Prominenter Kritiker
Wegen seiner gepfefferten Kritik an nachhaltigen Investments wurde er von HSBC suspendiert. Jetzt ist er wieder da und sagt: “Eigentlich bin ich ein Befürworter von ESG.”
6. September 2022 • Beat Schmid

Das Enfant terrible der Sustainable-Finance-Szene ist wieder aufgetaucht. In einem Beitrag in der FT, wo er einst als Journalist gearbeitet hatte, brach Stuart Kirk sein Schweigen. Ende Mai trat er eine Kontroverse los, als er an einer Konferenz eine heftige Attacke auf die ESG-Industrie ritt.

Er sagte, dass die finanziellen Risiken des Klimawandels völlig übertrieben dargestellt werden. Er schleuderte Sätze ins Publikum wie: "Wen kümmert es, wenn Miami in 100 Jahren sechs Meter unter Wasser steht? Amsterdam steht schon seit Ewigkeiten sechs Meter unter Wasser, und das ist ein wirklich schöner Ort. Wir werden damit zurechtkommen." Wegen Aussagen wie diesen wurde er von HSBC-CEO Noel Quinn von seinem Job als Leiter Responsible Investment suspendiert.

Heute sagt Kirk: Der Fehler sei, dass die ESG von Anfang an zwei Bedeutungen hatte.

Die eine ist die, wie sie Portfoliomanager, Analysten und Datenlieferanten unter ESG-Investitionen seit Jahren verstehen würden, und zwar: “Die Berücksichtigung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekten bei der Bewertung der potenziellen risikobereinigten Rendite einer Anlage.” Die meisten Fonds seien auf dieser Grundlage im Kern ESG-Anlagen. Das Klima, die Unternehmenskultur oder eine schlechte Unternehmensführung beeinflussen die Bewertungen immer "bis zu einem gewissen Grad".

Dieser Ansatz würde sich jedoch stark von Investitionen in “ethische”, “grüne” oder “nachhaltige” Anlagen unterscheiden. Diese zweite Bedeutung sei es, wie die meisten Menschen über ESG denken würden: “Sie versuchen, das Richtige mit ihrem Geld zu tun.” “Sie bevorzugen ein Unternehmen, das keine Kohle verbrennt, keine Vetternwirtschaft betreibt und eine möglichst divers zusammengesetzte Führungscrew aufweist.”

Input-Fonds und Output-Fonds

Gemäss Kirk handelt es sich dabei um zwei komplett unterschiedliche Bedeutungen. Bei der einen geht es darum, E, S und G (also Umwelt-, soziale und Governance-Faktoren) als “Inputs” von Anlageentscheidungen zu betrachten, bei anderen, um den “Output” oder das Ziel eines Investments zu maximieren.

Weil diese beiden grundverschiedenen Dinge ständig vermischt werden, gebe es ein heilloses Chaos in den Köpfen der Menschen. Er kritisiert auch die Regulatoren, die sich nie die Mühe gemacht hätten, diese zwei Ausprägungen zu trennen. Auch die Asset-Manager würden sich um eine Unterscheidung futieren. Das sei der Kern des Problems.

Deshalb plädiert Kirk für eine Aufspaltung von ESG. Wenn Asset-Manager klar definierte “ESG Input Fonds” auf den Markt bringen würden, könnte dies die Verwirrung beenden. Auf der anderen Seite würden “ESG Output Fonds” entstehen, die Gutes tun wollen, wie Kirk sagt.

Betrachtet man das ESG-Universum, ist bereits heute diese Unterscheidung zu erkennen, zumindest teilweise. Sogenannte Impact-Fonds sind strenggenommen bereits heute Output-Fonds, wie sie sich Kirk vorstellt. Bei allen anderen Produkten, die mit einem ESG- oder Nachhaltigkeitslabel versehen sind, könnte sein Ansatz helfen, für mehr Klarheit bei den Investoren zu sorgen.