Umstrittener Verkauf
Der italienische Waffenkonzern will Ruag Ammotec kaufen. Deren Chef Pietro Gussalli Beretta verspricht: Es sei ausgeschlossen, dass Schweizer Patronen in einen umstrittenen Wüstenstaat geliefert werden.
21. Februar 2022 • Beat Schmid

Anfang Februar berichtete Tippinpoint über die den Verkauf der Ruag-Munitionsfabrik. Gemäss Recherchen sind vier Offerten für Ruag Ammotec beim Schweizer Technologie- und Rüstungskonzern eingegangen, der sich im Besitz der Eidgenossenschaft befindet. Neben der italienischen Beretta sind das Nammo aus Norwegen und die beiden tschechischen Industrie- und Waffenkonzerne Czechoslovak Group und CZ Group.

Übers Wochenende hat sich der italienische Beretta-Konzern als Interessent zu erkennen gegeben. Pietro Gussalli Beretta, der Chef der gleichnamigen Holding, bestätigte gegenüber der NZZ seine Kaufabsichten. «Wir haben die Waffen, die Ruag die Munition. Überlappungen der Geschäfte gibt es keine.»

Damit will er Bedenken zerstreuen, dass ein Käufer die Produktion aus der Schweiz in ein anderes Land verlagern könnte. Es sei im eigenen Interesse von Beretta, die Produktionsstätten in der Schweiz und Deutschland langfristig aufrechtzuerhalten, wenn der Deal zustande komme, sagte er. Auch wolle man die Geschäftsbeziehungen zur Schweizer Armee in der heutigen Form fortsetzen und sie weiter beliefern. Einen Anlass für eine Neuausrichtung der Ruag Ammotec sieht Beretta nicht.

Verwaltungsrat soll möglichst in Schweizer Hand bleiben

Das Unternehmen sei kerngesund und gut geführt. «Erhalten wir den Zuschlag, werden wir frühzeitig sicherstellen, dass Management und Verwaltungsrat des Unternehmens möglichst in Schweizer Hand bleiben.»

Wachstumspotenzial für die heutige Ammotec sieht Beretta vor allem in den USA. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren im Sport- und Jagdwaffengeschäft seine Präsenz im amerikanischen Markt verstärkt. «Wir sind überzeugt, dass wir damit auch Ammotec neue Geschäftsfelder erschliessen könnten.» Davon würden laut dem Italiener nicht zuletzt die Produktionsstandorte in der Schweiz und Deutschland profitieren.

Der italienische Rüstungskonzern verkauft aber nicht nur Waffen und Jagdmode an private Kunden. Die Geschäftseinheit Beretta Defence Technologies (BDT) liefert auch Hightech-Waffen, Optik und Zubehör für Militär- und Polizeikräfte. Vor vier Jahren ist BDT ein Joint-Venture mit Barzan Holdings eingegangen, einem Rüstungskonzern aus Katar. Ziel des Vorhabens ist es, die Streitkräfte des Wüstenstaates mit Hightech-Waffen auszurüsten. Könnte damit bald Schweizer Munition in einem Staat landen, der die Menschenrechte verletzt?

Umstrittenes Joint-Venture mit Katar

Pietro Beretta verneint gegenüber der NZZ. «Es ist ausgeschlossen, dass Munition der Ammotec nach Katar geliefert wird.» Das Joint-Venture mit Katar sei vom italienischen Staat offiziell genehmigt worden. Dies geschah vor dem Hintergrund eines militärischen Abkommens zwischen den beiden Staaten. Durch ein Gemeinschaftsunternehmen mit der deutschen Rheinmetall, ebenfalls durch die deutsche Regierung bestätigt, sei die Munitionslieferung nach Katar bereits sichergestellt, meinte Beretta.

Wie gut stehen die Chancen für Beretta, den Zuschlag zu erhalten? Ausschlaggebend dürfte sein, wie der Bund das Joint-Venture von BDT mit Katar gewichtet. Der Bund muss sich fragen, ob er seine Munitionsfabrik an ein Unternehmen verkaufen soll, dass mit Katar enge Geschäfte betreibt, mit einem Staat, dem wiederholt Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierungen vorgeworfen werden.

Über Beretta, die sich seit der Gründung 1526 in Familienbesitz befindet, gibt es kaum öffentlich zugängliche Informationen. Geschäftsberichte sucht man vergebens. Nachhaltigkeitsberichte publiziert Unternehmen zwar, doch diese haben den Informationsgehalt von Imagebroschüren. Auf das umstrittene Joint-Venture mit Katar wird darin nicht eingegangen.

Der Bund dürfte bereits in den nächsten Wochen über den Verkauf entscheiden. Der Preis liegt bei etwa 350 bis 400 Millionen Franken.