Digital Assets Briefing
Schweizer Krypto-Experten schätzen den ersten bankbasierten Dach-Hedgefonds für Kryptowährungen ein. Ein solches Produkt sei für gewisse Anleger zwar sinnvoll, sagt Rino Borini. Doch er hat auch grosse Bedenken. Ebenfalls im Briefing diese Woche: Warum es eher weniger als mehr Bitcoins geben wird und wieso in der Cold-Wallet-Szene gerade die Emotionen hochgehen.
19. Mai 2023 • Werner Grundlehner

Diese Woche im Digital Assets Briefing: Die Genfer Privatbank Syz hat in dieser Woche die Lancierung eines Krypto-Anlageprodukts bekannt gegeben. Der SyzCrest Digital Uncorrelated setzt auf eine "Allwetter-Strategie" im Kryptobereich. Werner Grundlehner hat sich mit Schweizer Krypto-Experten über das neue Produkt unterhalten.

Und den Short Cuts diese Woche:
• Werden dereinst 21 Millionen Bitcoins im Umlauf sein? – Nein, deutlich weniger.
• Der beliebteste Wallet-Hersteller sorgt für Zoff in der Bitcoin-Gemeinde



Brauchen Krypto-Anleger Instrumente aus der "alten" Finanzwelt – etwa einen Krypto Dachfonds?

Die Genfer Privatbank Syz hat in dieser Woche die Lancierung eines Krypto-Anlageprodukts bekannt gegeben. Der SyzCrest Digital Uncorrelated setzt auf eine "Allwetter-Strategie" im Kryptobereich. Also egal ob Bären- oder Bullenmarkt, der Hedge Fund soll eine positive Rendite abwerfen – zwischen 5 und 10 Prozent in einer Baisse und 35 Prozent und mehr in einer Hausse. Die Strategie nutzt gemäss Syz-Pressemitteilung dazu die Volatilität, Fragmentierung und Ineffizienzen dieser neu entstehenden Anlageklasse. Die Genfer Bank arbeitet dafür mit dem Hongkonger Krypto-Managers CMCC Global zusammen.

Schon seit Jahren ermöglichen Finanzdienstleister mit der Integration von Krypto-Anlagen in traditionelle Finanzprodukte dem Durchschnittsanleger einen erleichterten Einstieg in den Krypto-Bereich. Doch diese Produkte widersprechen der Grundidee von Bitcoin & Co. als dezentral organisiertes, transparentes, aber anonymes und günstiges Netzwerk. Gerade ein Hedge-Dachfonds, der selbst wieder "nur" in andere Hedgefonds investiert, setzt auf zahlreiche zentralisierte Intermediäre, ist wenig transparent und generiert auf verschiedenen Ebenen Gebühren.

Die Hedgefonds-Branche hat in den vergangenen Jahren viel Renommee eingebüsst, da es ihr über Jahre hinweg betrachtet nicht gelang, wie versprochen, einen marktneutralen Ertrag zu erwirtschaften. Im vergangenen Jahr – in dem Aktien- und Obligationenmärkte markante Verluste verzeichneten – fuhr auch die mittlerweile 3800 Milliarden Dollar schwere Branche gemäss Analysehaus Hedge Fund Research (HFR) ein Minus von 4,25 Prozent ein.

Der einzige Weg für Institutionelle

Wie schätzen nun Experten aus dem Krypto-Bereich den Krypto-Dachfonds von Syz ein? "Ein regulierter Rahmen, wie beispielsweise eine Fondshülle, ist durchaus sinnvoll, da für viele institutionelle Anleger das schon fast eine Bedingung ist", sagt Fintech- und Kryptoexperte Rino Borini. Insbesondere bei Krypto-Investments, die bei vielen Institutionellen zu den Alternativen Anlagen zählten, sind Krypto-Engagements erst durch diversifizierte Fondslösungen möglich. Dass es möglich ist, Kryptowährungen durch traditionelle Finanzprodukte dem breiten Markt zur Verfügung zu stellen, hat Vontobel bereits 2016 mit ihren Bitcoin-Tracker-Zertifikate gezeigt.

"Die Relevanz solcher Produkte nimmt jedoch kontinuierlich ab, da immer mehr Banken ihren Kunden den direkten Handel und die Verwahrung von Bitcoin anbieten, was den Bedarf an kostspieligen Finanzprodukten reduziert", fügt Borinin an. Er möge komplexe Konstrukte nicht, und in der Vergangenheit habe man immer wieder gesehen, dass selbst Finanzanbieter von komplexeren Produkten überfordert sein können, wenn es mal "brenzlig" werde. Kunden erwarten heute einfache, klare Finanzprodukte, insbesondere bei einer jungen Anlageklasse wie Krypto-Assets.

