Colm Kelleher hatte den Schweizer Bankenplatz schon länger im Visier als bisher bekannt. Wie Recherchen ergaben, war der irischstämmige Wall-Street-Banker bereits im Jahr 2020 für einen Spitzenjob in der Schweiz im Gespräch. Über die Headhunter-Firma Egon Zehnder wurde er für den Verwaltungsrat der Credit Suisse angefragt.
Als Nachfolger von Urs Rohner sollte der Morgan-Stanley-Banker den Posten des Präsidenten im obersten Führungsgremium der Bank übernehmen. Kelleher haben den Topjob gewollt, doch der Nominationsausschuss des Verwaltungsrats entschied sich für António Horta Osório, wie mit den Vorgängen vertraute Quellen sagen. Am 1. Dezember 2020 wurde Osório als neuer Präsident bekannt gegeben, im Frühling 2021 dann ins Amt gewählt.
Ein Hinderungsgrund war, dass Kelleher zu diesem Zeitpunkt nicht offiziell in die Schweiz übersiedeln wollte. Dies sei für die Finma und den Verwaltungsrat eine unabdingbare Voraussetzung gewesen, sagt eine Auskunftsperson. Kelleher hatte damals seinen Lebensmittelpunkt in London. Der Journalist Duncan Mavin erwähnt in seinem letzte Woche erschienenen Buch «Meltdown», dass Colm Kelleher der Favorit verschiedener CS-Verwaltungsräte gewesen sei. Ein Sprecher der UBS lehnte eine Stellungnahme ab.
Dass sich Kelleher für den Spitzenjob bei der CS interessierte, kann als Zeichen gewertet werden, dass er damals an die Zukunftsfähigkeit der Bank geglaubt hatte, sonst hätte er sich kaum für den Posten beworben. Dies wiederum lässt seine heutigen, zum teil vernichtenden Aussagen zum Zustand der gescheiterten Grossbank in einem anderen Licht erscheinen.
In einem Interview mit dem «SonntagsBlick» sagte Kelleher vor wenigen Wochen: «Seit 2015 war für mich offensichtlich, dass die Credit Suisse als eigenständiges Unternehmen nicht mehr überlebensfähig sein wird. Ihre Zukunft lag damals in meinen Augen in der Fusion mit einer anderen Bank.»
Tatsächlich war die Grossbank damals kein Sanierungsfall. Der Aktienkurs der Credit Suisse entwickelte sich besser als derjenige der europäischen Konkurrenz, auch derjenige der UBS. Die Bank kam besser durch die Corona-Krise als die meisten anderen, operativ ging es aufwärts. Im Dezember 2020 erhöhte die Ratingagentur Moody’s das Kreditrating der Credit Suisse. Zu behaupten, die Bank sei schon 2015 «offensichtlich» nicht mehr «überlebensfähig» gewesen, ist nicht nachvollziehbar.
Auf der Liste von Egon Zehnder
Colm Kellehers Name blieb auf der Kandidatenliste von Egon Zehnder. Als der Headhunter kurz darauf von der UBS den Auftrag erhielt, einen Nachfolger für Axel Weber zu suchen, war der Morgan-Stanley-Banker schnell wieder im Gespräch. Am 20. November 2021 wurde Kelleher als neuer Verwaltungsratspräsident der UBS bekannt gegeben. Gewählt wurde er im April 2022.
Sein Vorgänger Axel Weber soll bei der Verpflichtung Kellehers und der heiklen Wohnsitzfrage deutlich geschickter vorgegangen sein als seine Kollegen bei der CS, sagt eine Quelle. Weber soll Kelleher gesagt haben, er könne sein Appartement in London ruhig behalten. Offiziell müsse er seine Schriften zwar nach Zürich verlegen. Aber er könne weiterhin 40 bis 50 Prozent seiner Zeit in England verbringen. Weber selbst würde dasselbe mit Bonn machen, wo er ein Haus besitzt.
Spätestens mit der Übernahme der CS dürfte Colm Kelleher mehr Zeit in Zürich verbringen, als ihm vielleicht lieb ist.