Credit Suisse in der Krise
Nach einem katastrophalen Quartal soll eine neue Crew bei der Grossbank das Steuer herumreissen. Die Ankündigungen wirken wie aus der Hüfte geschossen.
28. Juli 2022 • Beat Schmid

Die Credit Suisse kündigte gestern weitreichende Veränderungen an, um die Bank wieder auf die Spur zu bringen. Vier Gründe, warum das Experiment scheitern könnte.

1. Der neue Chef – Ueli Körner

Ueli Körner, der neue CEO der Bank, ist ein exzellenter Kenner des Bankings. Er weiss, wie die verschiedenen Zahnräder einer Bank ineinandergreifen müssen und wo er den Schraubenschlüssel ansetzen muss, um die Effizienz zu erhöhen. Das Problem bei seiner Ernennung ist ein anderes: Er operiert in seiner eigenen Welt und hat keinen Bezug zur Basis der Bank. Als Chef des Asset Managements machte er bei der CS “nichts”, wie ein langjähriger Kadermann berichtet. Er zeige sich “nie” bei den Angestellten, die das Geschäft machen.

Doch die Bank braucht in dieser Situation einen Chef, der die Beschäftigten mitreissen kann. Typisch für ihn ist, dass er sich mitten der Krise ein “Luxusbüro” am Paradeplatz bauen liess, wie Inside Paradeplatz im Juni schrieb. Damit machte er sich keine Freunde. Die braucht er als neuer CEO zwar nicht, doch auf Unterstützung der Belegschaft ist auch er angewiesen.

2. Chaos in der Teppichetage

Den scheidenden CEO Thomas Gottstein hat der Abschied aus der Bank sichtlich mitgenommen. An den Telefonkonferenzen mit Analysten und Journalisten machte er einen gebrochenen Eindruck. Man nimmt es ihm ab, dass er aus familiären und gesundheitlichen Gründen seinen Posten abgibt. Von seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern verabschiedete er sich am Mittwoch in einer hochemotionalen Townhall-Veranstaltung. Dabei zeigte er sich mit der legendären SKA-Mütze. Er habe 14 Kilogramm abgenommen, sagte er. Und schon Brady Dougan habe ihm gesagt, dass der CEO-Posten ein “Sh**job” wäre.

Mit Gottstein geht ein langjähriger CS-Banker, der seine Meriten hatte, aber zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort war. Mit seinem Abschied wird nicht alles besser. Etliche Führungspositionen sind nicht besetzt: Immer noch nicht klar ist, wer neuer Finanzchef wird. Auch unklar ist, wer das Asset Management leiten soll, wenn Körner den CEO-Job übernimmt. Im Investmentbanking gibt es wieder eine Doppelspitze. Und für die strategische Weiterentwicklung der Investmentbank soll sich eine Gruppe von Verwaltungsräten kümmern. Die Veränderungen wirken wie aus der Hüfte geschossen.

3. Schwer zu erreichende Kostenziele

Die CS will die Kosten auf 15,5 Milliarden Dollar pro Jahr senken. Das macht 3,87 Milliarden pro Quartal. Nimmt man den Durchschnitt der letzten 18 Quartale, kommt man auf einen Wert von 4,5 Milliarden Franken. Klar, darin sind Sondereffekte eingerechnet wie Rückstellungen für Rechtsfälle und dergleichen. Doch diese einfach so herauszurechnen, ist angesichts der jüngsten Geschichte naiv.

Will die Bank auf das angestrebte Niveau herunterkommen, dann müssten sie etwa 600 Millionen Franken pro Quartal einsparen oder 2,4 Milliarden pro Jahr. Das ist sehr viel Geld. Auf Stellen heruntergebrochen, hiesse das, die Bank müsste bei Durchschnittskosten von 250’000 Franken pro Arbeitsplatz rund 10’000 Beschäftigte entlassen. Wie die Bank ihr Kostenziel erreichen will, darüber will die Bank erst Ende September Auskunft geben. Gestern war lediglich die Rede von einem Abbau von Temporärstellen und die Auslagerung des Einkaufs. Doch mit diesen Massnahmen erzielt man nur einen Bruchteil davon.

5. Kein Ertragsziel

Gravierend ist, dass die CS-Führung gestern ausklammerte, wie sie die Erträge steigern möchte. Im abgelaufenen Quartal erzielte die Bank Einnahmen von 3,645 Milliarden Franken. Rechnet man diese Zahl auf ein Jahr hoch, ergeben sich Erträge von 14,5 Milliarden Franken. Das würde nie und nimmer reichen, einen Gewinn zu erwirtschaften. Wie kann die Bank also wieder mehr Geld verdienen? VR-Präsident Axel Lehmann hatte keine Antwort drauf.

Die Bankspitze gab auch keine Erklärungen ab, warum sich die Erträge in den nächsten Monaten erholen sollen oder warum das zweite Quartal ein einmaliger Ausrutscher war. Zumindest das dritte Quartal konnte abermals schlecht ausfallen. Es ist traditionell ein schwaches Quartal für Banken.

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