Untergang der Credit Suisse
Die Unternehmen haben gegenüber den Banken an Verhandlungsmacht verloren, sagt Blaise Goetschin, der fast ein Vierteljahrhundert lang die Genfer KB geleitet hat.
9. April 2024 • Beat Schmid

Vor gut einem Jahr wurde die Credit Suisse von der UBS übernommen. Die Folgen der Fusion für die Wirtschaft sind noch nicht absehbar. Kritische Worte kommen nun von einem Westschweizer Banker. Die Schweizer Wirtschaft habe noch nicht realisiert, was sie verloren habe, sagt Blaise Goetschin, der im März zurückgetretene Chef der Genfer Kantonalbank (BCGE), in einem Interview mit der NZZ (Abo).

«Die zwei Grossbanken waren komplementär, dank ihrer Konkurrenz entstanden bessere, kreativere Lösungen», sagt er. Der Wegfall der CS habe sich auch auf das Preisgefüge ausgewirkt. Die Unternehmen hätten gegenüber den Banken «an Verhandlungsmacht verloren». In der Export- oder der Infrastrukturfinanzierung sei die CS führend gewesen – «sie war williger, solche Geschäfte anzubieten, und sogar kompetenter als die Konkurrenz», sagt Goetschin.

Zudem habe der Ruf der Schweiz international gelitten. Die Kunden der BCGE in Asien oder im Nahen Osten hätten nie erwartet, dass eine Institution, die die Schweiz im Namen trage, so schnell untergehen könne, sagt der Banker, der die Westschweizer Kantonalbank nach dem Konkurs 1999 saniert und wieder auf Erfolgskurs gebracht hat. Heute ist die BCGE eine der besten Bankaktien der Schweiz. In den letzten 12 Monaten ist der Kurs um 57 Prozent gestiegen.

Für Goetschin ist klar, dass die Kantonalbanken die entstandene Lücke nicht oder nur teilweise füllen können. Einerseits werde die UBS versuchen, Geschäft zu übernehmen. Andererseits seien auch Raiffeisen und ausländische Banken an gewissen Geschäften interessiert. Letztere zum Beispiel an der Finanzierung des globalen Rohstoffhandels. Der BCGE-Chef kann das beurteilen, denn auch seine Bank ist stark im Rohstoffhandel engagiert.

Ein Fan militärischer Führungsprinzipien

Der heute 66-Jährige will sich noch nicht in ein gemütliches Rentnerdasein verabschieden. Er werde sicher «nicht nur fischen gehen», sagt er. Er sei in Gesprächen und wolle in der Schweizer Wirtschaft aktiv bleiben, sagt er im NZZ-Interview, das sich teilweise wie ein Bewerbungsgespräch für ein Verwaltungsratsmandat liest.

Ob ihm seine Vorliebe für einen militärischen Führungsstil helfen wird, ein lukratives Mandat in einem auf Diversität getrimmten Verwaltungsrat zu ergattern? «Als Offizier habe ich vom Militär gelernt, resilienter zu sein», sagt er. Charisma und Kommunikation seien wichtig. Er habe seine Kader an die Militärische Kaderschule in Luzern geschickt, um einen einheitlichen Führungsstil zu entwickeln. Viele hätten keinen Militärdienst absolviert, die Franzosen, die Frauen, aber auch viele Schweizer Männer. «Das hat mir geholfen, das mittlere Kader zu strukturieren und zu einen.»

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