Zero Tolerance bei der Credit Suisse
Der Portugiese António Horta-Osório ist per sofort nicht mehr Präsident der Schweizer Grossbank. Ihm wurden Verstösse gegen die Quarantäne-Regeln vorgeworfen. Ein Kommentar.
17. Januar 2022 • Beat Schmid

Eigentlich glaubte man, eine Rüge vom Verwaltungsrat würde reichen. Doch heute Morgen kommt es im Fall zu einer überraschenden Wendung. Die Grossbank teilt mit, dass Antonio Horta-Osório mit sofortiger Wirkung zurücktrete. Der Banker sei zur Auffassung gelangt, dass die sein Rücktritt im Interesse der Bank und ihrer Stakeholder sei, teilte er mit. Was hat er sich zuschulden kommen lassen? Horta-Osório ist für ein Tennismatch nach London geflogen. Und er ist von London via Zürich und Portugal nach New York an eine Verwaltungsratssitzung gereist. Dabei verletzte er mutmasslich die Quarantäne-Regeln von Grossbritannien und der Schweiz. Ende Dezember wurde bekannt, dass der CS-Verwaltungsrat zwei Verstösse von Horta-Osório gegen Corona-Auflagen in der Schweiz und in Grossbritannien untersuche.

«Juristisch gesehen ist der Fall eine Lappalie. Und doch ist eine Verletzung von Quarantäne-Regeln schwerwiegender als ein missachtetes Rotlicht»

Juristisch gesehen ist der Fall eine Lappalie. Eine Verletzung von Corona-Regeln kann in der Schweiz zwar mit einer Busse von bis zu 5000 Franken bestraft werden. Allerdings, erklärt es das Bundesamt für Gesundheit, müsse die Verbreitung einer Krankheit das «Handlungsziel des Täters» sein und er müsse mit einer «gemeinen Gesinnung» handeln. Selbst ein übel gelaunter Richter würde Horta-Osório nicht leichtfertig derart üble Motive unterstellen. Und doch ist eine Verletzung von Quarantäne-Regeln schwerwiegender als ein missachtetes Rotlicht. Nach zwei Jahren Pandemie liegen die Nerven blank. Dass sich Eliten einfach so über die Regeln hinwegsetzen, kommt schlecht an. Wie schlecht, erfährt derzeit auch der britische Premier Boris Johnson, der wegen «Corona-Partys» um sein Amt bangen muss.

«Wenn nicht der Präsident die Regeln einhält, wer soll es dann? Deshalb ist es logisch, dass der Verwaltungsrat Horta-Osório mit der härtesten aller Sanktionen bestraft: dem Rauswurf»

Bei Antonio Horta-Osório kommt noch eine weitere Dimension dazu. Als Präsident des Verwaltungsrats steht er an der Spitze des obersten Leitungsorgans. Er ist nicht nur verantwortlich für den Aktienkurs der Bank, sondern auch für die Einhaltung der Corporate Governance, er verkörpert die Unternehmenskultur, er steht für den Ruf der Bank, für Ethik und Compliance. Wenn nicht der Präsident die Regeln einhält, wer soll es dann? In einem Jahr, in dem die Credit Suisse von Grossskandalen wie Greensill und Archegos heimgesucht wird, ist eigentlich klar: Ein Präsident, der sich leichtfertig über Regeln hinwegsetzt, hat keinen Platz in der Bank. Somit ist nur logisch, dass der Verwaltungsrat die Fehltritte von Horta-Osório mit der härtesten aller Sanktionen bestraft: dem Rauswurf.
Die News und das Statement von Horta-Osório
Nach Berichten über Quarantäne-Verletzungen hat der Verwaltungsrat der Grossbank den Rücktritt von Präsident Antonio Horta-Osório mit sofortiger Wirkung bekanntgegeben. Zum neuen Verwaltungsratspräsidenten sei Axel Lehmann ernannt worden, hiess es in der Nacht auf Montag in einer Pflichtmitteilung. «Ich bedauere, dass einige meiner persönlichen Handlungen zu Schwierigkeiten für die Bank geführt und meine Fähigkeit beeinträchtigt haben, diese nach innen und aussen zu vertreten», erklärte Horta-Osório darin. «Ich bin daher zur Auffassung gelangt, dass mein Rücktritt zu diesem Zeitpunkt im Interesse der Bank und ihrer Stakeholder ist.»

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