Kein «Viability Event»
Die Richter stützen rund 3000 Gläubiger, die viel Geld mit der Kraftloserklärung von AT1-Anleihen verloren hatten. Die UBS-Aktien tauchten um 2 Prozent.
14. Oktober 2025 • Beat Schmid

Das Bundesverwaltungsgericht (BVGer) hat im Zusammenhang mit dem umstrittenen AT1-Abschreiber einen Teilentscheid gefällt, der es in sich hat – und die UBS-Aktien am Dienstag auf Talfahrt schickte. Das Gericht kommt zum Schluss, dass die im März 2023 durchgesetzte Abschreibung von AT1-Kapitalinstrumenten der Credit Suisse keine Rechtsgrundlage hatte. Es hat deshalb die entsprechende Verfügung der Finma von damals aufgehoben.

Wie das Gericht feststellt, würden sich AT1-Anleihen dadurch auszeichnen, dass sie bei Eintritt eines vertraglich vordefinierten Ereignisses («Viability Event», siehe unten) durch die emittierende Bank abgeschrieben werden können. Die Richter gelangen nun aber zum Schluss, dass «die Voraussetzungen für eine Abschreibung nicht vorlagen, weil im Abschreibungszeitpunkt der vertragliche Viability Event nicht eingetreten war: Die CS war zum fraglichen Zeitpunkt hinreichend kapitalisiert und erfüllte die regulatorischen Eigenmittelanforderungen.» AT1 steht für Additional Tier 1. Es ist Fremdkapital, das als zusätzlicher Puffer zum Kernkapital (CET1) dient.

Der Abschreiber von total 16,5 Milliarden Franken wurde in den hektischen Stunden am Wochenende des 19. März besiegelt. Die Vernichtung der Schuld war zentrales Element im «Massnahmenpaket», das zwischen Finanzdepartement, Finma, Nationalbank sowie den Banken UBS und Credit Suisse ausgehandelt wurde. Ohne das dadurch zusätzlich generierte Eigenkapital hätte die UBS die gegroundete Bank möglicherweise nicht übernommen. Der Abschreiber war eine Voraussetzung für den Deal.

3000 Beschwerdeführende

Die Gläubiger, die einen Totalverlust erlitten hatten, argumentieren, dass weder eine vertragliche noch eine gesetzliche Grundlage für die Abschreibung der AT1-Anleihen vorgelegen habe. Wie das Gericht schreibt, hätten die Finma und die UBS dagegen «im Wesentlichen» die Legitimation zur Beschwerdeführung bestritten und sich auf den Standpunkt gestellt, dass am 19. März 2023 die vertraglichen Voraussetzungen für eine Abschreibung der AT1-Anleihen erfüllt gewesen seien.

Insgesamt haben gegen die Verfügung rund 3000 Beschwerdeführende in rund 360 Verfahren Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht erhoben. Der Entscheid kann vor dem Bundesgericht angefochten werden. So schnell werden die AT1-Gläubiger also noch nicht entschädigt. Zudem hat das Gericht über die sogenannte Rückabwicklung des Milliarden-Write-downs noch gar nicht entschieden. Die anderen Verfahren bleiben so lange sistiert, bis ein rechtskräftiger Entscheid des Bundesgerichts über die Aufhebung der Verfügung vorliegt. Die Aktien der UBS haben am Dienstag nachgegeben. Sie schlossen zwei Prozent im Minus.

Viability Event – was ist das?

Viability Event – so stand es in den AT1-Prospekten der Credit Suisse: «Das Eintreten eines Viability Events und einer daraus resultierenden Abschreibung unterliegt unter anderem einer subjektiven Entscheidung der Aufsichtsbehörde (…). Infolgedessen kann die Aufsichtsbehörde Massnahmen verlangen und/oder die Bundesregierung kann Massnahmen ergreifen, die zum Eintreten einer Abschreibung unter Umständen beitragen, die ausserhalb der Kontrolle der CS liegen und mit denen die CS nicht einverstanden ist.»

Die Aufsichtsbehörde kann eine Abschreibung durchsetzen, wenn sie feststellt, dass «übliche Massnahmen zur Verbesserung der Kapitaladäquanz der CS zu diesem Zeitpunkt unzureichend oder nicht durchführbar sind». Diese Abschreibung ist eine «wesentliche Voraussetzung, um zu verhindern, dass die CS zahlungsunfähig wird, in Konkurs geht oder nicht in der Lage ist, einen wesentlichen Teil ihrer Schulden bei Fälligkeit zu begleichen oder ihre Geschäftstätigkeit einzustellen».

Tatsächlich steht in den Unterlagen nichts, dass ein AT1-Totalabschreiber zur Finanzierung einer Transaktion durchgesetzt werden kann.

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