesen, dass niemand gezwungen würde, seine Coins an Verträge zu binden.

BitVM, mit seinem Potenzial, Ethereum-ähnliche Smart Contracts auf Bitcoin zu übertragen, ist ein Beweis für die kontinuierliche Entwicklung und Innovation im Bereich der Kryptowährungen. Noch ist das Whitepaper erst einige Tage alt, es bleibt abzuwarten, welche realen, dezentralen Anwendungen mit Smart-Contract-Funktionen daraus hervorgehen und ob diese sich gegen Konkurrenzprodukte auf anderen Smart-Contracts-Blockchains durchsetzen können. Doch es zeigt sich, wie bereits beim Lightning Network, dass Bitcoin nicht «veraltet ist und zu wenig Kapazität aufweist», wie oft bemängelt wurde.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Ein «Börsen-Guru» sieht einen massiven Bitcoin-Einbruch

Jim Cramer ist in den USA ein «bunter Hund» und spaltet die Gemüter. Der bekannte Finanzberater und TV-Gast, der für seine lebhaften Diskussionen in der Sendung «Squawk on the Street» des Business-Senders CNBC bekannt ist, meinte Mitte Woche, der Bitcoin werde massiv abstürzen («going down big»). In der Vergangenheit hatte Cramer, ein ehemaliger Mitarbeiter von Goldman Sachs und Hedge-Fund-Manager, schon mehrfach Zweifel an Kryptowährungen geäussert.

Dieser Standpunkt ist auch durch die Vorbehalte des US-Regulators und dessen kontinuierliche Prüfung von Kryptowährungen beeinflusst. Doch Cramer liegt ebenso viel falsch wie richtig, wie alle Experten, die täglich eine «publikumswirksame» Meinung haben müssen. Cramer haut aber fast noch mehr daneben. Der TV-Experte dient vielen als zuverlässiger Kontraindikator. Seit März 2023 kann man mit dem aktiv gemanagten Inverse Cramer Tracker ETF (kotierter Indexfonds) gegen die Empfehlungen des vermeintlichen Börsen-Gurus wetten. Angesichts dieser beschränkten Glaubwürdigkeit erhöhten bekannte Bitcoin-Investoren ihre Engagements, zumindest kündigten sie das an. Einfluss auf den Bitcoin-Kurs scheint aber weder das eine noch das andere zu haben.


Protest-Blockchain: Wikileaks zum Afghanistan-Krieg verewigt

Ein unbekannter Aktivist schreibt die Afghanistan-Leaks von 2010 auf die Bitcoin Blockchain. Das macht die damaligen US-Kriegsverbrechen unauslöschlich. Die Aktion soll Aufmerksamkeit für die Verfolgung von Julian Assange wecken, dem Gründer von Wikileaks. Im Juli 2010 veröffentlichte Wikileaks die «afghanischen Tagebücher», die mehrere Kriegsverbrechen des US-Militärs im Afghanistan-Krieg dokumentierten, beispielsweise den Mord an unschuldigen Zivilisten. Nach mehreren Jahren im britischen Hochsicherheitsgefängnis steht Julian Assange vor einer Auslieferung an die USA. Dort drohen ihm 175 Jahre Haft wegen Hochverrats.

Der psychische Zustand von Julian Assange gilt als sehr kritisch. Die Geschichte von Bitcoin und Wikileaks ist seit vielen Jahren eng verwoben. Nach Publikation von Dokumenten schnitten die Vereinigten Staaten die Whistleblower-Plattform vom Zugang zum Finanzsystem ab. Wikileaks hielt sich mit Bitcoin-Zahlungen über Wasser.