Turbulenzen
Nach dem Investmentbanking und der Vermögensverwaltung leidet jetzt auch die Schweizer Einheit. Sie verliert Kapitalmarktgeschäfte an die Konkurrenz.
20. Februar 2023 • Beat Schmid

Es war den Agenturen keine drei Zeilen wert. Und doch zeigt die Kurzmeldung, dass die Krise bei der Credit Suisse immer weitere Kreise zieht. Es geht um ein Kapitalmarktgeschäft in der Schweiz. Der Banco de Crédito e Inversiones, eine Retailbank aus Chile, nahm letzte Woche am Anleihenmarkt 135 Millionen am Schweizer Franken auf.

Eigentlich ein klassisches Geschäft für die Credit Suisse. Denn Anleihen platzieren, Börsengänge und Kapitalerhöhungen durchführen sowie Firmenkredite strukturieren – das ist das Hoheitsgebiet der Bank. Es ist quasi der Kern des Kerngeschäfts. Damit wurde die Bank gross, in diesem Geschäft führt kein Weg an ihr vorbei. Zumindest war das immer so.

Doch die Transaktion mit der chilenischen Bank wurde nicht unter Federführung der Credit Suisse abgewickelt, sondern von der UBS und der Zürcher Kantonalbank. "Früher wäre die CS mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine der Lead-Banken gewesen", sagt Guido Versondert, Kreditanalyst bei der Schweizer Ratingagentur Independent Credit View. Dass dies heute nicht mehr selbstverständlich ist, zeige, dass die Bank auch in ihrem Kerngeschäft unter Druck steht.

Erhöhte Nervosität

Dass es der Konkurrenz gelingt, die CS in ihrem Heimmarkt anzugreifen, führt zu erhöhter Nervosität. Das zeigte sich auch Ende des letzten Jahres, als die Schweizer Niederlassung der Grossbank J.P. Morgan eine Statistik veröffentlichte, welche die Amerikaner im Kapitalmarktgeschäft an der Spitze zeigte.

Die Credit Suisse sah sich zu Unrecht auf den zweiten Platz abgeschoben und bezeichnete die Tabelle als irreführend, da es sich um keine offizielle Statistik handelte. In den offiziellen League Tables, wie die Statistiken heissen, sei die CS immer noch auf Platz eins.

In sechs Monaten 10 Milliarden verloren

Dass die Krise auch im Heimmarkt angekommen ist, zeigt sich auch bei den Geldabflüssen. Im vierten Quartal flossen der Bank 8,3 Milliarden Franken ab. Bereits in den Monaten zwischen Juli und September flossen der Schweiz Einheit, die von André Helfenstein geleitet wird, 1,5 Milliarden ab. Macht zusammen also fast zehn Milliarden Franken.

Die CS-Schweiz verdient inzwischen auch weniger. Die Erträge schrumpften im Vergleich zum Vorjahresquartal um ein Fünftel. Der Vorsteuergewinn fiel im vierten Quartal auf 259 Millionen Franken – gegenüber dem Vorjahresquartal beträgt das Minus 40 Prozent. Konkurrenzbanken wie die UBS und die ZKB konnten im letzten Jahr die Ergebnisse verbessern. Die ZKB sprengte erstmals die Marke von einer Milliarde Gewinn.

Wie in anderen Abteilungen laufen der Bank auch im Heimmarkt wichtige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter davon. Sie gehen dabei nicht nur zu den Grossen wie UBS, Julius Bär oder ZKB. Ganze Teams wechselten in den letzten Monaten auch zu kleinen Instituten wie der Bank Rothschild, der liechtensteinischen LGT oder zur wirklich kleinen Bank Zimmerberg.

In zwei Jahren zu Flächenbrand

Die Probleme starteten vor zwei Jahren mit einem Doppelschlag. Der Fünf-Milliarden-Verlust mit dem Hedgefonds Archegos und der Kollaps der Greensill-Lieferkettenfonds stürzten die CS in eine Krise, aus der sie bis heute nicht herausgefunden hat. Was vor zwei Jahren zwei isolierte Ereignisse waren, hat sich inzwischen zu einem Flächenbrand ausgeweitet.

Nicht nur das Investmentbanking ist betroffen, das komplett umgebaut wird, sondern auch das Asset Management und das Privatkundengeschäft – alle drei Abteilungen sind im vergangenen Quartal in die Verlustzone gerutscht.

Besorgniserregend ist die Entwicklung vor allem in der Vermögensverwaltung, dem sogenannten Wealth Management, wo im vierten Quartal 93 Milliarden Franken abflossen. Besorgniserregend ist das auch deshalb, weil diese Abteilung im Zentrum der künftigen "New Credit Suisse" stehen soll.

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