Fehler der Vergangenheit werden wiederholt

Borini bezweifelt, ob die Kunden dieses Konstrukt mit Basiswerten wie Krypto-Assets verstehen. "Ich finde es schade, dass man die Fehler der Vergangenheit nun auch bei den Kryptos macht", fügt er an. Die Branche müsse Vertrauen schaffen und das gehe nach seiner Ansicht mit einfachen Produkten und ohne Renditeversprechen. Borini sagt: "Ich bin gespannt, wie viel Rendite im Dachfonds hängen bleibt, wenn wir einen starken Bullenmarkt erleben, was bei Krypto-Assets dann schnell einen hohen zweistelligen Renditezuwachs bedeutet". Er befürwortet einfache Produkte: Bei Krypto entweder Direktinvestments, so hat man keine Abhängigkeiten, oder sonst klar verständliche Produkte mit etablierten Mechanismen.

"Kryptoanlagen in traditionelle Strukturen zu packen und anzubieten, hat den Vorteil, dass die Distribution einfacher wird", ergänzt ein Vermögensverwalter für digitale Anlagen. Aber je mehr Layer in einer Anlagestruktur enthalten seien, desto mehr Gebühren würden entstehen, weil jede Struktur koste, sowohl von den involvierten Parteien als auch durch die Abwicklung. "Die versteckten Kosten kennen wir generell von strukturierten Produkten. In einer Hausse fällt das nicht so auf, aber im Tal der Tränen dafür umso mehr", fügt der Vermögensverwalter an. Dies könnte sich mit der fortlaufenden Automatisierung ändern, da sei aber nicht zu erwarten.

"Die Idee hinter Krypto ist, dass man sich für volle Transparenz und Kontrolle über die Vermögenswerte entscheiden kann. Je mehr Layer desto höher das Risiko, vor allem wenn dann am Ende die Coins bei Anbietern wie BlockFI, Celsius, etc. landen", sagt ein Berater für Blockchain-Lösungen. Seiner Meinung nach fahren die Kunden mit einem direkten Investment in Bitcoin – mit Self-Custody oder Verwahrung durch eine Bank – besser. "Die mögliche Rendite ist weiterhin hoch und das Risiko viel geringer als bei einem mehrfach geschichteten Fonds, der auch mit Altcoins handelt".

Einschränkungen bei der Performance

Die ambitionierten Renditeziele von Syz werden von den Experten als erreichbar eingeschätzt – jedoch mit Einschränkungen. "Die Rendite mag machbar sein, bis dann wegen den hohen Counterparty-Risiken und dem Spekulieren mit Altcoins Ausfälle wie bei FTX, Celsius und Luna auftreten", sagt der Blockchain-Berater. "Ich sehe nicht in den Maschinenraum und kann die Renditeziele nicht beurteilen", sagt Borini. Renditeversprechen seien immer so eine Sache. Man habe in der Vergangenheit gesehen, was mit Absolut-Return Produkten passiert sei. Das Versprechen wurde oft nicht erfüllt.

Die "heissen" Renditen funktionieren gemäss Borini in den ersten Jahren, danach sei oft das Thema gesättigt und das Renditeversprechen geschmolzen. "Die Datenreihen von Krypto-Assets sind noch kurz. Bitcoin kann auf 14 Jahre zurückgreifen, Altcoins auf maximal 7. Die meisten Coins und Tokens jedoch auf drei bis vier Jahre. Ob das für eine sogenannte "Allwetter-Strategie" reicht, fragt sich der Fintech- und Krypto-Experte.

Das Bankhaus Syz hat im Dezember des vergangenen Jahres für ihre Kunden ein Krypto-Angebot gestartet. Die Gruppe offeriert ihren Kunden seither hochsichere Verwahrungs- und Handelsdienstleistungen für Kryptowährungen an. Die Befragten haben die Genfer Bank bisher in der "Community" nicht wahrgenommen. Er kenne das Produktangebot nicht im Detail und könne auch nicht den Wissensstand bei Syz beurteilen, sagt Borini. "Ich gehe aber davon aus, dass ein renommiertes Haus wie Syz kein Trittbrettfahrer ist". Aber "way to go!" – einen Namen im Kryptobereich müsse sie sich das Institut erst noch aufbauen. Da gebe es andere Finanzinstitute, die schon seit mehreren Jahren aktiv sind.

"Meiner Meinung nach ist es nicht sonderlich seriös von einer Bank, Altcoins zu verpacken und zu verkaufen, egal ob mit oder ohne Trading Strategie", fasst der Blockchain-Berater zusammen. Solange die amerikanische Börsenaufsicht SEC nicht Klarheit geschaffen habe, sei die Chance gross, dass alle Kryptowährungen, ausser der Bitcoin, als Wertschriften eingestuft werden, was deren Preis stark negativ beeinflussen würde.




