Digital Assets Briefing
Die unmittelbaren Kursauswirkungen einer Bitcoin-ETF-Zulassung durch die SEC haben sich hochgeschaukelt. Die Wahrscheinlichkeit ist gross, dass es zunächst zu einer Enttäuschung kommt. Dies wäre aber positiv und würde den Reifeprozess des Kryptomarktes dokumentieren.
5. Januar 2024 • Werner Grundlehner

«Was soll dieser Titel, der Bitcoin hat das Jahr furios abgeschlossen und ist genauso ins 2024 gestartet», könnte man dem Autor entgegenhalten. Zwischen den Festtagen schwächelte die Kryptowährung etwas und fiel gegen 42’000 Dollar. In den ersten Tagen etablierte sich der Wert wieder über 45’000 Dollar. Der Investment-Case, der im vergangenen Jahr oft beschrieben wurde, scheint aufzugehen. Am Mittwochnachmittag gab es jedoch einen deutlichen Rücksetzer.



Und in den Short Cuts diese Woche:
• Jamie Dimon macht nicht, was Jamie Dimon sagt
• Happy Birthday Bitcoin – einige weniger bekannte Fakten zur Ur-Kryptowährung


Seit Anfang Dezember ist Bitcoin fast 20 Prozent gestiegen. Ein Treiber ist das nächste Halving. Das vierte Halving seit der Entstehung des Bitcoins wird voraussichtlich am 23. April 2024 stattfinden. An diesem Tag wird die Entschädigung für die Prüfung (Mining) eines Bitcoin-Blocks von 6,25 auf 3,125 Bitcoins reduziert. Eine Entschädigung in diesem Umfang wird bis ins Jahr 2028 vergütet.

Die Frist für die SEC läuft aus

Doch der grösste Kurstreiber – und auch der vielleicht unmittelbarste – ist die erwartete Zulassung von börsengehandelten Bitcoin-Indexfonds (ETF), welche die Kassa-Notierung der Kryptowährung abbilden. Die Frist für die US-Börsenaufsicht SEC (Security and Exchange Commission), um über die Zulassung eines derartigen ETF zu entscheiden, läuft am 10. Januar ab. Die amerikanische Behörde äusserte sich bisher stets kritisch und skeptisch zu Kryptowährungen und entsprechenden Finanzprodukten. Angesichts der namhaften Antragsteller aus der Vermögensverwaltungsbranche – unter denen sich Namen wie Blackrock, Fidelity und Invesco finden – dürfte es der Börsenaufsicht aber zunehmend schwerfallen, die ablehnende Haltung aufrechtzuerhalten.

Finanzexperten bezeichnen die eingereichten Zulassungsanträge als professionell, vollständig und belastbar – was bei diesen etablierten amerikanischen Finanzdienstleistern auch nicht erstaunt. Zudem haben im vergangenen Jahr Richter die Vorbehalte der SEC als unbegründet ausgeräumt. Grayscale, ein Vermögensverwalter von digitalen Assets, hat im vergangenen Jahr einen Entscheid der SEC erfolgreich angefochten. Im Juni 2022 lehnte die Börsenaufsicht den Antrag von Grayscale auf Umwandlung des Bitcoin-Trusts in einen Spot-ETF ab.

Gericht widerspricht SEC

Die SEC begründete, dass diese Produkte nicht geeignet seien, betrügerische und manipulative Handlungen und Praktiken zu verhindern. Grayscale wies dem Gericht aber nach, dass es eine 99,9-prozentige Korrelation zwischen dem Bitcoin-Kassamarkt und den Terminkontrakten an der Optionsbörse CME gibt. Die SEC hatte ETF-Bitcoin-Futures-Produkten bereits eine Bewilligung erteilt. Ende 2023 gab ein Gericht Grayscale deshalb Recht und hielt fest, dass die SEC mit der Ablehnung des Grayscale-Antrags willkürlich gehandelt habe. Dieser Entscheid sorgt für Euphorie und Kursunterstützung am Krypto-Markt.

Doch im neuen Jahr mehren sich die Stimmen, welche die hyper-euphorischen Preisvorraussagen für die Zeit nach einer Bitcoin-ETF-Zulassung in Frage stellen. 2023 häuften sich derartige Prognosen im Jahresverlauf. Zuversichtliche Analysten stellten nach dem Startschuss für den ersten Spot-Indexfonds sechs- wenn nicht sogar siebenstellige – Dollarnotierungen für den Bitcoin in Aussicht.

Zuviel vorweggenommen?

