Unbequeme Wahrheiten
Balz Bruppacher über die Rettung der CS, die scheinheilige Kritik an der Finma und die Folgen des Schweizer Finanzplatzes, der erneut vor der Gretchenfrage steht.
23. März 2023 • Balz Bruppacher

Der Blick auf das Podium der denkwürdigen Medienkonferenz vom vergangenen Sonntagabend in Bern liess eigentlich keine Fragen offen, wer beim Aus für die Credit Suisse (CS) die Weichen stellte. Neben zwei Bankern sassen fünf Männer und Frauen, die alle die Behörden vertraten.

Ob die Übernahme der CS durch die UBS ein Bail-out war, wie er seit der grossen Finanzkrise als ordnungspolitischer Sündenfall verpönt ist, ist ein Streit um Kaisers Bart. Denn klar ist entgegen allen Beteuerungen von Bundesrat, Nationalbank und Bankenlobby, dass es sich um eine Staatslösung handelte.

Ohne Staat wäre gar nichts gegangen. Zu hoffen bleibt, dass die finanziellen Risiken, die Bund und Nationalbank eingegangen sind, tatsächlich «überschaubar» bleiben, wie dies die Finanzministerin versicherte.

Rettungsschirm war schon im letzten Herbst ein Thema im Bundesrat

Hilflos muten zudem die Versuche an, den USA beziehungsweise den dortigen Bankkrisen oder gar den sogenannten sozialen Medien die Schuld für den Untergang der CS anzulasten. Wer das Geschehen auf dem hiesigen Finanzplatz auch nur oberflächlich verfolgt, weiss, dass die Credit Suisse das Debakel vor allem selbst verschuldet hat. Beziehungsweise es zu lange versäumte, das Steuer wirklich herumzureissen.

Das sah offensichtlich im letzten Herbst auch der Bundesrat so. Wie Karin Keller-Sutter am Sonntag einräumte, erwog die Landesregierung damals, also noch unter ihrem Amtsvorgänger Ueli Maurer, einen Rettungsschirm für systemrelevante Banken mit Liquiditätsproblemen einzuführen. Dieser sogenannte “public liquidity backstop”, der es der Notenbank erlaubt, Liquiditätsspritzen mit Bundesgarantien zu verabreichen, wurde jetzt per Notrecht eingeführt.

Der Bundesrat sah im letzten Oktober, als die CS mit massiven Abflüssen von Kundengeldern konfrontiert war, jedoch davon ab. Denn man befürchtete – so Nationalbankpräsident Thomas Jordan –, dass ein solcher Schritt erst recht destabilisierend gewirkt hätte.

Scheinheilige Kritik an der Finma

Eine unbequeme Wahrheit fördert der CS-Untergang sodann bei der Bankenregulierung zutage: Die mit grossem Aufwand und unter Mitwirkung von Topleuten aus Behörden und Branche erlassene Too-Big-To-Fail-Gesetzgebung (TBTF) konnte es nicht verhindern, dass 15 Jahre nach der Rettung der UBS auch die zweite Grossbank mit Staatshilfe vor dem Konkurs gerettet werden musste.

Dass eine Bank trotz ausreichenden Eigenkapital- und Liquiditätspolstern in eine Vertrauenskrise gerät, die einen zerstörerischen Bank-Run auslöst, war in den TBTF-Szenarien nicht vorgesehen. Wie immer bei grösseren Unfällen auf dem Finanzplatz kommt auch jetzt die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) ins Visier der Kritiker.

Wer die Aufsicht für das Versagen der Credit Suisse mitverantwortlich macht, macht es sich allerdings zu leicht. Zumal, wenn es die gleichen Kreise sind, die in der Politik dafür gesorgt haben, die Befugnisse der Finma einzuschränken, und die die Aufsicht mit der Wettbewerbsförderung verwechseln.

Für die Stärkung und Unabhängigkeit der Finma zu sorgen, wäre auch eine vornehme Aufgabe für das Eidgenössische Finanzdepartement, das sich in der Ära Maurer vor allem durch Promotion der Fintech-Branche und Ankündigungen zur Nachhaltigkeit auszeichnete.

Finanzplatz erneut vor der Gretchenfrage

Bei der Regulierung muss die Schweiz dafür sorgen, dass sie mit den internationalen Standards Schritt hält und keine neuen Angriffsflächen bietet. Stichwort: Unterstellung der Beratungsbranche unter die Geldwäscherei-Sorgfaltspflichten sowie Transparenz über die wirtschaftlich Berechtigten und den Rohstoffhandel.

Wenn nun neue Strategiepapiere produziert werden, geht es auch um die Gretchenfrage. Der Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann hielt schon nach der UBS-Krise in einem Gutachten fest: “Es ist eine Illusion zu glauben, die Schweiz könne weiterhin über einen internationalen Finanzplatz verfügen, ohne mit den dazugehörenden Risiken zu leben.” Fehler im Investmentbanking oder in der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung könnten jederzeit enorme Schäden anrichten.

Die Alternative wäre ein ganz auf Sicherheit ausgelegter Finanzplatz, der das Investmentbanking und die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung unattraktiv macht. “Wer diesen Weg wählt, muss aber auch bereit sein, eine starke Schrumpfung des schweizerischen Finanzplatzes und einen Verlust an internationalem Ansehen in Kauf zu nehmen”, gab Straumann zu bedenken.

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