Krypto-Crash
Professionelle Investoren vertrauten Sam Bankman-Fried blind. Trotz hoher Verluste ist für sie der Imageschaden grösser als das finanzielle Loch. Auch Politiker und das WEF liessen sich vom Krypto-Milliardär blenden
17. November 2022 • Beat Schmid

Die Pleite der Krypto-Plattform FTX zieht immer weitere Kreise. Wie Tippinpoint diese Woche berichtete, verfügte die Plattform über ein halbes Dutzend Gesellschaften in der Schweiz. Deren Exponenten sind zum Teil von der Bildfläche verschwunden. Zwei Verwaltungsräte, Martin Liebi und Jürg Bavaud, haben ihre Social-Media-Profile gelöscht.

Auch das World Economic Forum will nichts mehr mit FTX zu tun haben. Die Organisation von Klaus Schwab hat ihre Verbindungen zu der gescheiterten Krypto-Plattform in den letzten Tagen gekappt. Wie die New Yorker Boulevard-Zeitung “New York Post” als erste berichtete, hat das WEF die Börsenplattform als Partner von der Website entfernt. Die Organisation bezeichnete FTX als “Kryptohandelsbörse, die von Tradern für Trader gebaut wurde”.

Bankman-Fried trat in Davos an der letzten WEF-Ausgabe neben bekannten Namen wie der Google-Finanzchefin Ruth Porat und Bill Winters von Standard Chartered auf. Das Thema der von CNBC veranstalteten Diskussionsrunden war Nachhaltigkeit, Diversität, Gleichstellung und Inklusion sowie Kryptowährungen und Web 3.0.

"FTX war ein Partner des Weltwirtschaftsforums”

"FTX war ein Partner des Weltwirtschaftsforums”, bestätigte ein Sprecher des WEF gegenüber der US-Zeitung. “Angesichts der Ereignisse der letzten Woche wurde ihre Partnerschaft ausgesetzt und sie wurden aus dem Partnerbereich unserer Website entfernt.” Um Partner des WEF zu werden, sind Gebühren von mehreren zehntausend Franken zu bezahlen.

Bankman-Fried hat mutmasslich Milliarden an Kundenvermögen veruntreut. Er soll rund 10 Milliarden abgezweigt haben, um andere Löcher in seinem undurchsichtigen Finanzimperium zu stopfen. Das Unternehmen musste letzte Woche Konkurs anmelden.

Dass sie auf einen mutmasslichen Betrüger im Stile eines Bernard Madoff hineingefallen sind, ist für bekannte Politiker und Exponenten der traditionellen Finanzbranche besonders peinlich. Neben Klaus Schwab sind das unter anderen Bill Clinton und der frühere Labour-Premierminister Tony Blair. Sie wurden von FTX zur grossen Krypto-Konferenz auf die Bahamas eingeladen und traten mit Bankman-Fried auf einem Podium auf.

Alte Finanzwelt bezirzt

Der 30-jährige Gründer schaffte es aber auch, namhafte Investoren aus der alten Finanzwelt für sich zu vereinnahmen. Ein enger Vertrauter war Anthony Scaramucci des Hedgefonds Skybridge. Der Investmentarm der Gruppe, FTX Ventures, beteiligte sich mit 30 Prozent an dem Hedgefonds. Umgekehrt kaufte Scaramucci FTX-Tokens zum damaligen Wert von 10 Millionen Dollar. Heute sind die Tokens nichts mehr wert.

Auch Star-Investorin Cathy Wood liess sich vom Krypto-Milliardär bezirzen, genauso wie Michael Novogratz, Gründer der Kryptobank Galaxy-Digital der kanadische Start-up-Investor Kevin O’Leary, die ebenfalls an der Bahamas-Konferenz auftraten. Auch Topmodel Gisele Bündchen, Investorin und Markenbotschafter von FTX, trat mit Bankman-Fried auf. Mit ihrem damaligen Mann, Football-Star Tom Brady, drehte Bündchen einen Werbespot, der am Super Bowl ausgestrahlt wurde.

Von Bankman-Fried liessen sich neben Skybridge etliche weitere Profi-Investoren blenden. Die Risikokapitalgeber Sequoia Capital, Softbank und Tiger Global waren in FTX investiert, genauso wie der Hedgefonds Third Point von Star-Investor Dan Loeb und der Venture-Arm von Samsung Electronics.

Laut dem “Wall Street Journal” haben Geldgeber aus dem Silicon Valley und der Wall Street fast zwei Milliarden Dollar in FTX investiert. Niemand hat einen Sitz im Verwaltungsrat gefordert, um einen Blick in die Bücher werfen zu können. Die Geldgeber vertrauten Bankman-Fried offenbar blind. Die Folge ist, dass die Investoren ihre Engagements abschreiben müssen. Sequoia beispielsweise hat den Wert des 150 Millionen-Dollar-Investments bereits vollständig abgeschrieben.

FTX-Pleite setzt weitere Kreise

Inzwischen gibt es immer mehr Börsen, die in den Strudel gerissen werden und ihre Kunden aussperren. Nach BlockFi hat gestern auch die Börse Gemeni die Kundengelder vorerst eingefroren. Der Kryptobroker teilte mit, dass er Vermögenswerte im Wert von 175 Millionen Dollar auf FTX halte, zu denen er nun keinen Zugang mehr habe. Zur Sicherung der Liquidität würden vorerst keine neuen Kredite mehr vergeben und die Rückzahlung vorläufig eingestellt. Gemeni wurde von den Zwillingen Tyler und Cameron Winklevoss gegründet.

MEHR ZUM THEMA


Das FTX-Firmengeflecht und seine engen Verbindungen in die Schweiz

Die abgestürzte Tradingplattform betrieb ein halbes Dutzend Gesellschaften in der Schweiz. Deren Exponenten sind zum Teil von der Bildfläche verschwunden und haben ihre Social-Media-Profile gelöscht.
15. November 2022

Bankman-Fried tritt zurück - und schickt sein Kryptoimperium in den Konkurs

Die Börsenplattform von Sam Bankman-Fried stellt Antrag auf Gläubigerschutz – betroffen sind weltweit über 130 Gesellschaften. Auch Schweizer FTX-Firmen dürften dazugehören. Die Finma verfolgt die Ereignisse, ist aber nicht zuständig.
11. November 2022

“Gier und naive Geschäftsmodelle haben sich überholt” - Schweizer Krypto-Chefs äussern sich zum FTX-Crash

Die CEOs von Seba, Sygnum und Bitcoin Suisse gehen in die Offensive und versuchen, sich von der FTX-Börse abzugrenzen. Es geht ihnen vor allem auch darum, verunsicherte Kunden zu beruhigen.
11. November 2022