Knall im Baselbiet
Mit der Freistellung des Digitalbank-Chefs soll Ruhe in die Basellandschaftliche Kantonalbank kommen. Ob das gelingt, ist fraglich. Der Druck auf CEO John Häfelfinger steigt.
23. Februar 2023 • Beat Schmid

Gestern kam es zum Eklat. Der bisherige Radicant-CEO Anders Bally wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt, teilte die Bank am Mittwochabend mit. Der Grund für das Zerwürfnis sind “unterschiedliches Führungs- und Kommunikationsverständnis”. Die Digitalbank Radicant wird interimistisch von zwei Co-CEOs geführt. Die Leitung der Bank übernehmen Produktchef Rouven Leuener und Finanzchef Roland Kläy, wie es weiter heisst.

Der baldige Markteintritt der Radicant Bank stelle einen “wichtigen Meilenstein” in der Entwicklung der Tochtergesellschaft der Basellandschaftlichen Kantonalbank (BLKB) dar. Mit der Ernennung von Rouven Leuener und Roland Kläy unterstreiche der Verwaltungsrat die Bedeutung dieser entscheidenden Phase, heisst es.

Seit der Lancierung von Radicant im April 2021 war Anders Bally als CEO für den Aufbau und die ersten Entwicklungsschritte verantwortlich. Grund für die sofortige Trennung ist ein E-Mail, das er an die Mitarbeiter des Start-ups geschickt hat. Darin bezeichnete er die Politiker in Basel als nicht empfänglich für Digitalisierung.

Scharfe Kritik am Nachhaltigkeitskurs der BLKB

Der Grund für seinen Frust sind mehrere kritische Artikel in der Regionalzeitung “BZ Basel”. Der Tenor: Die BLKB hat bisher 70 Millionen Franken in Radicant investiert. Diese hat sich den 17 UNO-Zielen für eine nachhaltige Entwicklung verpflichtet. Doch in der Baselbieter Politik mehren sich die Zweifel, ob das Geld ihrer Kantonalbank “so nachhaltig investiert ist, wie Radicant von sich behauptet, nachhaltig zu sein”.

In dem E-Mail spricht Andres Bally von einem “Shitstorm”, der über der BLKB niedergegangen sei. Doch “solchen politischen Meinungen” sei man einfach ausgesetzt, schliesslich sei der Kanton Mehrheitseigentümer der BLKB. Von der Kritik aus der Politik hält Bally allerdings wenig. Er schreibt wörtlich: “Einige der Politiker in diesem nicht-urbanen Kanton – vor allem die älteren – haben Schwierigkeiten, all die disruptiven Aspekte zu verstehen, die Radicant mit sich bringt.”

Und weiter: “Deep Tech, Mobile First Banking und Wealth Management, Evangelisten, Co-Creation usw. sind Konzepte, mit denen sie sich schwertun.” Die “BZ Basel” zieht den Schluss: “Wären die Baselbieter Politikerinnen und Politiker nicht so hinterwäldlerisch, wären sie so begeistert von Radicant wie er selbst.”

John Häfelfinger im Visier lokaler Medien

Die Zeitung verfolgt den Kurs der BLKB unter ihrem Chef John Häfelfinger seit einiger Zeit sehr kritisch. In einem Kommentar (Abo) wirft sie der Bank vor, “Unsinn” zu kommunizieren. Die BLKB behaupte in einer Mitteilung, Klimawandel, Luftverschmutzung oder Artensterben seien Folgen eines “ineffizienten Wirtschaftssystems”. Die Zeitung wirft der Bank vor, “ins antikapitalistische Lager” gewechselt zu haben, indem sie “unser arbeitsteiliges, hoch effizientes Wirtschaftssystem” anprangere. Die Zeitung spricht von einem “Geschwurbel” der Bank.

Mit Äusserung wie diesen habe sich die Bank in ihrem Bemühen “verstiegen”, sich als ökologisch vorbildliches Finanz­institut zu präsentieren. Die Bank sehe sich als ein Institut, das “nur noch” Anlagen in nachhaltige und zukunftsträchtige oder eben effiziente Firmen anbietet. Diese “Rhetorik” komme fast überall zum Einsatz – egal, ob die Bank ihre Onlinetochter Radicant promote, ihr Hypothekargeschäft ankurbeln wolle oder ein neues Vermögensverwaltungsprodukt mit der Genfer “Edel­finanzboutique” Lombard Odier “verkläre”.

Laut “BZ Basel” sind dies im besten Fall “missglückte Formen von Greenwashing”. Wenn sich BLKB-Mitarbeitende jedoch wie bei der Radicant als “Evangelisten” bezeichnen würden, grenze dies an “Brainwashing”. Das sei einer Kantonalbank, die eine Kantonalbank sein wolle, “einfach nicht würdig”.

Es ist nicht das erste Mal, dass die Nachhaltigkeitsstrategie einer Kantonalbank ins Visier des Zeitungsverbunds CH Media gerät, zu der auch die BZ Basel gehört. Vor einem Jahr ritt die Aargauer Zeitung eine Kampagne gegen neu eingeführte Ausschlusskriterien der Aargauischen Kantonalbank. Diese hätten es untersagt, Schnapsbrennereien weiterhin Kredite zu vergeben. SVP-Politiker liefen Sturm gegen die neuen Bestimmungen, die schliesslich abgeschwächt wurden.

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