Heikles Mandat
Sabina Furler hat ein Mandat erhalten, den Zürcher Kulturtempel zu durchleuchten. Doch von wem der Auftrag kommt, ist nicht klar.
6. Mai 2022 • Beat Schmid

Dem Kulturhaus stehen erneut turbulente Wochen bevor. Nachdem alle fünf Verwaltungsrätinnen sich nicht mehr zur Wiederwahl stellen, ist die Zukunft des Kosmos völlig unklar. Gestern ging der Filmemacher Samir in die Offensive. “Er sei geschockt und überrascht gewesen”, als er vom Rücktritt erfahren habe, sagte er “Tages-Anzeiger”. Das Kosmos brauche jetzt Aufbruchstimmung statt negative Schlagzeilen.

Es “stimme so nicht”, dass seine umstrittene Verwaltungsratskandidatur der Grund für den Eklat gewesen sei. Nach dem Rücktritt einer Verwaltungsrätin habe er sich für den Sitz “beworben” – in Übereinstimmung mit einer Gruppe von “Hauptaktionären”. Diese habe den “Wunsch” geäussert, im Gremium vertreten zu sein, um die Kommunikation “zu verbessern”. Doch der Verwaltungsrat wollte das nicht. “Mein Fehler war offenbar, dass ich mich für den Verwaltungsrat beworben habe”, sagte er im Interview (Artikel kostenpflichtig).

“Ultimativ und nicht verhandelbar”

Gemäss Recherchen war das Vorgehen der Aktionsärsgruppe um Samir Jamal-Aldin, wie der Filmemacher mit ganzen Namen heisst, anders als darstellt. Die Gruppe habe Samirs Kandidatur “ultimativ und als nicht verhandelbar” eingefordert, wie kontaktierte Aktionäre bestätigen und auch Aktionär Steff Fischer im Tages-Anzeiger sagte.

Den Kandidatenvorschlag des Verwaltungsrats habe die oppositionelle Gruppe abgelehnt. Zudem haben die Aktionäre den Rücktritt von Tina Candrian, die für den Gastrobereich zuständig ist, aus dem Verwaltungsrat verlangt. Für die bekannte Gastronomin hatte die Gruppe eine Sprengkandidatin in Erwägung gezogen, die sich aber wieder zurückzog. Es gehe ihm um Macht, kritisierte Aktionär Steff Fischer im Tagi.

Die Aktionäre um Samir Jamal-Aldin und Ruedi Gerber haben zudem mit einer Beratungsfirma ein Governance-Projekt angestossen. Wie Recherchen ergeben haben, handelt es dabei um “Experts for Leaders” von drei ehemaligen Führungskräften aus dem Detailhandel- und Finanzumfeld. Das Mandat führt Ex-Beldona-Chefin Sabina Furler.

Letzten Freitag verschickte Furler eine “vertrauliche Kurzinformation für die Aktionär:innen und Geschäftsleitung”, die Tippinpoint vorliegt. Darin wird Zweck, Ziel und Vorgehen des “Projekts Governance” beschrieben. “Bevor neue Personen zur Wahl in den zukünftigen Verwaltungsrat vorgeschlagen werden, soll die Gelegenheit genutzt werden”, um die aktuelle Governance zu prüfen und die Organisation fit für die Zukunft zu machen. Dabei sollen die Interessen der “massgeblichen” Aktionärinnen und Aktionäre genauso gewahrt werden wie jene der operativ verantwortlichen Personen.

Furlers brisante Vorgehensweise

Ziel des “Projekts Governance” sei die Evaluation einer geeigneten zukünftigen Governance für das Kulturunternehmen. “Am Ende des Projekts soll klar sein, welche Gremien geschaffen werden und welche Rollen und Verantwortlichkeiten den einzelnen Gremien zukommen. Furler erwähnt dabei einen “Aktionärsausschuss” und einen “Beirat”, der möglicherweise zu bilden wäre.

Brisant ist die Vorgehensweise. So will Furler nicht nur mit einzelnen Aktionären “Einzelgespräche” führen, sondern auch mit der Geschäftsleitung. Letzteres ist heikel, da Furler dazu keinen Auftrag vom Verwaltungsrat hat. Nur dieser wäre befugt, solche Gespräche anzustossen. Zudem will Furler “idealerweise” nur mit Aktionären Gespräche führen, die mehr als fünf Prozent der Aktien halten. Um eine solche Beteiligung zu besitzen, braucht es Aktien im Wert von mindestens 400’000 Franken. Etliche kleinere Kosmos-Aktionäre fühlen sich dadurch nicht ernst genommen.

Pikant ist, dass Sabina Furler eng vernetzt ist mit Grossaktionär Ruedi Gerber, der zur Gruppe von Samir gehört. Die sass bis vor kurzem im Verwaltungsrat der Cinefile AG, einer Streamingplattform für Arthouse-Filme, die von ihrem Bruder gegründet wurde und deren Hauptaktionär gemäss Informationen aus Insiderkreisen Gerber ist.

Daher stellt sich die Frage, ob Furler die nötige Unabhängigkeit besitzt, um im Vorfeld der Generalversammlung, die per Ende Mai stattfinden wird, Gespräche mit allen Grossaktionären zu führen. Zumal, und das ist entscheidend, die Kandidatur von Samir auf wackeligen Beinen steht, da bei weitem nicht alle Grossaktionäre hinter ihm stehen.

Neue Fronten, die quer durch früher befreundete Lager gehen

Grossaktionäre, mit denen sich Samir vor zwei Jahren überwarf, sind zwar nicht mehr dabei. Dafür haben sich inzwischen neue Fronten gebildet, die quer durch früher befreundete Lager gehen. Aktionär Steff Fischer schrieb gestern auf Facebook, dass er ein Schreiben von einer Beratungsfirma erhalte habe, die Samir offenbar unterstützen solle. "Für was, bleibt mir schleierhaft. So geht das meines Erachtens nicht", schrieb er. Auch Verleger und Kabarettist Patrick Frey, vor zwei Jahren mit Samir einer der Köpfe der Aktion Reclaim Kosmos, steht nicht mehr zu 100 Prozent hinter dem Filmemacher.

Sabina Furler und Samir Jamal-Aldin waren für eine Stellungnahme nicht erreichbar.

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