Erneuter Verlust
Die Lage ist dramatisch. Die Grossbank wird frisches Kapital benötigen – und auch neue Köpfe.
21. April 2022 • Beat Schmid

Die Grossbank vom Paradeplatz hat es wieder getan. Eine Woche vor Veröffentlichung der Quartalszahlen überraschte die Credit Suisse die Märkte mit einer Gewinnwarnung. Die Bank rechnet mit einem Verlust für das erste Quartal 2022 – nachdem schon das letzte Quartal tiefrot war. Die Höhe des Negativbetrags wird die CS nächste Woche veröffentlichen. Die Analysten der Bank of America (BofA) schätzen den Verlust auf 400 Millionen Franken.

In ihrem Research-Bericht rücken die Analysten die Eigenkapitaldecke ins Zentrum. Die sogenannte Common-Equity-Tier-1-Ratio dürfte durch den Verlust auf 14 Prozent von 14,3 Prozent fallen. Das klingt nach wenig. Doch das Problem ist: Die Bank muss bis 2028 ihre Kapitalpolster massiv verstärken. Eine Verschlechterung der Eigenkapitalsituation kann sich die Bank eigentlich nicht leisten.

Ein Loch von neun Milliarden Franken

Diese Lücke entsteht durch eine Änderung der Organisationsstruktur und neuen Finma-Bestimmungen zur Bemessung der risikogewichteten Aktiven. Finanzchef David Mathers bezifferte in der Analystenkonferenz zum Jahresabschluss vor ein paar Wochen das Loch auf neun Milliarden Franken. Die Analysten der Bank of America gehen nun davon aus, dass sich dieses durch die jüngsten Verluste "ziemlich sicher nochmals vergrössert" hat.

Die grosse Frage ist nun: Woher will die Bank in den verbleibenden sechs Jahren das Kapital nehmen? Das sind immerhin 1,5 Milliarden Franken pro Jahr – nach Steuern. Wie will die Bank das schaffen bei einer Gewinnkapazität von vielleicht zwei Milliarden Franken und bei gleichzeitiger Ausschüttung einer Dividende?

Die Lage ist verzwickt für die CS-Chefs

Die BofA-Analysten legen den Finger mit ihrer Analyse auf einen wunden Punkt: Sie schreiben, wenn die Bank "nicht frisches Kapital aufnimmt, wird sie nicht umhinkommen, die Lücke durch eine weitere Reduktion der Risiken zu schliessen". Das bedeute, dass die CS bei der Generierung von neuen Erträgen eingeschränkt wird. Und das wiederum habe zur Folge, dass die Bank "weniger verdienen" kann, was jedoch ein Problem ist, da ihre "Kostenstruktur weitgehend fix" ist. Die Lage ist also durchaus verzwickt für die CS-Chefs.

Die BofA-Analysten gehen davon aus, dass die CS bis 2024 lediglich einen Gewinn von 6 Prozent auf ihrem Eigenkapital (Tangible Equity) verdienen wird. Das ist deutlich weniger als die 10 Prozent, die sich die Bank als Ziel gesetzt hat – und die auch nötig wären, um die eigenen Kapitalkosten zu erwirtschaften. Die Analysten bleiben bei ihrem “Underperform”-Rating und sehen den Kurs bei 7,30 Franken, also etwa dort, wo er jetzt steht.

Keine Kraft, um sich aus dem Sumpf herauszuziehen

Die Aussagen der BofA-Finanzanalysten liessen sich auch direkter formulieren: Die Credit Suisse verfügt derzeit nicht über die Kraft, um sich aus dem Sumpf herausziehen, in den sie sich hineingeritten hat. Um auf den Wachstumspfad zu gelangen, braucht sie daher frisches Kapital.

Doch frisches Kapital werden die Investoren der aktuellen Führungscrew kaum anvertrauen. Zu viel Porzellan wurde in den letzten Jahren zerschlagen. Das Vertrauen ist dahin. Der Verwaltungsrat wird neues, unverbrauchtes Personal in der Geschäftsleitung aufbieten müssen.

Derweil spitzt sich die Lage weiter zu. Die Kerngeschäfte werden wegen der anhaltenden Negativschlagzeilen in Mitleidenschaft gezogen. Falls sich die Krise aufs Private-Banking durchfrisst, wird es brenzlig. Erste Anzeichen aus dem Markt sind jedenfalls vorhanden. Wie mehrere Quellen gegenüber Tippinpoint bestätigen, bietet die CS ihren reichen Kunden grosszügige Rabatte, um sie bei Laune zu halten. Das schlägt auf die Marge.

Hinzu kommt: Die Ausfallwahrscheinlichkeit hat in den letzten Wochen nochmals deutlich zugenommen. Die sogenannten CDS-Spreads sind weiter nach oben geschossen. Mit einem CDS-Kontrakt (Credit Default Swaps) können sich Fremdkapitalgeber gegen den Ausfall einer Anleihe absichern. Je höher der Wert ist, desto teurer ist die Prämie.

Aktuell werden die CDS der Credit Suisse bei 123 Basispunkten gehandelt. Kaum eine andere ernstzunehmende Bank kommt auf einen ähnlich hohen Wert. Die UBS-CDS handeln bei 55 Punkten, jene von J.P. Morgan bei 76, der Deutschen Bank bei 84 Punkten.

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