Short cuts: News aus der digitalen Welt

Werden dereinst 21 Millionen Bitcoins im Umlauf sein? – Nein, deutlich weniger

Es ist ein prägendes Merkmal der "Ur-Kryptowährung"-Bitcoin – und ein Instrument, die den Coin gegen Inflation schützen soll. Der maximale Umlauf von Bitcoin ist auf 21 Millionen limitiert. Das im Gegensatz zum konventionellen Fiat-Geldsystem, welches es Notenbanken oder Regierungen ermöglicht, Geld zu drucken und eine Inflation auszulösen. Der limitierte Umlauf ist auch ein Grund dafür, dass der Bitcoin "digitales Gold" genannt wird. Wie beim Edelmetall besteht auch beim Coin ein begrenztes Angebot und er kann nicht "künstlich" hergestellt werden.

Neue Bitcoin kommen ins System, wenn Miner durch das Lösen von mathematischen Problemen neue Blöcke in der Blockchain hinzufügen. Das passiert zirka alle 10 Minuten. Jeder Block enthält eine Belohnung in Form von neuen Bitcoins, die an den Miner ausgegeben wird, der den Block erfolgreich hinzugefügt hat. Ende April 2023 waren bereits 19,4 Millionen Bitcoin ausgegeben. Der Mining-Prozess verlangsamt sich jedoch stets. Laut Prognose wird der letzte neue Bitcoin 2140 "geprägt". Die Belohnung für die Miner wird alle vier Jahre durch ein sogenanntes Halving reduziert. Aktuell beträgt der Ertrag für das Mining 6,25 Bitcoin pro Block. Das nächste Halving findet im April 2024 statt. Die bisherigen Halving führten jeweils zu einer Kursrally im Bitcoin.

Doch 21 Millionen Bitcoins werden nie im Umlauf sein. Bereits sind viele Coins durch technisches und menschliches Versagen oder Hacker für immer verloren gegangen. Branchenkenner rechnen mit rund 17,5 Millionen Coins, die schlussendlich genutzt werden. Weil Pannen, die dazu führen, dass die privaten Key vergessen oder gelöscht werden, auch zukünftig vorkommen werden, weist der Bitcoin ein deflationäres Verhalten auf.

Geht der Private Key etwa durch eine Panne im Speichermedium verloren, ist der Bitcoin unwiderruflich verloren. Die Wallets lassen sich auf der Blockchain aber noch beobachten, ohne dass sie genutzt werden könnten. So gab es in den vergangenen Wochen Bewegungen auf Wallets, die seit 2014 inaktiv waren. Besonders beobachtet wird das "Satoshi-Wallet". Das sind jedoch mehrere Wallets, die dem vermeintlichen Bitcoin-Erfinder Satoshi Nakamoto zugeordnet werden können. Die Wahrscheinlichkeit ist jedoch gross, dass es weitere unbekannte Satoshi-Wallets gibt. Auf den bekannten Wallets sind Eingänge zu beobachten, etwa Spenden von dankbaren Bitcoin-Nutzern, aber noch nie Abgänge.

Mehr Infos zu Mining

Wer ist Satoshi?




Der beliebteste Wallet-Hersteller erzürnt die Bitcoin-Gemeinde

Ledger, der französische Produzent des meistgenutzten Cold-Wallets, wollte den Anwendern helfen, den gravierendsten und weit verbreiteten Fehler zu vermeiden. Aber statt Lob zu ernten, versetzte Ledger die Bitcoin-Community in Aufruhr. Was ist geschehen?

Ledger Recover, vergleichbar mit einem externen Laufwerk, hat eine neue Wallet-Funktion angekündigt. Die Kernfunktion dieses Sicherheits-Features ist es, die Seedphrase, also den geheimen Sicherheitsschlüssel zu den eigenen Kryptowährungen, in drei Teile aufzusplitten und diese verschlüsselt in einer Cloud zu speichern. Schon viele Investoren haben ihre Krypto-Guthaben verloren, weil diese Schlüssel (Private Keys) verloren gingen.

Doch die Weitergabe dieses Keys ist in der Bitcoin-Community verpönt. "Not your Keys, not your Coins" ist einer der obersten Glaubenssätze. Auch ein zweiter Grundsatz, der Bitcoinern wichtig ist, wird mit der neuen Ledger Recovery kompromittiert: die Privatsphäre. Denn um Ledger Recovery zu aktivieren, muss man seine Identität nachweisen, wie das Unternehmen auf seiner Homepage erklärt.

Hat das Unternehmen komplett den Kundenfokus verloren? Nur halb so wild. Ledger CEO, Pascal Gauthier, weisst auf Twitter darauf hin, dass der scharf kritisierte Dienst optional sei. Dem französischen Unternehmen gehe es vielmehr darum, Ledger massentauglich zu machen. Der CEO geht von 100 Millionen künftigen Nutzern aus, denen der Sprung in die Bitcoin-Welt durch den neuen Service einfacher gemacht werden soll.

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