Kommentar
Der direkte Wechsel vom CEO zum Präsidenten zeugt von einem antiquirierten Führungsverständnis, das im Pharmakonzern gelebt wird.
22. Juli 2022 • Beat Schmid

Wie aus dem Umfeld des Verwaltungsrates von Roche zu hören ist, wäre Christoph Franz gerne noch ein wenig länger Verwaltungsratspräsident geblieben. Doch jetzt wird er schon nächstes Jahr das Präsidium an den langjährigen CEO Severin Schwan übergeben.

Mit der Nominierung von Schwan macht der Pharmakonzern deutlich, dass ihn moderne Governance-Grundsätze nicht wirklich interessieren. Direkte Wechsel von CEO ins Präsidium sind schon länger nicht mehr zeitgemäss. Der frühere UBS-Präsident Axel Weber verhinderte beispielsweise, dass Sergio Ermotti auch nur als einfaches Mitglied in den Verwaltungsrat einziehen kann.

Dass frisches Blut einem Unternehmen guttun kann, erlebte auch Roche. Wie die NZZ in einem Kommentar schrieb, war sich Christoph Franz als Aussenstehender nicht zu schade, Sachen zu hinterfragen. Mit seinem erklärten Willen, alte Denkmuster aufzubrechen, habe er massgeblich geholfen, die Digitalisierung bei Roche voranzutreiben.

"Dass ein Präsidium nicht das Gleiche ist wie ein exekutiver Job, musste Schwan bei der Credit Suisse am eigenen Leib erfahren"

Jetzt kann man sich fragen, woher jetzt die neuen Ideen kommen sollen, wenn Severin Schwan ins Präsidium aufsteigt und der Diagnostik-Chef, der jahrelang an Schwan rapportierte, als CEO nachgezogen wird. Wie kann sich ein neuer CEO in einer solchen Konstellation entfalten und überholte Strukturen aufbrechen, die von einem Vorgänger eingeführt und verteidigt wurden?

Die andere Frage, die man sich stellen muss: Kann Schwan neue Impulse bringen, die das Unternehmen weiterbringen? Kann er überzeugende Zukunftsideen entwickeln? Dass ein Präsidium nicht das Gleiche ist wie ein exekutiver Job, musste Schwan bei der Credit Suisse am eigenen Leib erfahren. Dort spielte er als Vizepräsident und Lead Independent Director während Jahren eine wichtige Rolle – und machte nicht die beste Falle. Wie man leider feststellen muss, wirkte er oftmals überfordert.

Roche mag kein Haifischbecken sein. Und da ist vor allen eine Gründerfamilie mit einer schützenden Hand. Mit der Wahl Severin Schwan setzt diese auf grösstmögliche Kontinuität und geht dennoch ein beträchtliches Risiko ein. Sie führt mit ihm ein ähnlich riskantes Experiment durch wie damals, als sie Christoph Franz zum Chairman machte. Das Experiment glückte, Roche profitierte, Umsatz und Börsenkapitalisierung stiegen.