Doch nun kehrt Vorsicht ein. Gemäss dem Research-Unternehmen CryptoQuant ist die Wahrscheinlichkeit gestiegen, dass die Zulassung des Bitcoin-ETF ein «Sell-the-News»-Event werde. Vieles deute darauf hin, dass die Anleger auf hohen nicht realisierten Gewinnen sitzen würden. Im aktuellen Fall könnte die Bitcoin-Notierung laut dem Krypto-Datenanbieter bis auf 32’000 Dollar zurückfallen. «Viele nicht realisierte Gewinne haben sich während der Preisrally in Erwartung der ETF-Zulassung angesammelt, und jetzt sind diese für kurzfristige Inhaber und auch für Miner extrem hoch», schreib CryptoQuant. Auch der Fondsmanagers 3iQ sieht eine «hohe Wahrscheinlichkeit» für eine Pause der Rally oder einen kurzen Preisrückschlag. Langfristig sei der Aufwärtstrend gemäss 3iQ aber intakt.

«Die anfänglichen Auswirkungen eines Bitcoin-ETF werden drastisch überschätzt», schrieb zu Jahresbeginn auch VanEck-Berater Gabor Gurbacs auf X (ehemals Twitter). Er glaubt, dass bei der Einführung lediglich Nettozuflüsse von etwa 100 Millionen Dollar von «grösstenteils recyceltem» Geld von grossen institutionellen Anlegern verzeichnet werden könnten. Auch der Fondsmanager VanEck hat bei der SEC einen Antrag für einen Bitcoin ETF eingereicht.

Der Gold-ETF als Vergleich

Gurbacs ist jedoch optimistisch im Hinblick auf die langfristigen Auswirkungen der ETF auf den Bitcoin-Kurs. Er begründet dies mit dem Anstieg des Goldpreises nach der Einführung des ersten Gold-ETF im Jahr 2004 durch State Street. In den folgenden Jahren kletterte der Goldpreis von 400 auf 1800 Dollar. Durch diese Wertsteigerung expandierte die Marktkapitalisierung von Gold von 2000 auf 10'000 Milliarden Dollar. Bitcoin verfügt über eine Marktkapitalisierung von rund 830 Milliarden Dollar, was etwa 40 Prozent des Wertes des Goldmarktes im Jahr 2004 entspricht. Gurbacs glaubt, dass sich der Bitcoinwert nach der Zulassung eines ETF durchaus wie Gold entwickeln könnte, fügte aber an, wegen des begrenzten Angebots und dem Halvin, welches die Knappheit noch verstärke, könne die Kurssteigerung beim Bitcoin noch schneller erfolgen.

Der Krypto-Dienstleister Galaxy Digital, der in Partnerschaft mit Invesco bei der SEC einen Spot-Bitcoin-ETF beantragt hat, schätzt die Grösse des adressierbaren Marktes für einen US-Bitcoin-ETF auf etwa 14 Milliarden Dollar im ersten Jahr nach der Auflegung und sieht eine Ausweitung auf 26 Milliarden Dollar im folgenden Jahr.

Volatilität geht in die «falsche» Richtung

Doch kurzfristig dürfte die Kursbewegung erst einmal verhalten ausfallen. Darauf deutete auch die implizite Volatilität auf Optionen für die Tage um den 10. Januar hin. Diese ist gesunken – würde eine hohe Kursbewegung erwartet, würde die implizite Volatilität steigen. Das sagen zumindest die Zahlen von Greeks.live, einer Plattform für den Handel mit Krypto-Optionen voraus. Die implizite Volatilität misst die Erwartung des Marktes hinsichtlich zukünftiger Kursbewegungen bei Optionskontrakten.

Für die Tage nach dem 10. Januar deutet diese Kennzahl auf eine unerwartet geringen Marktaktivität hin. Aufgrund dieser Entwicklung geht Greeks.live davon aus, dass der Markt die mögliche Zulassung des Bitcoin-Spot-ETF bereits in den Preis eingerechnet habe. Die Marktteilnehmer erwarten dieses Ereignis und haben ihre Positionen entsprechend angepasst, so dass die tatsächliche Zulassung nur begrenzte Auswirkungen auf den Kurs und die Volatilität haben könnte.

Dies wäre das Zeichen, dass der Krypto Markt erwachsen wird und die gleichen Verhaltensmuster wie der traditionelle Finanzmarkt aufweist. «Aus der ökonomischen Theorie weiss man, dass öffentlich verfügbare Informationen bereits eingepreist sein sollten», sagt Fabian Schär, Professor für Distributed Ledger Technology (Blockchain) und Fintech an der Uni Basel. Informationen zu den Halvings sind seit den Anfängen von Bitcoin öffentlich verfügbar und auch über die ETF und die anstehende SEC-Zulassung wird in den Medien viel berichtet und spekuliert. Die Marktteilnehmer erwarten dieses Ereignis und haben ihre Positionen entsprechend angepasst, so dass die tatsächliche Zulassung nur eine begrenzte unmittelbare Auswirkung auf den Kurs haben dürfte.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Jamie Dimon macht nicht, was Jamie Dimon sagt

Der CEO von JP Morgan, der weltgrössen Bank, ist ein erklärter Gegner von Kryptowährungen. So sagte Jamie Dimon vor wenigen Wochen bei einer Anhörung im US-Senat: «Ich war schon immer ein grosser Gegner von Krypto und Bitcoin». Der einzige echte Anwendungsfall dafür sei für Kriminelle. «Wenn ich die Regierung wäre, würde ich sie abschaffen». Doch entweder weiss der CEO nicht, in welchen Bereichen sein Unternehmen aktiv ist, oder Dimon hat Mühe, rhetorisch vom einst eingeschlagenen Weg abzuweichen.

