Financials
Die Grossbank verliert im Wealth Management in sechs Wochen über 60 Milliarden Franken Kundenvermögen. Die neue Strategie steht auf der Kippe.
23. November 2022 • Beat Schmid

Die Meldung kam heute wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Grossbank musste in den ersten Wochen des Oktober 2022 "deutlich höhere Kapitalabflüsse" hinnehmen als im dritten Quartal, teilte sie mit. Insgesamt hätten sich die Mittelabflüsse auf Gruppenebene bis zum 11. November auf rund 6 Prozent der verwalteten Vermögen belaufen. Im künftigen Kerngeschäft, dem Wealth Management, betragen die Nettoabflüsse gar 10 Prozent der Assets.

Damit schockte die angeschlagene Grossbank die Märkte. Die CS-Aktien tauchten bis zum frühen Nachmittag um über fünf Prozent ab.

Dramatische Worte wählt Bankenanalyst Andreas Venditti von der Bank Vontobel. “Die massiven Nettoabflüsse im Wealth Management, dem Kerngeschäft der CS neben der Schweizer Bank, sind sehr besorgniserregend – umso mehr, als sie sich noch nicht umgekehrt haben”, schreibt er in einer Analyse.

Gemäss seiner Schätzung werde der “signifikante Rückgang” der verwalteten Vermögen den Ertrag und den Gewinn reduzieren. “Die CS muss das Vertrauen so schnell wie möglich wieder wiederherstellen – aber das ist leichter gesagt als getan”, sagt Venditti.

Schlimmer als bei der UBS

J.P.-Morgan-Analyst Kian Abouhossein warnte in der Financial Times, dass die Credit Suisse noch nicht über dem Berg sei. “Die Abflüsse in der Vermögensverwaltung sind mit 10 Prozent der verwalteten Vermögen im vierten Quartal so hoch wie bei UBS in der globalen Finanzkrise, und zwar auf Jahresbasis und nicht nur in einem Quartal.''

Der Blutverlust ist enorm. In den sechs Wochen seit Ende des letzten Quartals haben Kunden der Credit Suisse in der Vermögensverwaltung Gelder im Umfang von rund 63 Milliarden Franken abgezogen, wie Vontobel-Analyst Venditti berechnet hat. Auf Gruppenebene beläuft sich der Abfluss auf 84 Milliarden Franken.

Das bedeutet, dass der Credit Suisse auf Gruppenebene pro Woche 14 Milliarden Franken abgezogen worden sind. Pro Werktag macht dies 2,8 Milliarden Franken. Allein die reichen Kunden der Bank, die in der Vermögensverwaltung betreut werden, zogen 10,5 Milliarden pro Woche ab oder 2 Milliarden pro Tag.

Viel zu lange gewartet

Klar, die Bank sagt, dass die Abflüsse sich stabilisiert haben, doch von einer Trendumkehr spricht auch die Credit Suisse nicht. Deshalb wird sie im vierten Quartal nicht nur in der Investmentbank einen Verlust schreiben, sondern auch im Wealth Management.

Im laufenden vierten Quartal ist genau das eingetreten, wovor viele Beobachter gewarnt hatten. Dass die Probleme in der Investmentbank voll auf die Vermögensverwaltung übergreifen werden. Jetzt zeigt sich auch, wie enorm schädlich das monatelange Warten auf die neue Strategie war.

CEO Ulrich Körner und Präsident Axel Lehmann brauchten drei Monate, um die Eckpfeiler einzuschlagen. Eine unfassbar lange Zeit für das, was am Schluss herausgekommen ist. Körner und Lehmann dachten, sie nehmen sich viel Zeit, damit Ruhe einkehrt. Herausgekommen ist das Gegenteil.

Die Bank befindet sich weiterhin ein einer äusserst schwierigen Lage. Dem Management muss es endlich gelingen, die Kontrolle zurückzuerobern.

Aktionäre stimmen Kapitalerhöhung zu
Eine erdrückende Mehrheit der CS-Aktionäre hat sich am Mittwoch für eine Kapitalerhöhung im Umfang von vier Milliarden Franken ausgesprochen. Für die Erhöhung in Form einer Privatplatzierung sprachen sich 92 Prozent aus, für das Bezugsrechtsangebot 98,3 Prozent, wie Credit Suisse mitteilte. “Das Abstimmungsergebnis bestätigt das Vertrauen in unsere Strategie, die wir im Oktober vorgestellt haben”, sagte Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann.

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