Race to the Bottom
Die Grossbank lockt reiche Kunden mit grosszügigen Rabatten. Doch mit Billigangeboten torpediert sie nicht nur ihre eigene Marge, sondern auch diejenige der Konkurrenz.
27. April 2022 • Beat Schmid

Der Ruf ist ramponiert, das Vertrauen schwindet. Inzwischen hat die Krise auch die Vermögensverwaltung der Grossbank fest im Griff. Die Erträge sind im ersten Quartal um 44 Prozent gefallen. Die Abteilung, die auch in schwierigen Zeiten solide Gewinne erwirtschaften sollte, weist einen happigen Vorsteuerverlust aus. Laut Bankchef Thomas Gottstein sind die Märkte für das schlechte Ergebnis verantwortlich. Vor einem Jahr noch waren die Umstände günstig, jetzt nicht mehr. Wirklich überzeugen können die Erklärungsversuche nicht.

Umso erstaunlicher ist es, dass es der Bank trotz allem gelungen ist, Neugelder anzuziehen. Insgesamt waren es im Wealth Management 4,8 Milliarden, die zum grössten Teil von Schweizer Ultra-High-Net-Worth-Kunden (Vermögen ab 30 bis 50 Millionen) stammen, wie im Quartalsbericht nachzulesen ist. Doch Recherchen deuten darauf hin, dass die Bank mit harten Bandagen um diese Neugelder kämpft.

Dumpingangebot von 10 Basispunkten

Wie mehrere Quellen berichten, lockt die Credit Suisse neue Kunden mit zum Teil massiven Rabatten an. In einem Fall – es geht um einen sehr vermögenden Schweizer UBS-Kunden aus dem UHNWI-Segment – offerierte die CS für die Verwaltung seines Vermögens einen Preis von 10 Basispunkten.

Die UBS musste auf dieses Dumpingangebot reagieren und senkte die Marge ihrerseits auf 70 Basispunkte. Ein weiteres Angebot reichte Julius Bär mit 60 Basispunkte ein. Der Kunde entschied sich, bei der UBS zu bleiben. In anderen Fällen haben sich die Kunden für die CS entschieden. Private-Banker berichten von einem eigentlichen Race to the bottom, einem Unterbietungswettlauf, der derzeit in der Privatebanking-Szene stattfindet.

Dass die Bank versucht, in der Krise mit grossen Rabatten einen Abfluss von Kundengeldern zu verhindern, ist nachvollziehbar. Doch das Problem ist, dass sie damit ihre Marge nachhaltig herunterwirtschaftet. Zu welchen Konditionen die Bank Neugelder in die Bank holt, darüber gibt die CS keine Auskunft.

Aus dem Quartalsbericht geht hervor, dass die Bruttomarge im Wealth Management auf 65 Basispunkte gefallen ist, von 114 Punkten vor einem Jahr. Auch bei der UBS ist die Marge in der Vermögensverwaltung im ersten Quartal gesunken. Die sogenannte Fee-generating Asset Margin fiel von 86 auf 81,6 Basispunkte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Ein Tiefpunkt in der langen Geschichte der Bank

Für die zweitgrösste Schweizer Bank stellt das abgeschlossene Quartal zweifellos einen Tiefpunkt in ihrer langen Geschichte dar. Doch die Krise ist bei weitem nicht ausgestanden. Die Credit Suisse muss aufpassen, nicht eine gefährliche Negativspirale hineinzugeraten. Sie reduziert die Risiken, verliert damit Erträge, gleichzeitig bleiben die Kosten hoch, was die Gewinne schmälert. Dies wiederum hindert die Bank daran, künftiges Wachstum zu finanzieren und Kapital aufzubauen.

Viele Quartale wie das abgeschlossene kann sich die Bank nicht mehr leisten. Würde ein Unternehmen der Realwirtschaft sich in einer ähnlich misslichen Lage befinden, würde die CS als kreditgebende Bank als erstes den Bonushahn zudrehen und eine Massenentlassung anordnen. Doch vor harten Massnahmen schreckt die Bank weiterhin zurück. Im Gegenteil: Mitten in der Krise erhöht sie die Rücklagen für Cash-Zahlungen an die Beschäftigen und stellt im Investmentbanking 50 neue Managing Director an.

Es kommt einem vor, als hoffe die Credit Suisse auf ein Wunder – was angesichts der düsteren Zukunftsaussichten sehr verwegen ist.