Kurz vor Jahresschluss wurde bekannt, dass JP Morgan eine Schlüsselrolle für den von BlackRock geplanten Bitcoin ETF als «autorisierter Teilnehmer» spielen soll. Die US-Bank wird für den Vermögensverwalter dafür sorgen, dass die ETF-Preise korrekt sind und der Handel unter allen Marktbedingungen reibungslos verläuft. In der ETF-Branche gibt es nur wenige Aufgaben, die wichtiger sind als die, die JP Morgan für das Produkt von BlackRock übernehmen wird. Während es für ETF-Emittenten in der Regel nicht schwer ist, Vereinbarungen mit autorisierten Teilnehmern zu erhalten, hatten einige Branchenbeobachter Bedenken geäussert, dass Bitcoin-Fonds es schwerer haben würden, da Kryptowährungen eine neuere Anlageklasse sind, schreibt Eric Balchunas, Senior ETF-Analyst bei Bloomberg Intelligence.


Happy Birthday Bitcoin – einige weniger bekannte Fakten zur Ur-Kryptowährung

Am 3. Januar 2009 entstand das Bitcoin-Netzwerk mit der Schöpfung der ersten 50 Bitcoins und der Generierung von «Block 0» dem sogenannten Genesisblock. Der Bitcoin ist demnach vor wenigen Tagen 15 Jahre alt geworden. Er steht kurz vor dem Erwachsenwerden und kommt in die «schwierigen Jahre». Hier Wissenswertes und Erstaunliches zum Bitcoin.

• In den ersten Block wurde als einzige Transaktion folgende Nachricht kodiert: «The Times, 3. Januar 2009, Britischer Finanzminister am Rande eines zweiten Rettungspaketes für Banken».

• Es gibt mehrere «Bitcoin-Geburtstage»: Das Bitcoin-Whitepaper wurde am 31. Oktober 2008 von einer Einzelperson oder einer Gruppe unter dem Pseudonym Satoshi Nakamoto veröffentlicht.

• Das endgültige, maximale Coin-Angebot von Bitcoin liegt eigentlich bei 20'999'999,97 Bitocins und nicht wie vielfach geschrieben bei 21 Millionen.

• Aktuell sind annähernd 19'590'000 Bitcoins im Umlauf, jeden Tag kommen aktuell etwa 900 neue hinzu.

• Im Jahr 2140 wird der letzte Bitcoin gemined werden. Die sogenannten «Miner» werden ab diesem Zeitpunkt keine Entschädigung für das Prüfen und Erstellen von Blocks erhalten, sondern ausschliesslich durch Transaktionsgebühren entschädigt werden.

• Auf Wallets, die auf Satoshi Nakamoto lauten, lagern über eine Million Bitcoins.

• Im Jahr 2010 wurden beim «Value Overflow Incident» durch einen Fehler versehentlich 184 Milliarden Bitcoins erzeugt. Der Fehler wurde durch den Code verursacht, der zur Überprüfung der Transaktionsausgaben verwendet wurde. Der Fehler wurde unmittelbar behoben und korrigiert.

• Bitcoin wurde 2011 zur Umgehung der WikiLeaks-Bankblockade verwendet. Das führte zur Gründung der Bitcoin Foundation, die den Bitcoin als zensurresistente Währung fördert.

• Es hat bereits rund 70 Abspaltungen von Bitcoin gegeben, es sind also rund 70 Altcoins aus sogenannten «Forks» entstanden.

• Zum vielgenutzten Zahlungsmittel ist es noch ein weiter Weg. Die Mehrzal der im Umlauf befindlichen Coins wurde noch nie verwendet – teilweise auch, weil die Keys für die Wallets für immer verloren gingen.

• Der durchschnittliche Bitcoin wurde seit 2,4 Jahren nicht mehr bewegt.

• Die erste aufgezeichnete Bitcoin-Transaktion fand im Jahr 2010 statt und betrifft den Kauf von zwei Papa-John’s-Pizzen zum Preis von 10’000 Bitcoins.

• Hal Finney war die erste Person neben Satoshi, die eine Bitcoin-Wallet betrieb, Bitcoins schürfte und über das Netzwerk erhielt. Er starb im Jahr 2014 und war bis zuletzt an der Verbesserung des Bitcoin-Codes beteiligt. Das ist seine letzte Mitteilung an die Bitcoin-Gemeinde.