Wirbel um Klima-Einhorn
Die Medien hätten ihren Brief falsch wiedergegeben, schreiben die internen Kritiker von South Pole. Es gebe keinen «Dissens» unter den Mitarbeitern des Zürcher Klimavorzeigeunternehmens.
19. Juli 2023 • Beat Schmid

Es war heftige Fundamentalkritik, die 80 Mitarbeiter der Zürcher CO₂-Kompensationsfirma South Pole geäussert hatten. «Gegenüber der Öffentlichkeit wird die Botschaft verbreitet, das Unternehmen wolle echte CO₂-Einsparungen für alle erreichen und mehr Transparenz im CO₂-Markt schaffen.» In der Strategie und im Tagesgeschäft sei davon aber immer weniger zu spüren. Stattdessen stelle das Unternehmen den Profit über seine Gründungsprinzipien.

Jetzt gibt es Kritik an dieser Kritik. In einem auf Linkedin verbreiteten Brief schreibt South-Pole-Manager Aymeric Reymond, die Medien hätten den internen Brief «falsch wiedergegeben». Der Brief stelle «keine Opposition gegen den Kernzweck des Unternehmens» dar. Im Gegenteil, der Brief ziele darauf ab, South Pole «über die aktuellen Klimaauswirkungen hinaus, über die Standardpraxis hinaus voranzubringen». Tippinpoint berichtete letzte Woche.

Keinen «Dissens» – nur «gesunde Diskussionen»

Es gebe keinen «Dissens» unter den Mitarbeitern, sondern «nur eine gesunde Diskussion mit manchmal gegensätzlichen Meinungen über die effektivste Art von Klimaschutzannahmen». Solche Gespräche würden seit der Gründung von South Pole im Jahr 2006 geführt.

Die Recherchen des Reporterpools Source Material, die der NZZ zur Verfügung standen, stützen sich aber nicht nur auf den Brief der Mitarbeiter. Die Journalisten sprachen auch mit ehemaligen South-Pole-Mitarbeitern, die zum Teil deutlich schärfere Kritik übten, als im Brief der Mitarbeiter zu lesen war.

Ein anonymer «Pinguin» – so werden Mitarbeiter von South Pole genannt – wetterte zum Teil auch gegen den Gründer und Chef Renat Heuberger, dessen «Kommunikation nur noch peinlich» sei. Source Material stützt sich bei seinen Recherchen auch auf Dokumente, die nahelegen, dass South Pole in den vergangenen Jahren Geschäftsbeziehungen zu grossen Ölkonzernen unterhielt.

Namen wie Total Energies, Chevron, Shell, Gazprom und Aramco aus Saudi-Arabien werden genannt. Diese Deals seien aber der Öffentlichkeit vorenthalten worden, zitiert Source Material einen anonymen Pinguin. South Pole habe mit den Firmen jeweils Geheimhaltungsvereinbarungen getroffen. Das Unternehmen wies die Vorwürfe zurück und sprach von einer «gängigen Praxis» bei Beratungsgeschäften.

«Aus dem Zusammenhang gerissen»

Reymond kritisiert die Vermischung des Briefes, der Teil der offenen internen Kommunikation ist, mit Recherchen, die auf Aussagen von Einzelpersonen beruhen. Dadurch werden die Aussagen aus dem «Zusammenhang gerissen». Auf die brisanten Geheimhaltungsvereinbarungen mit den Ölkonzernen geht er in seinem Brief nicht ein.

South Pole beschäftigt 1200 Mitarbeitende in über 30 Ländern und ist weltweit in rund 1000 Klimaprojekten engagiert. Das dadurch eingesparte CO₂ verkauft South Pole in Form von Zertifikaten an seine Kunden. So können Unternehmen ihre eigenen Emissionen kompensieren und sich als klimaneutral ausweisen. Das Geschäft ist lukrativ. South Pole soll mittlerweile mit über einer Milliarde Dollar bewertet sein und kann somit als sogenanntes Einhorn bezeichnet werden.

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