Ex-CEO sieht keine Mitschuld
Erstmals äussert sich der Ex-Chef zu seiner fünfjährigen Amtszeit an der Spitze der Grossbank – und zu den aktuellen Problemen der Bank.
29. November 2022 • Beat Schmid

Seit bald drei Jahren ist Tidjane Thiam nicht mehr CEO der Credit Suisse. Bisher schwieg er beharrlich zu seiner fünfjährigen Amtszeit, die im Februar 2020 im Eklat endete. Thiam trat im Zuge der Beschattungsaffäre um den früheren CS-Manager Iqbal Khan zurück und wurde durch Thomas Gottstein abgelöst.

Ein Jahr nach Thiams Abgang knallte es. Es knallte gleich doppelt: Zunächst krachten die Supply-Chain-Finanzierungsfonds im Wert von 10 Milliarden Dollar zusammen. Kurz darauf kollabierte der Hedge-Fonds Archegos und riss ein Loch von 5,5 Milliarden Dollar in die Bilanz der CS – es war der bislang grösste Handelsverlust in der Geschichte der Bank.

Trifft Thiam irgendeine Schuld? Zumal die laxe Risikomanagement-Kultur der Bank häufig als Grund für die Probleme genannt wurde – unter anderem von António Horta-Osório und Axel Lehmann, dem ehemaligen und dem aktuellen Präsidenten der Bank.

“Ich war extrem tough”

“Ich war extrem tough, und ich bin sehr stolz darauf, dass dies nicht unter meiner Aufsicht geschehen ist”, sagte der Manager am Dienstag an einer Veranstaltung der Financial Times. Thiam betonte auch, dass er die fehlende Risikokultur als Problem erkannt habe.

“Ich habe versucht, dies zu ändern. Aber eine Änderung der Kultur kann nicht über Nacht erfolgen”, sagte er. Er sei fünf Jahre in der Verantwortung gestanden, aber es dauert eben länger, um das zu schaffen, sagte der 60-jährige Franko-Ivorer. “Es sind dauerhafte Anstrengungen nötig, um solche Probleme zu lösen.”

Im Gespräch mit einem FT-Journalisten äusserte er sich auch über den Rassismus, den er in der Schweiz erfahren habe. Thiam war der erste schwarze Chef einer europäischen Grossbank und der erste aus Afrika stammende CEO eines Schweizer Grosskonzerns. Harris Associates, einer der grössten Aktionäre der CS, äusserte sich in einem Thiam-Portrait in der New York Times ebenfalls in diese Richtung.

Die Credit Suisse musste sich bei ihrem Ex-Chef entschuldigen, nachdem Einzelheiten über eine Geburtstagsparty des ehemaligen Präsidenten Urs Rohner bekannt wurden. Es ging um einen Auftritt eines schwarzen Darstellers, der einen Abwart spielte. Zudem trugen vereinzelte Gäste Afro-Perücken.

“Leute mit Vorurteilen sagen jetzt vielleicht, oh, jetzt zieht er die Rassismuskarte”, sagte Thiam an der Veranstaltung. “Gewisse Teile der deutschsprachigen Presse in Zürich haben eine sehr giftige und effektive Kampagne gegen mich geführt.”

“Wer heute in Spacs investiert, wird gutes Geld verdienen”

Nach seinem Ausscheiden aus der Credit Suisse hat Thiam mehrere Mandate übernommen. Unter anderem stieg er ins Spac-Geschäft ein. Das sind spezielle Börsenvehikel, die nach seinem Abgang in Mode kamen. Thiams Freedom Acquisitions wirbelte bisher zwar viel Staub auf, doch zählbare Deals gibt es kaum.

Bei seinem Auftritt verteidigte Thiam diese Blankocheck-Investmentvehikel: “Wer heute in Spacs investiert, wird gutes Geld verdienen”, sagte er. Ein Spac (Special Purpose Acquisition Company) ist eine Art börsenkotierter Firmenmantel, der ein nicht-gelistetes Unternehmen schnell an die Börse bringen kann.

Zum Aktienkurs der Credit Suisse meinte Thiam, dass er traurig über die derzeitige Notlage der Bank sei und “keine Schadenfreude” empfinde. CS-Präsident Axel Lehmann wird am Donnerstagmorgen auf dem FT Banking Summit sprechen.