Die juristische Aufarbeitung rund um den Zusammenbruch von Greensill Capital und die Rolle der Credit Suisse kommt langsam in die Gänge. Im Zentrum eines laufenden Prozesses vor dem Londoner High Court steht Eric Varvel, langjähriger Spitzenmanager der CS und ehemaliger Chef des Asset Managements. Ihm wird vorgeworfen, die Risiken der umstrittenen Lieferkettenfinanzierungsfonds systematisch verharmlost zu haben.
Wie Medien berichten, soll Andreas Gottschling, einst Chef des Risikoausschusses der CS, Varvel bezichtigt haben, dem Prüfungsausschuss der Bank ein «völlig falsches Bild» über die Greensill-Fonds vermittelt zu haben. Grundlage dieses Vorwurfs ist ein Bericht der Unternehmensberatung McKinsey, den Varvel 2020 in Auftrag gegeben hatte. Laut Gottschling habe Varvel daraus selektiv und irreführend zitiert, um die problematische Lage der Fonds zu kaschieren.
Varvel wies diesen Vorwurf vor Gericht zurück. Die Aussagen seien «aus dem Kontext gerissen» worden und zielten möglicherweise darauf ab, im Nachhinein Schuldige für das Greensill-Debakel auszumachen. Dabei verwies er auf die zeitliche Distanz der Gottschling-Aussagen zum eigentlichen Kollaps von Greensill Capital.
Die Schweizer Finanzmarktaufsicht Finma hatte im Februar 2023 festgestellt, dass es bei der CS im Umgang mit Greensill Capital zu schwerwiegenden Verstössen gegen das Schweizer Aufsichtsrecht gekommen sei. Obwohl der Bericht nie veröffentlicht wurde, wurden nun Teile daraus völlig überraschend als Beweismittel im laufenden Verfahren eingebracht.
Im Verfahren vor dem Londoner Gericht geht es um einen Schaden von rund 440 Millionen US-Dollar, den CS-Kunden durch Investments in Greensill-nahe Fonds erlitten. Der Fall wird zwischen der Credit Suisse (UBS) und der japanischen SoftBank verhandelt.
«Totaler Schwachsinn»
Ein weiteres belastendes Element ist ein E-Mail-Verkehr zwischen CS-Manager Michel Degen und Lex Greensill, dem Gründer der gleichnamigen Finanzgruppe. Demnach soll Degen einem Geschäft zugestimmt haben, das der CS eine Beteiligungsoption im Wert von bis zu 150 Millionen US-Dollar an Greensill Capital einräumte. Varvel sei nachträglich über die Vereinbarung informiert worden. Diese Darstellung sei falsch, lässt Michael Degen über seinen Anwalt gegenüber tippinpoint ausrichten.
In einer separaten E-Mail schrieb Varvel im Januar 2021: «In einer Krise gibt es auch Opportunitäten.» Diese Aussage interpretierte der Softbank-Anwalt Tom Smith als klaren Hinweis darauf, dass Varvel versucht habe, aus der prekären Lage von Greensill Kapital zu schlagen. Varvel hingegen bestritt diese Darstellung. Vielmehr habe es sich dabei um einen Insiderkommentar gehandelt, den er gemeinsam mit dem damaligen Asien-Pazifik-Chef Helman Sitohang während der Asienkrise in den 1990er-Jahren geprägt habe. Varvel hatte damals mit Sitohang in Asien zusammengearbeitet. Anwalt Tom Smith wiederum sagte, das sei «totaler Schwachsinn».