Minus 70 Prozent
Flugreisen ziehen wieder kräftig an. Doch Konzerne wie Zurich Insurance und Swiss Re streichen Flugreisen aus Klimagründen fürs Personal zusammen. Wer zu viel fliegt, wird es beim Bonus zu spüren bekommen.
31. Mai 2022 • Beat Schmid

Im Nachhaltigkeitsbericht der Zurich Insurance Group steht es an drei Stellen: Die Versicherung will die Geschäftsfliegerei deutlich herunterfahren. Die CO₂-Emissionen sollen ab diesem Jahr um 70 Prozent gegenüber 2019 gesenkt werden.

So weit wie der Versicherer geht kaum ein anderes Schweizer Unternehmen, wie dem Travel Smart Ranking zu entnehmen ist. Die deutliche Reduktion bei den Flugreisen soll einen Beitrag zur konzernweiten Senkung des CO2-Ausstosses leisten. Zurich hat sich dazu verpflichtet, bis 2050 das Netto-Null-Ziel zu erreichen. Rückversicherer Swiss Re will den Ausstoss aus der Fliegerei gegenüber Vor-Corona-Zeiten um 50 Prozent senken.

Zurich wird auch in Zukunft grössere Events virtuell durchführen

Doch wie bringt man es dem Personal bei, dass es auf den Flieger verzichten soll? Daniel Englberger ist Chief Operating Officer, Technology and Operations beim Versicherungskonzern. Er sagt zu Tippinpoint: “Der grösste Anreiz ist die Digitalisierung. Vor ein paar Jahren wäre es nicht möglich gewesen, grosse Events auch virtuell durchzuführen. Man war sich daran gewöhnt zu reisen, um an internen und externen Events teilzunehmen.” Heute seien virtuelle Treffen fast schon die Norm, sagt er.

Wichtig sei, dass das Unternehmen den Mitarbeitenden die richtige Technologie bereitstellen könne, damit dies reibungslos klappe, sagt Englberger. “Wir arbeiten kontinuierlich daran, die Tools zur virtuellen Arbeit für unsere rund 56'000 Mitarbeitenden zu optimieren.”

Bei Swiss Re spielen auch noch andere Mechanismen mit. Der Rückversicherer hat einen internen CO₂-Preis eingeführt. Dieser kommt bei allen relevanten Aktivitäten zum Tragen. Konkret heisst das: Wenn jemand mit der Flieger von Zürich nach London fliegt, wird der Abteilung rund 200 Franken verrechnet. Fliegt die Person in der Business-Class, steigt der Preis auf 600 Franken. Bei Langstreckenflügen liegen die Kosten deutlich höher.

Firmen setzen auf die Nudging-Methode

Diese Kosten sind direkt an den Verteilschlüssel der Bonuszahlungen geknüpft. Wenn jemand wie verrückt in der Gegend herumfliege, würde uns das auffallen, sagte Reto Schnarwiler, der Chef Group Sustainability von Swiss Re, kürzlich zur FT. Man werde dann mit der Person das Gespräch suchen. So erhofft man sich, die Belegschaft in die gewünschte Richtung schubsen zu können. In der Verhaltensökonomie wird in diesem Zusammenhang von Nudging gesprochen.

Ebenfalls Reduktionsziele haben sich der Pharmakonzern Roche (-18 Prozent bis 2025) und die Genfer Luxusgruppe Richemont (-55% bis 2030) gesetzt. Ein bescheidenes Reduktionsziel von 15 Prozent bis 2030 verfolgt die Migros-Tochter Denner. Allerdings dürfte beim Discounter generell deutlich weniger geflogen werden als bei einem internationalen Konzern. Andere Schweizer Firmen sind noch nicht so weit, wie im Travel Smart Ranking nachzulesen ist. Keine Reduktionsziele fürs Fliegen haben sich gemäss Ranking UBS und Credit Suisse gesetzt.

Hinter der Liste stecken die Stand Research, eine Naturschutzorganisation, und Transport & Environment (T&E). Bei T&E handelt es sich um die Dachorganisation von nichtstaatlichen europäischen Organisationen, die sich für nachhaltigen Verkehr einsetzen. Aus der Schweiz ist der VCS angeschlossen.

Insgesamt sind im Ranking 230 Unternehmen aus der ganzen Welt erfasst. Davon kommen 13 aus der Schweiz. Swiss Re und Zurich Insurance schneiden auch im internationalen Vergleich sehr gut ab. Auf Platz eins liegt die dänische Pharmafirma Novo Nordisk. Glencore befindet sich auf einem der hintersten Plätze.

Vor der Pandemie machten Flugreisen 2,5 Prozent aller CO₂-Emissionen aus. Rund 12 Prozent sind es, wenn man nur die Verkehrsträger berücksichtigt. Bei der Zurich Insurance machten Flugreisen bis 2019 einen grossen Teil der CO₂-Belastung aus. Nach den Emissionen, die durchs Pendeln des Personals entstehen, bildeten sie den zweitgrössten CO₂-Block.