Grosse Betroffenheit, geringe Umsetzungsbereitschaft
Die obersten Führungskräfte von Schweizer Unternehmen sind sich einig, dass der Klimawandel real ist und spürbar negative Auswirkungen auf ihr Geschäft haben wird. Doch bei der Einführung von wirksamem Massnahmen sind sie zögerlicher als ihre Kolleginnen und Kollegen im Ausland, wie eine Studie von Deloitte ergab.
24. Januar 2022 • red.

Die obersten Führungskräfte von Schweizer Unternehmen sind sich einig, dass der Klimawandel real ist und spürbar negative Auswirkungen auf ihr Geschäft haben wird. Doch bei der Einführung von wirksamem Massnahmen hapert es, wie eine Studie von Deloitte ergab.

Deloitte hat in der Studie über 2000 Geschäftsleitungsmitglieder in 21 Ländern befragt, wie sie die Auswirkungen des Klimawandels einschätzen und darauf reagieren. 79 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Welt in Klimafragen heute an einem Wendepunkt steht. Bei Schweizer Führungskräften liegt dieser Wert bei 89 Prozent. Sogar 91 Prozent Befragten sind der Meinung, dass sich die Welt in einem Zustand des globalen Klimanotstands (global climate emergency) befindet.

Sofort handeln, um die «schlimmsten Effekte» abzufedern

Weil sie das so sehen, müsse sofort gehandelt werden, um die «schlimmsten Effekte» des Klimawandels abzufedern. Die Geschäftsleitungsmitglieder von Schweizer Unternehmen zeigen sich ausserdem deutlich kritischer, was die Folgen des Klimawandels angeht, als ihre Kolleginnen und Kollegen in anderen Märkten: Für 60 Prozent hat der Klimawandel bereits irreparable Schäden verursacht – im weltweiten Durchschnitt teilen nur 35 Prozent diese Haltung.

Der grösste Druck, die Anstrengungen gegen den Klimawandel zu verstärken, spüren die Befragte vom Verwaltungsrat. Weniger stark spürbar sei der Druck von den Aktionären und der Kundschaft, heisst es in der Studie. In der Schweiz erst an vierter Stelle kommt die Politik. Dieser Befund steht im starken Kontrast zum Rest der Welt. Dort stehen die Regierungen an erster Stelle. Interessanterweise geben die Befragten in der Schweiz der eigenen Regierung die besseren Noten für ihren Kampf gegen den Klimawandel (Schweiz 76 %, global 37 %).

So alarmiert die Schweizer Chefinnen und Chefs sind, so zurückhaltend sind sie bei der Umsetzung von Massnahmen. Am deutlichsten ist der Abstand bei der Entwicklung von neuen, klimafreundlichen Produkten und bei der Kopplung der Vergütung der Geschäftsleitung an konkrete Nachhaltigkeitsziele (Schweiz 23 %, global 37 %).

«Unsere Studie lässt vermuten, dass sich viele Schweizer Unternehmen vor allem um Nachhaltigkeit bemühen, weil sie um ihre Reputation fürchten» – Marcel Meyer, Deloitte

Gerade beim letzten Punkt haben viele Schweizer Unternehmen Nachholbedarf, sagt Marcel Meyer, Leiter der Abteilung für Nachhaltigkeitsdienstleistungen bei Deloitte. «Wer etwas bewegen will, muss wissen, wo der Hebel am grössten ist», sagt er. Dazu gehöre neben der Vergütung vor allem die Durchsetzung von Nachhaltigkeitskriterien bei Lieferanten und Partnern, der Einbezug von Klimaüberlegungen in die Lobbyarbeit, ein Fokus auf die Entwicklung klimafreundlicher Produkte und Dienstleistungen.

Und noch auf einen wunden Punkt weist die Studie hin. Schweizer Geschäftsleitungsmitglieder sehen ihre Nachhaltigkeitsbemühungen vor allem als grossen Imagegewinn für das Unternehmen und sehen Vorteile für die eigene Belegschaft und bei der Rekrutierung von Talenten. «Unsere Studie lässt vermuten, dass sich viele Schweizer Unternehmen vor allem um Nachhaltigkeit bemühen, weil sie um ihre Reputation fürchten. Das ist eine bedenkliche Tendenz, denn der Klimaschutz dient ihrem ureigensten Interesse, nämlich der langfristigen Werterhaltung und -steigerung ihres Unternehmens», sagt Marcel Meyer von Deloitte.