42 Milliarden Euro Gewinn
Mit den Milliarden will der russische Energiekonzern seine Pipelineprojekte nach China vorantreiben. Derweil steigen die Kurse von russischen Franken-Anleihen.
1. September 2022 • Beat Schmid

Während der Bundesrat die Schweiz auf Sparmassnahmen und eine kommende Strom- und Gasmangellage einstimmt, sprudeln in Sankt Petersburg die Gewinne. Während der Energiemangel die Schweizer Volkswirtschaft 100 Milliarden kosten konnte, fährt der russische Energiekonzern Gazprom, der in Petersburg seinen Sitz hat, im ersten Halbjahr einen Rekordgewinn von 42 Milliarden Euro ein.

“Die Ergebnisse sind sehr, sehr gut”, sagte Gazprom-Chef Alexej Miller gemäss Agenturmeldungen an einer Telefonkonferenz.

Jetzt schüttet der Konzern eine Zwischendividende aus, die zur Hälfte direkt in die Kassen des russischen Staates fliessen wird. Dieser kontrolliert rund 50 Prozent des Unternehmens. Zum anderen wird Gazprom die Mittel für die Realisierung von strategischen Investitionsprojekten einsetzen.

Der Gazprom-Chef kündigte an, das Pipeline-Netz auf dem europäischen Teil des Landes mit dem Osten zu verbinden. Zudem werde das Unternehmen mit der Projektierung der geplanten Pipeline beginnen, die Gas von Ostsibirien bis nach China und in die Mongolei bringen soll.

Der chinesische Markt sei der dynamischste weltweit, sagte Miller. Er zitierte Prognosen, wonach der Anstieg des Gasverbrauchs in China in den kommenden 20 Jahren 40 Prozent der weltweiten Steigerungsrate ausmache. Ab 2023 sei Russland bereit, über das Gasfeld in Kowykta noch mehr Gas als bisher vereinbart nach China zu liefern.

Zusätzliche Mittel für den Ausbau von Pipelines

Das war so nicht geplant. Noch vor ein paar Monaten gingen Beobachter davon aus, dass die Sanktionen des Westens die russischen Unternehmen in die Knie zwingen würden – auch die grossen Energiekonzerne wie Rosneft oder eben Gazprom. Es ist anders gekommen: Die steigenden Rohstoffpreise, die durch die Sanktionen weiter angeheizt wurden, lassen die Gewinne in die Höhe schiessen. Glaubt man den Ausführungen des Gazprom-Chefs, werden sogar Mittel geschaffen, die für den Ausbau des Pipeline-Netzes eingesetzt werden können, was westliche Energieexperten bislang ausgeschlossen haben.

In Europa hingegen müssen sich die Staaten auf härtere Zeiten einstellen. Der deutsche Energieminister Robert Habeck sagte am Mittwoch, dass deutsche Unternehmen in den letzten Monaten wegen steigender Energiepreise Effizienzmassnahmen ergriffen und die Produktion heruntergefahren haben. Doch inzwischen sei es sogar so, dass Unternehmen die “Produktion komplett einstellen” mussten. Das sei alarmierend, sagte er gestern – an dem Tag, als Gazprom die Lieferungen über Nord Stream 1 für drei Tage wegen angeblicher Wartungsarbeiten einstellte.

Eine Schweizer Gazprom-Anleihe macht Verluste der vergangenen Monate zum Teil wieder wett

An der Schweizer Börse werden weiterhin zwei Franken-Anleihen von Gazprom gehandelt. Nach einem heftigen Absturz haben sich die Papiere wieder einigermassen erholt. Eine Anleihe über 750 Millionen Euro wird Anfang März 2023 fällig. Sie handelt derzeit zu knapp 64 Prozent, wie man auf der SIX-Site nachschauen kann. Nach dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine sackte der Kurs auf fast 20 ab. In den letzten sechs Monaten stiegen sie wieder um über 80 Prozent.

Weniger stark erholte sich die zweite Gazprom-Anleihe über 500 Millionen Franken, die noch bis Juni 2027 läuft. Sie handelt auf dem höchsten Stand seit Ausbruch des Kriegs, doch der Kurs liegt aktuell bei 46 Prozent des Ausgabepreises. An der Schweizer Börse sind insgesamt zehn Anleihen von russischen Emittenten mit einem Nominalwert von rund 4 Milliarden gelistet. Das entspricht einem Anteil von unter einem Prozent der gesamten gelisteten Franken-Anleihen.

Darunter gibt es eine Anleihe der russischen Alfa Bank im Umfang von 165 Millionen Franken. Bei diesem Papier gibt es seit mehreren Monaten keine Transaktionen mehr. Der Bond wird 9. November fällig. Dann müsste die Bank ihre Gläubiger bedienen. Wie die Bank das machen wird, dazu hat sie keine Information veröffentlicht. Es wird ein Test für Schweizer Gläubiger, die in russische Schuldpapiere investiert haben. Im Juni hat Präsident Wladimir Putin per Erlass entschieden, dass russische Schuldner ihre Verpflichtungen in Rubel begleichen können.

Unter den Gläubigern von russischen Frankenanleihen befinden sich viele Schweizer Pensionskassen. Einige von ihnen haben nach Ausbruch des Kriegs die Papiere mit grossen Verlusten verkauft.

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