Krieg in der Ukraine
Der Verkauf der Schweizer Munitionsfabrik an den italienischen Waffenkonzern war eines der heikelsten Geschäfte der vergangenen Jahre. Jetzt zeigt sich: Auch nach über einem Jahr Ukraine-Krieg ist Beretta weiterhin in Russland aktiv.
26. Mai 2023 • Beat Schmid

Auch über ein Jahr nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine macht Beretta Geschäfte in Russland. Gemäss der Website des italienischen Waffenkonzerns ist die Firma Russian Eagle LLC mit Sitz in Moskau eine von über 30 Firmen weltweit, die zur Beretta Holding gehören.

Dass die Waffenschmiede weiterhin mit einer Tochterfirma in Russland aktiv ist, zeigt ein auch Eintrag in der Datenbank des KSE Instituts, das auf Daten der Yale University zurückgreift.

Beretta ist ein äusserst verschwiegener Konzern, der sich seit 15 Generation im Besitz der gleichnamigen Familie befindet. Für Journalisten gibt es keine Möglichkeit, Fragen einzureichen. Das bestätigt auch die Firma SwissP Defence AG, die Schweizer Tochtergesellschaft des italienischen Konzerns.
SwissP Defence AG trägt erst seit letztem November diesen Namen. Besser bekannt war das Unternehmen unter der früheren Bezeichnung Ruag Ammotec. Das Unternehmen gehörte bis März 2022 dem bundeseigenen Rüstungskonzern und ist spezialisiert auf die Herstellung von kleinkalibriger Munition für zivile und militärische Zwecke. Es produziert unter anderem hochpräzise Scharfschützenmunition, die als “The Sniper’s Choice” in einschlägigen Waffen-Shops verkauft wird.

SVP wehrte sich bis zum Schluss

Dem Verkauf der eidgenössischen Munitionsfabrik an Beretta ging eine lange und intensive politische Diskussion voraus. Die SVP wehrte sich bis zum Schluss erfolglos gegen den Verkauf. Angesichts des Krieges in der Ukraine sei der Verkauf “völlig verantwortungslos”, schrieb die Partei in einer Medienmitteilung. Die Sicherheit der Schweiz sei dadurch gefährdet.

Für Beretta hingegen war es der grosse Deal. Die Waffenschmiede aus Norditalien konnte die Zahl der Beschäftigten um 2700 Personen auf 6000 nahezu verdoppeln. Der Umsatz kletterte um über 50 Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. “Es sei ein sehr spezieller Moment für meine Familie, die Beretta Holding und die gesamte Gruppe, sagte Pietro Gussalli Beretta, Verwaltungsratspräsident und CEO der Beretta Holding zur Transaktion.

Die Waffenschmiede verkauft nicht nur teure Jagdgewehre und passende Mode, sondern betreibt auch ein wenig transparentes Rüstungsgeschäft mit dem Namen Beretta Defence Technologies (BDT). Dieses stellt ein umfassendes Produktsortiment für Kampftruppen und Spezialeinheiten her. Im Katalog befinden sich spezielle Laserzielvorrichtungen, Nachtsichtgeräte und Zielfernrohre, aber auch Pumpguns, Karabiner und Scharfschützengewehre sowie die passende Munition dazu.

Joint-Venture mit Katar

Heikel ist auch: 2018 ist die BDT ein Joint-Venture mit Barzan Holdings, einem Rüstungskonzern aus Katar, eingegangen. Das Ziel des Gemeinschaftsunternehmens ist es, leichte Hightech-Waffen für die Streitkräfte des Wüstenstaates zu entwickeln und zu produzieren. In einem NZZ-Interview zum Ammotec-Deal schloss Pietro Gussalli Beretta aus, dass Schweizer Munition aus Thun über Italien nach Katar gelangen könnte.

Und wie ist es mit Russland? Gelangt Schweizer Munition über das weltweite Beretta-Netzwerk in das kriegsführende Land? SwissP Defence schreibt in einer Stellungnahme: “Als international tätiger Hersteller von Kleinkalibermunition und Anbieter weiterer Produkte für Verteidigung, Jagd und Sport nimmt SwissP Defence AG ihre Verantwortung wahr.”

Das Unternehmen halte sich im “internationalen Handel an die Vorschriften der nationalen Exportkontroll-, Zoll- und Steuerbehörden und die internationalen Abkommen und Vorschriften”. Darunter sei unter anderem “die Einhaltung der Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine”, schreibt das Unternehmen weiter und verweist an das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), das für die Sanktionen zuständig ist.

Eine Seco-Sprecherin sagt, dass ein Export von Schweizer Munition – selbst für den Jagd- und Schiesssport – gemäss Verordnung über Massnahmen im Zusammenhang mit der Situation in der Ukraine “nicht mehr möglich” ist.

Beretta selbst erklärte vor über einem Jahr in italienischen Medien, dass die "Fabbrica d'Armi 'Pietro Beretta' zivile Jagd- und Sportschützenwaffen in Russland ausschliesslich über die russische Tochtergesellschaft Russian Eagle verkauft". Das Unternehmen pflege langjährige Beziehungen zu den dortigen Sportverbänden. Der Umsatz betrage knapp über 1 Million Euro. Nachprüfen lässt sich das nicht, da Beretta keine Geschäftsberichte veröffentlicht.