Credit Suisse
Joanne Hannaford, Chefin des riesigen Maschinenraums bei der Grossbank, gibt erstmals Auskunft über ihre Arbeit und macht grosse Ankündigungen.
24. Mai 2022 • Beat Schmid

Sie ist eine der vielen neuen Gesichter bei der Credit Suisse: Die Britin Joanne Hannaford, die seit Anfang Jahr Chief Technology und Operations Officer bei der Grossbank ist. Sie gehört der Konzernleitung an und ist verantwortlich für das Funktionieren der Prozesse, die im riesigen Maschinenraum der Grossbank abgewickelt werden. Jetzt äusserst sie sich erstmals zu ihrem Job, sie gab im Fachmagazin “The Banker” (Artikel kostenpflichtig) ein Interview.

Hannaford spricht von einem “mehrjährigen digitalen Transformationsprogramm”, das die Bank gestartet habe. Bei dem Vorhaben gehe es darum, die “Kosten zu senken”, die “Effizienz zu erhöhen” und “agile Workflow-Techniken” einzuführen, sagte Hannaford. Dazu hat sich sie sich ihr eigenes Konzept zurechtgelegt: Innovationsprozesse sollen innerhalb einer übergeordneten Strategie angestossen werden, wie sie sagt. Die Strategie bestehe aus drei Elementen: vereinfachen, festigen und ins Wachstum investieren. Im Engineering gehe es vor allem ums Vereinfachen und um Komplexität zu reduzieren.

Die letzten Wochen habe sie damit zugebracht, in die Organisation reinzuhören, um herauszufinden, wie sie “das Beste aus den Ingenieurinnen und Ingenieuren herausholen” und die “besten Talente gewinnen” könne. Der nächste Schritt habe darin bestanden, “agile” Entwicklungsabläufe einzuführen, die laut Hannaford Voraussetzung sind, damit Innovation in einem Unternehmen überhaupt möglich ist. "Agilität” sei für sie etwas “ganz natürliches” – es sei die Idee, grosse Probleme in kleine Einheiten aufzutrennen, und diese schnell und zuverlässig zu lösen.

Agilität ist das grosse Schlagwort

Agilität ist eines der ganz grossen Schlagwörter, die in der IT-Industrie seit Jahren dominieren. Hochkonjunktur hat der Begriff auch bei der UBS. Bei der Konkurrentin scheint der Begriff Agilität, der aus den Tiefen der Informatik kommt, längst die gesamte Organisation zu durchdringen. CEO Ralph Hamers sprach Anfang April von sogenannten Agile Delivery Organisations. Bei der Einführung dieser ADOs schaffte er gleich auch die tradierten Hierarchien ab. Titel wie Managing Director fielen der ADO-Doktrin zum Opfer.

Wenn Hannaford sich durchzusetzen weiss, wird sie bei der Credit Suisse einiges in Bewegung setzen können. Konzernchef Thomas Gottstein, der bisher wenig Affinität für IT-Themen zeigte, ist mit anderen Problemen beschäftigt. Er dürfte Hannaford kaum ins Handwerk pfuschen. Auch Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann eilt nicht der Ruf eines Google-Bankers nach.

IT-Karriere bei Goldman Sachs gemacht

Die 52-jährige Britin verbrachte ihre gesamte Karriere im Banken-IT-Umfeld; die letzten 25 Jahre arbeitete sie in verschiedenen Rollen bei der Investmentbank Goldman Sachs. Zuletzt war sie Co-Leiterin Platform Engineering, Leiterin Engineering der EMEA-Region sowie Chefin des Bereichs Regulatory Engineering. Bei Goldman Sachs werde einem die Bedeutung der Technologie buchstäblich eingeimpft, sagt sie. Man müsse ständig auf veränderte Gegebenheit reagieren können, weil Technologien in ständigem Wandel seien. Bei der Bank lerne man, aus Fehlern zu lernen.

Ob sich bei der Credit Suisse alles so umsetzen lässt, wie sie sich das vorstellt, ist eine andere Frage. Die Realitäten in der Bank sind schwierig – Agilität hin oder her. Geld für teure IT-Abenteuer dürfte kaum vorhanden sein. Vielmehr wird die Bank in den nächsten Monaten vor allem auf die Kosten schauen müssen. Diese aus dem System herauszuputzen, ist eine Knochenarbeit. Mit wohlklingenden Formeln lassen sich keine Einsparungen aus dem Hut zaubern.

Ein Kernproblem der CS ist, dass ihre Informatik zu gross ist für die generierten Umsätze. Während die Erträge schrumpfen, gehen bei der Grossbank die Kosten in hoch. Die CS ist wie ein Grossbauer, der sich allmählich zum Kleinbauern verzwergt. Während die Anbauflächen schwinden, bleibt der Hof bei seiner Grösse – mit all den damit verbunden Unterhaltskosten.

Ein Problem ist auch, dass die IT in den letzten Jahren massiv aufgewertet wurde, von 2,5 Milliarden auf 8 Milliarden Franken per Ende 2021. Das machte es Hannaford ebenfalls nicht einfacher, alte Zöpfe abzuschneiden.

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