Wie so oft, wenn ein neuer Bankchef gesucht wird, kommt Egon Zehnder ins Spiel – konkret: Dominik Schaller, Managing Partner des Headhunter-Unternehmens. So auch bei Raiffeisen Schweiz, der Zentralgenossenschaft, die nach dem abrupten Abgang von Heinz Huber plötzlich ohne CEO dastand.
Dass Gabriel Brenna von Egon Zehnder auf die Shortlist gesetzt wurde, überrascht nicht. Seine Laufbahn erfüllt sämtliche Anforderungen: ein geradliniger akademischer Werdegang an Eliteuniversitäten und – noch wichtiger – mehrere Jahre bei der US-Beratung McKinsey. Beides gilt als sicheres Ticket an die Spitze.
Breite Praxiserfahrung im Banking hingegen bringt Brenna kaum mit. Er stieg erst mit 39 Jahren in die Branche ein. Die Finanzkrise von 2008 kennt er nur aus der Theorie. «Er hat das Bankgeschäft nicht von der Pike auf gelernt», sagt eine Quelle. Umso erstaunlicher ist, dass er als Quereinsteiger ohne Bankerfahrung direkt in eine Führungsfunktion kam – als Leiter Private Banking bei der Liechtensteinischen Landesbank (LLB). Seit vier Jahren ist er CEO der Bank mit einer Bilanzsumme von 27,8 Milliarden Franken.
Raiffeisen allerdings spielt in einer anderen Liga: Die Bilanzsumme beträgt über 300 Milliarden Franken – mehr als das Zehnfache. In zentralen Bereichen wie Kreditgeschäft, Handel, Retail, Bilanzsteuerung, Funding oder Treasury fehlt Brenna die Erfahrung. Damit zählt er zu den unerfahrensten Bankern, die je an der Spitze der Raiffeisen-Gruppe standen.
Dennoch sehen viele Beobachter in der Gruppe die Entscheidung des Verwaltungsrats als risikoarme Wahl. Das Gremium setzt auf Brennas technischen Hintergrund, um die notorischen IT-Probleme der Bank anzugehen. Drei Grossprojekte stehen an: die Weiterentwicklung der App sowie neue Prozesse für Hypotheken und Finanzberatung.
Scheitert auch dieser CEO, kann sich das Gremium zumindest auf die fachliche Eignung in seinem Kernbereich berufen. Ein weiterer Vorteil aus Sicht des Verwaltungsrats: Weil Brenna in zentralen Disziplinen wie Handel oder Kreditgeschäft keine Erfahrung mitbringt, wird er diese Bereiche wohl auch nicht aktiv weiterentwickeln. Das entspricht offenbar den Vorstellungen von Verwaltungsratspräsident Thomas A. Müller, dem das Kreditgeschäft ebenfalls fremd ist – was erstaunlich bei einem Kreditbuch über 233 Milliarden Franken, dem grössten in der Schweiz nach der UBS.
Bank füllt CS-Lücke nicht
Mit dem Zusammenbruch der Credit Suisse ist in der Schweiz eine Lücke entstanden. «Mit dem neuen CEO hat Raiffeisen einen Richtungsentscheid getroffen, den man nur so interpretieren kann: Die Bank wird diese Lücke nicht füllen», sagt ein Beobachter.
Diese Konstellation legt nahe, dass interne Kandidaten wie Firmenkundenchef Roger Reist oder externe wie Nicole Pauli gar nie echte Chancen hatten. Besonders bitter dürfte die Entscheidung für Christian Poerschke sein – langjähriger CFO und seit Hubers Rücktritt CEO ad interim. Intern heisst es, Poerschke machen seinen Job gut, die Zusammenarbeit sei bestens. Bei fehlgeleiteten IT-Projekten habe er eine gute Hand bewiesen, beim Thema Homeoffice Exzesse zurückgefahren.
Bis zuletzt soll er im Rennen um den CEO-Posten gewesen sein. In den zwei Monaten habe sich ein Zweikampf mit Gabriel Brenna herauskristallisiert, sagt eine Quelle. Möglich sei aber auch, dass der Verwaltungsrat Poerschke nur als Backup-Lösung in der Hinterhand hielt – für den Fall, dass es mit Brenna nicht klappt.