«Suisse Secrets»
Einmal mehr wird der hiesige Finanzplatz mit gravierenden Lücken bei der Abwehr dubioser Gelder konfrontiert. Dass es sich um ein längst überholtes Problem handelt, hat sich schon früher als Märchen herausgestellt.
22. Februar 2022 • Balz Bruppacher

«Wer bei einer Schweizer Bank ein Konto eröffnen will, der muss sich legitimieren und glaubhaft versichern, dass das Geld sauber ist. Beim geringsten Verdacht auf dunkle Quellen lehnen wir das Geschäft ab.» - So beantwortete der CEO des Schweizerischen Bankvereins, Walter Frehner, im September 1990 in einer Inseratenkampagne der Bankiervereinigung fiktive Fragen eines «besorgten Schweizers». Und versicherte: «Unsere Kontrollinstrumente sind weltweit führend.»

Es war die Zeit, als die Schweizer Banken und die bürgerliche Elite Jean Zieglers Pamphlet «Die Schweiz wäscht weisser» empört als Zerrbild zurückwiesen und den Autor mit Klagen eindeckten. Die Eidgenössische Bankenkommission (EBK) attestierte dem Finanzplatz, die Lehren aus der Affäre mit den Marcos-Geldern gezogen zu haben. Tatsächlich kamen 1997 nach dem Tod des kongolesischen Diktators Mobutu Sese Seko nur wenige Millionen Franken auf hiesigen Konten zum Vorschein, unter anderem auf Jugendsparheften.

Der Rückschlag im Fall Abacha

Banken und Behörden propagierten das Abwehrdispositiv gegen die Geldwäscherei inzwischen als Exportschlager und Modell für andere Finanzplätze. Im Oktober 1999 platzte aber ein Skandal, der alles Bisherige in den Schatten stellte: Auf 19 Banken wurden 660 Millionen Dollar aus dem Umfeld des verstorbenen nigerianischen Diktators Sani Abacha entdeckt. 214 Millionen wurden bei der Credit Suisse (CS) sichergestellt. Zwei Söhne von Abacha hatten das Geld deponiert, ohne dass die CS ihre Identität mit der nötigen Sorgfalt klärte. Die Grossbank, die von der EBK gerügt und einer ausserordentlichen Revision unterzogen wurde, streute Asche auf ihr Haupt und versicherte: «Für unseren geschäftlichen Erfolg brauchen wir solche Gelder nicht.»

Der Blick auf die Kundenliste der sogenannten «Suisse Secrets» vermittelt allerdings ein anderes Bild. Und die Anklageschrift gegen die CS im laufenden Prozess vor Bundesstrafgericht wirft der Grossbank gar archaische Geldwaschoperationen vor. Angehhörige eines bulgarischen Drogenhändlerrings sollen 2004 Bargeld im Rollkoffer zur Credit Suisse gebracht haben. Die Bank bestreitet die deliktische Herkunft des Geldes. Die Geldkoffer-Methode galt schon damals als längst überholt und bloss noch in schlechten Filmen präsent. «Wer heute mit einem Koffer mit 50’000 Franken Bargeld an den Bankschalter kommt, wird gleich in einen Verhörraum geführt», schrieb das «Magazin» des «Tages-Anzeigers» 2006.

Behörden und Branche kann man allerdings kaum vorwerfen, dass sie die Augen vor dem Zufluss krimineller Gelder verschliessen. Schon nach dem Chiasso-Skandal der Schweizerischen Kreditanstalt (heute CS) wurden 1978 mit der sogenannten Sorgfaltspflichtvereinbarung zwischen Banken und Nationalbank Regeln für die Kundenidentifikation erlassen, die internationale Ausstrahlung hatten. Das 2016 in Kraft getretene Bundesgesetz über die Sperrung und die Rückerstattung unrechtmässig erworbener Vermögenswerte ausländischer politisch exponierter Personen (SRVG) ist der jüngste Versuch, das Problem der Potentatengelder in den Griff zu bekommen. Auch hier zeigt sich aber, dass Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen. Der einst als «Lex Ben Ali» bezeichnete Erlass war für den Umgang mit den Potentatengeldern gedacht, die nach dem Arabischen Frühling in der Schweiz gesperrt wurden. Das Gesetz kam aber weder im Fall Tunesien noch bei den Mubarak-Geldern aus Ägypten zur Anwendung.

«Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss»

«Oft hat die Schweiz vorschnell zu viele Ergebnisse versprochen», hielt die Eidgenössische Finanzkontrolle kürzlich fest und bezeichnete das Management der Erwartungen als zentrales Problem beim Umgang mit Potentatengeldern. Der in Zürich lehrende Strafrechtsprofessor Frank Meyer stellte einer Analyse des Potentatengeldergesetzes den Satz voran: «Ein gutes Pferd springt nicht höher, als es muss.» Der nächste Test kommt bestimmt: Seit Herbst 2019 sind Milliardensummen aus Libanon in die Schweiz geflossen. Es wird vermutet, dass es sich um Vermögen der korrupten Elite handelt, während die libanesische Bevölkerung in Armut versinkt.

Eine radikale Lösung schlug der zur SVP-Fraktion gehörende Schaffhauser Ständerat Thomas Minder vor. Er wollte im Frühling 2013 den Banken die Entgegennahme von Potentatengeldern generell verbieten. Seine Motion blieb jedoch ohne Chance; der Rat verwarf sie mit 30 zu 4 Stimmen. Die damalige Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf hatte zuvor darauf hingewiesen, dass vom Verbot auch politisch exponierte Personen von ordentlich geführten und verwalteten Staaten betroffen wären, Die Unterbindung des Zuflusses von solchen legal erworbenen Geldern würde dem Schweizer Finanzplatz schaden.