Net-Zero-Allianzen
Ausgerechnet zur Uno-Konferenz in New York zeigt die Phalanx der klimaengagierten Banken erste Risse. Mark Carney und seiner GFANZ-Initiative droht ein Debakel.
22. September 2022 • Beat Schmid

Mark Carney war einmal Banker, dann Notenbanker und jetzt ist er einer der einflussreichsten Umweltaktivisten des Planeten. Als Uno-Sonderbeauftragter für Climate Action und Finance initiierte er im April 2021 die sogenannte Glasgow Financial Alliance for Net Zero, kurz: GFANZ.

Als Co-Chair der Klimakonferenz COP26 brachte der fast die gesamte Finanzelite der Welt dazu, Mitglied bei GFANZ zu werden, beziehungsweise einer von sechs Suborganisationen. So gibt es Net-Zero-Allianzen für Asset-Manager, Versicherungen und Asset-Owner, Service-Provider und auch Banken. Aus der Schweiz gehören die beiden Grossbanken UBS und Credit Suisse zu den Erstunterzeichnern der Bankensuborganisation Net-Zero Banking Alliance (NZBA).

Doch GFANZ, das sperrige Kürzel, stellt manchem Banker die Nackenhaare hoch. Offenbar denken einige Vertreter von grossen US-Investmentbanken daran, der Organisation den Rücken zu kehren. Gegenüber der “Financial Times” sagte ein namentlich nicht genannter Banker, dass er sein Institut aus “diesen globalen grünen Verpflichtungen herausnehmen” wolle. “Ich werde nicht zulassen, dass Dritte uns und unseren Aktionären rechtliche Verpflichtungen aufbürden”. Das sei unmoralisch und unverantwortlich.

Massnahmen gehen über gesetzliche Vorgaben hinaus

Zu den ausstiegswilligen Banken sollen J.P. Morgan, Morgan Stanley und die Bank of America sowie die spanische Santander gehören. Die Credit Suisse wollte sich gestern auf Anfrage nicht zu ihrem Engagement bei der GFANZ äussern. Die UBS liess eine Anfrage unbeantwortet.

Scheinbar haben einige Banken ein Problem damit, dass sie mit ihrer Mitgliedschaft Massnahmen umsetzen müssen, die beim Klimaschutz zum Teil über die gesetzlichen Vorgaben hinausgehen. Die GFANZ hat etwa Ziele der Uno-Kampagne Race to Zero übernommen, die konkrete Massnahmen beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern vorsieht. Wer diese nicht umsetzt, dem droht der Ausschluss aus der GFANZ.

Das wäre kein grosses Problem. Gefährlicher für die Banken sind potenzielle Klagen von Umweltorganisationen oder aktivistischen Investoren. Diese würden sofort zuschlagen, wenn eine Bank die GFANZ-Versprechungen nicht einhält. Die Banken stehen also durchaus unter Druck, Reduktionsziele zu erfüllen, obschon diese so von einer staatlichen Stelle nicht vorgegeben sind. (Die Race-to-Zero-Mindestvorgaben kann man hier nachlesen.)

Einfallstor für Erdöl-Lobbyisten

Dies wiederum bietet Vertretern des Erdöl-, Gas- und Kohle-Sektors ein willkommenes Einfallstor, die Banken ihrerseits unter Druck zu setzen. In US-Bundesstaaten mit einer gewichtigen Förderindustrie wird die Kritik an der Geschäftspolitik von Finanzinstituten immer lauter, die sich der GFANZ angeschlossen haben.

Der Bundesstaat Texas verdächtigt eine Reihe von Banken und Asset-Managern, den fossilen Energiesektor zu boykottieren. Am Pranger stehen auch die UBS und die Credit Suisse. Der Rechnungsprüfer von Texas hat die beiden Banken und weitere Institute auf eine schwarze Liste gesetzt. Staatliche Investoren wie Pensionskassen oder Gemeinden dürfen keine Finanzprodukte dieser Banken kaufen oder über diese im Kapitalmarkt Gelder aufnehmen. Die CS und Blackrock, die sich ebenfalls auf der Liste befindet, wehren sich gegen den Ausschluss.

Inzwischen ist in den USA ein verbissener Streit zwischen republikanischen und demokratischen Bundesstaaten ausgebrochen. Wobei es vor allem republikanische Vertreter sind, die den Banken vorwerfen, “woke” Ideologien zu verfolgen. Demokratisch dominierte Bundesstaaten andererseits stellen Verbote für Investitionen in den fossilen Energiesektor auf.

Zum Teil haben Banken auch schon Geschäfte verloren wegen ihrer GFANZ-Mitgliedschaft, beziehungsweise den damit verbundenen Reduktionszielen. Zum Beispiel die UBS und Wells Fargo. Mit ihrer Drohung, aus der Allianz zu auszutreten, so scheint es, wollen die Banken republikanische Scharfmacher besänftigen.

Marc Carney droht ein Imagedebakel

Wenn tatsächlich die grössten und einflussreichsten Banken der Welt aus der Allianz austreten, dann wäre das ein enormer Presigeverlust für Marc Carney und seine GFANZ-Initiative. Bei der Banken-Suborganisation, der Net-Zero Banking Alliance (NZBA), machen 116 Geldhäuser mit. Aus der Schweiz sind das neben den Grossbanken die Basellandschaftliche und die Berner Kantonalbank. Aus Liechtenstein haben sich drei Banken verpflichtet, LGT, LLB und VP Bank.

Insgesamt haben sich der GFANZ-Dachallianz mehr als 450 Banken, Asset-Manager, Versicherungen und Pensionskassen der Gruppe angeschlossen. Sie verwalten zusammen 130 Billionen Dollar. Das klingt nach einem gewaltigen, weltumspannenden Bollwerk gegen den Klimawandel. Doch das täuscht: Aus China und Indien macht keine einzige Bank mit. Aus Russland nur eine. Und aus Afrika und dem Nahen Osten sind es lediglich vier.

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