Starkoch Antonio Colaianni
Bei Antonio Colaianni zu essen ist stets ein Vergnügen, weil es versteht, in der Küche Überraschungen und Altbekanntes zu kombinieren. Momentan ist der ehemalige Küchenchef des Ornellaia ohne Restaurant; bis am 9. September kocht er im Marmite Foodlab in Zürich.
18. August 2023 • Michael Lütscher
Als erstes Amuse Bouche gäbe es ein Wassermelonentatar, sagt Antonio Colaianni vor einem Essen zum Auftaktessen seines gut dreiwöchigen Gastspiels bei Marmite. Kurz darauf wird ein Häppchen serviert, das aussieht wie ein Tatar aus Rindfleisch – kräftiges Rot, oben auf eine Kaper. Im Mund wird klar, dass es kein Fleisch ist, weil es nicht danach schmeckt – aber was sonst? Selbst im Wissen, dass es sich um Wassermelone handelt, zweifelt man daran. Deren Fleisch ist wässrig und kristallin, ähnlich einem Sorbet. Aber dieses ist hier elastisch.
Später erklärt Colaianni, wie er die Wassermelone behandelte. Unter anderem hat er ihren Saft abgepresst und das Fruchtfleisch vakuumiert bei 80 Grad gegart.
Das Melonentatar ist eine Spielerei. Und nicht als Fleischersatz gedacht. Wenig später folgt in seinem Chef’s Table-Menü echtes Tatar, belegt mit Kartoffelschaum und pochiertem Eigelb. Ein paar Löffel Wohlgefühl, das nur noch von den Orecchiette nach der Art seiner Mutter übertroffen werden – an Tomatensauce mit Polpette.
«I bin im Seich», sagte Colaianni in seinem gemütlichen Bärndüütsch bei der Begrüssung ebenfalls. Das war natürlich Koketterie. Aber auch die Begründung dafür, weshalb bei diesem Degustations-Lunch seine Bouillabaisse ausser Programm ohne Fisch nur als Sud aufgetragen wird. Dieser sieht hellbraun und dickflüssig aus wie eine Caramelsauce. Und schmeckt wie die Essenz eines Fischmarktes. Es ist das Ergebnis eines zwei Tage dauernden Kochprozesses. Traumhaft. Wunderbar. Nachhaltig.
Weniger ist mehr. Oder reduced to the Max, liesse sich sagen. Der Kalbfleischgang besteht aus einem panierten und frittierten Stück Milke mit einem Viertel eines Zwiebel-Blätterteigtörtchen. Grosses Handwerk mit saisonalen Produkten.
Man sieht Antonio Colaianni, wie er mit seinem langjährigen Weggefährten Antonino Alampi in der Showküche hantiert, wie er lacht, wenn er die Tellerchen auf einem Tablett zu den Gästen bringt, und auch seine Postur. Er gehört nicht zu den Radrennfahrern unter den Topköchen.
Dieser Koch, zuletzt vom Guide Michelin mit einem Stern und vom Gault Millau mit 17 Punkten bewertet, verkörpert und verbreitet Genuss.
Bis am 9.9. Marmite-Chefstable
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