Vincenz-Prozess
Die geschädigte Aduno kann gegen Pierin Vincenz und Beat Stocker hohe Forderungen geltend machen. Allein die Zinskosten gehen in die Millionen.
14. April 2022 • Beat Schmid

Das Urteil von gestern ist ein grosser Sieg für die Finanzfirma Aduno. Sie war eine der Hauptgeschädigten im Prozess. Bei den drei Transaktionen, die von Pierin Vincenz und Beat Stocker durchgeführt wurden, musste sie grosse Verluste hinnehmen. Es war die Finanzfirma, welche den Fall durch eine Strafanzeige überhaupt ins Rollen gebracht hatte.

Während Jahren wurde Aduno von Stocker als CEO und Vincenz als Verwaltungsratspräsident kontrolliert. Sie nutzen ihre Machtposition zum Schaden der Firma aus, wie das Gericht nun feststellte. Aduno befindet sich im Besitz von Raiffeisen, der Migros Bank sowie von Kantonalbanken, unter anderem der Zürcher Kantonalbank.

Der grösste Schaden entstand in Zusammenhang mit dem Kauf der Kartenfirma Commtrain im Jahr 2008. Der Richter hielt bei der Urteilseröffnung fest, dass Pierin Vincenz und Beat Stocker mit der Nichtoffenlegung ihrer Beteiligung ihre Treuepflicht verletzt haben. Sie haben Betrug durch Unterlassung begangen. Das Gericht wertete ihr Verhalten als arglistig.

Zinsen von fünf Prozent pro Jahr

Im Fall von Commtrain entstand ein Schaden von 2,75 Millionen Franken, wofür Vincenz und Stocker schadenersatzpflichtig sind, wie das Gericht feststellte. Doch mit einer Zahlung über diese Höhe werden sie nicht durchkommen. Zusätzlich werden Zinszahlungen in der Höhe von fünf Prozent fällig. Das macht 130’000 Franken pro Jahr seit dem Zeitpunkt der Transaktion im Jahr 2008. Rechnet man das zusammen, ergibt sich eine Forderung rund fünf Millionen Franken. Das ist offenbar der Betrag, mit dem Aduno rechnet, wie aus dem Umfeld des Unternehmens zu hören ist.

Bei der GCL-Transaktion beträgt die Schadensumme 9,2 Millionen Franken. Plus Zinsen ergibt dies 14 Millionen Franken. Im Unterschied zum Commtrain muss Aduno diese Gelder allerdings auf dem Zivilweg einfordern. Das gleiche gilt für die Eurokaution-Transaktion. Hinzu kommt eine Prozessentschädigung in der Höhe von 500’000 Franken, welche Vincenz und Stocker an Aduno zahlen müssen.

Bezahlen müssen die beiden freilich erst, wenn die Urteile rechtskräftig werden. Das wird mit Bestimmtheit noch eine Weile dauern. Der Anwalt von Pierin Vincenz hat bereits angekündigt, er werde das erstinstanzliche Urteil beim Obergericht anfechten. Die Staatsanwaltschaft dürfte dies aus taktischen Gründen ebenfalls tun. Wenn ein rechtskräftiges Urteil erst am Bundesgericht gefällt werden sollte, kämen weitere Zinsforderungen hinzu.

Die Fakten zum Urteil

Ex-Raiffeisen-Chef Pierin Vincenz wird wegen Betrugs, des versuchten Betrugs, der Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verurteilt. Er muss eine bedingte Geldstrafe von 280 Tagessätzen zu 3000 Franken zahlen.

Beat Stocker, der ehemalige Chef Aduno, wird wegen Betrugs, versuchten Betrugs, mehrfacher ungetreuer Geschäftsbesorgung sowie passiver Privatbestechung und der mehrfachen Verletzung des Geschäftsgeheimnisses zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 4 Jahren verurteilt. Dazu kommt eine bedingte Geldstrafe von 160 Tagessätzen zu 3000 Franken.

Die Mitbeschuldigten Andreas Etter, Ferdinand Locher und Stéphane Barbier-Mueller werden zu bedingten Geldstrafen verurteilt.

Gegen den Mitbeschuldigten Peter Wüst wird das Verfahren aufgrund seines Gesundheitszustands definitiv eingestellt.

Der PR-Berater Christoph Richterich wurde freigesprochen.

Die Staatsanwaltschaft hatte für Vincenz und Stocker je 6 Jahre Freiheitsentzug gefordert. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch.