Heute befindet sich die Tezos-Stiftung in ruhigen Fahrwassern. Doch die Geburtswehen haben die Tezos-Blockchain, der Fachleute anfangs zutrauten, eines der dominierenden Protokolle unter den Kryptowährungen zu werden, weit zurückgeworfen. Aktuell kann sich Tezos mit Platz 92 noch knapp unter den gemessen an der Marktkapitalisierung grössten 100-Kryptowährungen halten. Über die vergangenen Jahre hat Tezos kontinuierlich an Gewicht verloren und erreicht heute noch einen Wert von 630 Millionen Dollar.
Fachleute sprachen Tezos, einer Layer-2-Blockchain auch wegen des basisdemokratischen Aufbaus ursprünglich viel Potenzial zu – etwa für die Tokenisierung von Vermögenswerten oder NFT. Ein Blockchain-Experte meinte jüngst, Tezos habe viel Terrain eingebüsst, der Aufbau der Blockchain erscheine ihm zu komplex. Das könnte mit einem Entwicklungsrückstand zu tun haben, denn über einige Monate in einer wichtigen Entwicklungsphase stand rund um Tezos alles still.
Der Sündenbock leidet
Im Jahr 2017 steht die Tezos-Stiftung vor einer Zerreissprobe, Investoren bangen um Hunderte Millionen und der gerade erst lancierte Blockchain-Hub «CryptoValley» fürchtet einen gravierenden Imageschaden. Im Auge des Sturms steht vor sieben Jahren Johann Gevers, Stiftungspräsident der Tezos-Stiftung, die am 21. März 2017 gegründet worden war. Als Gevers knapp ein Jahr später das Präsidium abgibt, beruhigt sich die Lage innerhalb von Stunden. Das Crypto-Valley geht erleichtert zum Tagesgeschäft über und ist froh, dass Gevers die Rolle des Sündenbocks zugeschoben werden kann.
Das ist einfach, weil Gevers in Absprache mit seinen Anwälten wegen der Auseinandersetzung mit den anderen Firmengründern nichts öffentlich sagen soll. Doch die Strategie «alles zu ignorieren» fällt dem ehemaligen Stiftungsratspräsidenten schwer, der ins Visier einer globalen Community geraten ist. Gevers hat mit Zusammenbrüchen und einem Burn-out zu kämpfen. Für ihn gab es im Crypto-Valley keine Zukunft. Gespräche mit zahlreichen Beteiligten zeigen jedoch, dass die Tezos-Krise nicht Gevers-Verschulden ist, sondern das Resultat von falschen Annahmen, persönlicher Überschätzung sowie unerwarteten Entwicklungen war – und zum Schluss von Geldgier und Intrigen.
Johann Gevers, ein grossgewachsener Mann, heller Teint, rote Haare und Wurzeln in Südafrika und Kanada, lernt das Ehepaar Arthur und Kathleen Breitman an einer Krypto-Konferenz im Jahr 2014 kennen. Arthur Breitman und Gevers teilen die gleiche urlibertäre Haltung und fantasieren dabei auch mal über eine Staatsgründung. Der «Serien-Unternehmer» Gevers erkennt nach eigenen Angaben schnell, dass die Tezos-Blockchain der Breitsmans Potenzial habe. «Ihr müsst ins Krypto-Valley kommen, wenn Ihr das Projekt durchziehen wollt», bietet er den Amerikanern an.
Arthur Breitman will aber sein Projekt in den Vereinigten Staaten realisieren. Dort stossen die Tezos-Gründer jedoch auf wenig Gegenliebe und finden keine Geschäftspartner. Obwohl das US-Ehepaar gutbezahlten Beschäftigungen nachgeht – Arthur bei Goldman Sachs und anderen Investmentbanken; Kathleen beim weltgrössten Hedge Fund Bridgewater – verbrennt die erfolglose Kampagne für Tezos in den Vereinigten Staaten alle ihre Mittel. Nach dem Scheitern in der Heimat, meldet sich Breitmann dann im Februar 2016 doch bei Gevers in Zug und meint nun: Das Projekt im Crypto Valley durchzuziehen sei eine «tolle Idee». Weil die finanzielle Lage des Ehepaars angespannt ist, lassen sich die Amerikaner für Wochen in der Wohnung von Gevers in Zug nieder.
Ein Pionier des Crypto Valleys
Gevers habe eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Crypto Valleys gespielt und viele ausländische Investoren mit «come to Switzerland» überzeugt, sagt ein Unternehmer aus Zug. Gevers arbeitete dafür eng mit der Wirtschaftsförderung des Kantons Zug zusammen. Unbestritten ist, dass Gevers ein Visionär, ein Macher – aber auch eine schwierige Persönlichkeit – ist. «Wirklich gemocht hat Gevers im Crypto Valley niemand», fügt der Unternehmer an. Auch die unternehmerische Bilanz ist wenig brillant. In Gevers CV werden 15 Start-ups gelistet. Diese haben nicht abgehoben, auch Monetas, das bekannteste, nicht.
Im Crypto Valley nutzen nun die Tezos-Innovatoren das Netzwerk und die Marketing-Fähigkeiten von Gevers. Dieser machte die Amerikaner mit zahlreichen Krypto-Unternehmern und Geldgebern bekannt. Eine erste Finanzierungsrund kann schnell abgeschlossen werden. Im Aufbauprozess nutzt das klamme Jungunternehmen auch Räumlichkeiten und Ressourcen von Gevers Firma Monetas. Später heisst es, Gevers haben Synergien zwischen den beiden Start-ups nutzen wollen, was nicht funktioniert habe. Der Turbulenzen um Tezos erfassen später auch Monetas. Diese arbeitet an einer kostengünstigen Zahlungstransaktion auch für Kleinstbeträge, ohne dass der User ein Bankkonto besitzt. Vor einigen Jahren sagte Gevers: «Natürlich werde ich wehmütig, wenn ich sehe, dass Libra und andere Projekte genau das versuchen, was bei uns Jahre zuvor bereits lief».
Was die Breitmans nicht schafften, macht nun sein Partner. Gevers «übersetzt» das anspruchsvolle Projekt für Investoren. Gevers kann kondensieren, was bei Tezos anders und wichtig ist im Vergleich zu konkurrierenden Blockchains. «Meine Umschreibungen finden sich auch noch in den Unterlagen, die Tezos heute verwendet», sagt Gevers. Bereits zwei Wochen nach ihrer Ankunft am Zugersee können die Breitmans erklären, das Projekt sei voll ausfinanziert.
Die Einschätzungen für das Ehepaar Breitman sind im Crypto Valley aber nicht gerade schmeichelhaft. «Psychopath» nennt ein Unternehmer Arthur, «stellen Sie sich vor, sie diskutieren mit ihm und er schaut ihnen dabei nie in die Augen». Breitman sei brillant, könne sein Wissen aber nicht weitergeben. «Kein Wunder konnte er seine Geschäftsidee in den USA nicht verkaufen», meint einer, der mit ihm zu tun hatte. Kathleen wird dagegen als «Wettkämpferin» beschrieben, die egal in welcher Disziplin immer gewinnen wolle. Mit der Zeit habe sie zudem eine Aversion gegen alles «Schweizerische» entwickelt.
Das bisher grösste ICO der Welt
Ein ICO (Initial Coin Offering) soll die Mittel für die zukünftige Blockchain-Entwicklung einbringen. Mit derartigen Coin-Emissionen werden zu dieser Zeit gerade zahlreiche Start-ups in der Zugersee-Region mit viel Geld versorgt. Gevers schlägt als Organisatorin des ICO die Anwaltskanzlei MME vor. Die Kanzlei hatte 2012 mit der Ethereum-Stiftung ihr Gesellenstück geliefert. Die Schweizer Stiftung ist nach Ansicht der MME-Anwälte eine gute Lösung, um die Eigentümerstrukturen eines dezentralen Netzwerks ohne Stakeholder zu regeln. Als sich herausstellt, dass das Modell Ethereum funktioniert, stürzen sich die neuen Krypto-Anbieter wie Lemminge auf das Stiftungsmodell. Auch andere Anwaltskanzleien übernahmen das Stiftungsmodell für ICO. Bei der Lancierung von Ethereum kommen Steuerbehörden und die Finanzmarktaufsicht Finma auf MME zu. Die Erkenntnisse fliessen in die «ICO-Guidelines» der Finma und später in den Vorschlag für das neue DLT-Gesetz ein.
Ende Juli 2017 schliesst das Tezos-ICO ab. Unglaubliche 232 Millionen Dollar kommen im bisher weltweit erfolgreichsten ICO zusammen. In der Teezies-Community (jene, die im ICO Coins erwarben) gibt es kaum Schweizer – es sind vor allem Amerikaner und Franzosen. In den kommenden Monaten wächst das Vermögen – die Investoren hatten für die Coins Bitcoin und Ether vergütet – in einem Krypto-Boom auf weit über 1 Milliarde Dollar an. Dieses riesige Vermögen weckt Begehrlichkeiten und Verlustängste. Eine Stiftung, die für ein KMU ausgelegt ist, und deren Protagonisten sich gegenseitig jederzeit blockieren können, ist für ein solches «Grossunternehmen» das falsche Managementtool.
Viele angefragte Persönlichkeiten lehnen das Stiftungspräsidium wegen der Mischung aus US-Unternehmen und Blockchain ab. Breitman, der es nicht für weise hält, sich als Amerikaner zum Präsidenten zu machen, schlägt vor, dass Gevers das Stiftungspräsidium von Tezos übernehmen soll. Das soll nach Ansicht von Breitman nur eine Formalität und keine operative Tätigkeit sein. «Breitmans hatten offensichtlich einen inkompetenten Rechtsberater, der sich mit dem Schweizer Stiftungsrecht nicht auskannte», sagt Daniel Diemers, damals Partner bei der Strategieberatung Strategy& von PWC, heute bei SNGLR Group und Co-Founder der Swiss Metaverse Association.
«Unverständlich ist, wieso der Stiftungsrat für ein derartiges Projekt mit mehreren Hundert Millionen Vermögen und anspruchsvoller operativer Tätigkeit nur drei Mitglieder umfasste», sagt ein Berater aus dem Crypto Valley. Wenn einer abwesend ist – und einer tauchte auch unter – ist das Gremium blockiert. Stiftungen mit diesem Umfang würden normalerweise fünf bis acht Stiftungsräte umfassen.
Gevers ist zu diesem Zeitpunkt bereits mit seinem Start-up Monetas an der persönlichen Belastungsgrenze. Weil Breitman die Stiftungsgebühr nicht zahlen kann, soll Gevers für den Vorschuss des Geldes Coins aus dem ICO mit einem Rabatt erhalten. «Auf diese warte ich heute noch.» Gevers versucht über Jahre erfolglos, den Vorschuss über 50’000 Franken für die Stiftungsgründung und die versprochenen Coins einzutreiben. Für das Amt des Stiftungspräsidenten habe er kein Entgelt erhalten, während die Breitmans Millionen gemacht hätten. Man dürfe ihn aber nicht falsch verstehen. Er glaube nicht, dass die Breitmans «schlechte Menschen» seien, es habe einfach grundlegende Missverständnisse gegeben.
Eine Stiftung ist kein Trust
Das amerikanische Ehepaar glaubt mit der Tezos-Stiftung einen Trust im angelsächsischen Rechtsverständnis gegründet zu haben. Doch eine Schweizer Stiftung ist rechtlich nicht mit einem Trust zu vergleichen. In einer Stiftung nach Schweizer Recht hat der Stiftungspräsident, wenn er einmal eingesetzt ist, fast unbeschränkte Macht und kann nicht abgesetzt werden. Die Stiftung ist nach der Gründung völlig losgelöst vom Gründer. Im Trust nach angelsächsischem Recht setzt der Gründer dagegen einen Trustee ein, der die Stiftung verwaltet, bei Bedarf aber ausgewechselt werden kann.
Als weitere Stiftungsräte werden Diego Ponz und Guido Schmitz-Krummacher an Bord geholt. Letzterer war in einer Managementgesellschaft aus dem Umfeld von MME beschäftigt. Nach Angaben von Schmitz-Krummacher unterhält die Kanzlei ein Geflecht von Krypto-Dienstleistern, die Unternehmen managen, Verwaltungsräte vermitteln sowie Steuerberatungen anbieten. Diese Gesellschaften halten sich gegenseitig Aufträge zu. «MME gründete Blockchain-Stiftungen in Zug nach Schema X», sagt Schmitz-Krummacher. Das Modell baut auf einen Stiftungspräsidenten mit zwei Stimmrechten (Entscheidungsstimme) und zwei Stimmungsräten. MME hätte sich durch das Stiftungsmodell eine goldene Nase verdient, sagt man in Zug hinter vorgehaltener Hand. Während viele Investoren, die sich an ICO beteiligten, Verluste einfuhren.
MME ist eine technische Anwaltskanzlei, die Recht als Funktion versteht. Im Fall Tezos habe man eindeutig die humanen Interferenzen unterschätzt, heisst es von der Kanzlei. Eine Stiftungsleitung ist ein «Schönwetter-Gremium», darauf ausgelegt, das Stiftungsvermögen über die Jahre dem Stiftungszweck entsprechend zu verteilen. Die Besetzung mit drei Personen im Stiftungsrat ist das absolute Minimum. MME plädiert für fünf Stiftungsräte. Aber Tezos will die günstigste Lösung, das Geld ist knapp und man wusste noch nicht, dass Hunderte von Millionen zusammenkommen.
Gevers wird zum Sonnenkönig
Gevers gefällt sich in der Rolle des «Sonnenkönigs», der das grösste ICO der Welt realisiert hat, erzählt eine Person aus dem Umfeld des ICO. Gevers verfügt auch über die «Keys» und damit über die Möglichkeit, über die Mittel zu verfügen. Die Breitmans sind nach dem äusserst erfolgreichen ICO und der «Geldvermehrung» durch die eingenommenen Krypto-Währungen erstaunt und entsetzt, dass sie gemäss Stiftungsreglement keinerlei Zugriff auf diese Mittel haben. Das amerikanische Ehepaar sieht sich seines Traums beraubt und beginnt zu lobbyieren und spricht dafür auch bei der US-Regierung vor. Weil auch ein Vertrag besteht, wonach die Tezos-Stiftung zu gegebener Zeit die Firma der Breitmans samt geistigen Eigentum übernehmen werde, haben Breitmans Gevers im Verdacht, er wolle die Krise aussitzen, um die Kontrolle über das Gesamtprojekt zu erlangen.
Der Streit zwischen Gründer Arthur Breitman, der für die Software zuständig ist, und Johann Gevers, als Stiftungspräsident und Verwalter des eingenommenen Kapitals, eskaliert. Das Kapital ist blockiert, die Fertigstellung der Blockchain-Plattform verzögerte sich und damit auch die Lancierung des Tezzie-Tokens, der beim ICO versprochen worden war. Insbesondere die vielen amerikanischen Investoren sehen ihre Anlagen bedroht und überhäufen das Start-up mit Klagen. Gevers ist in mehreren Sammelklagen angeklagt, wird aber mehrfach vom Richter entlastet. Es gab in keinem Punkt ein Schuldeingeständnis. Aber die Geschichte entwickelte ein Eigenleben und wie der Angelsachse sagt: «Uncertainity is worse than bad news».
Als das Projekt nach dem ICO nicht wie erwartet vorankommt, schiessen sich die Medien auf Tezos ein – vor allem Gevers ist im Visier. Die Breitmans füttern die angelsächsischen Medien mit Informationen. Das löst eine Flut von oft einseitigen Artikeln aus. So kommt es zu grossen Texten der Nachrichtenagentur Reuters und im «Wallstreet Journal». Es taucht ein Papier auf, das von der «Tezos Community» verfasst ist, deren Autoren sich als Entwickler, Vordenker und Investoren bezeichnen. Der Schweizer Finanzbranchen-Online-Dienst «finews» bezeichnet das Ganze als Rufmord-Kampagne.
Die Community droht im Papier auch dem Standort Zug: der Name des Crypto Valley könne schon bald als «Klepto Valley» bekannt werden. Als Beweis für die Unfähigkeit wird das Scheitern von Gevers Start-up Monetas angeführt. Im eine auf Reddit geposteten Dossier unter dem Namen «The True History of Johann Gevers» werden vermeintliche Fehler des in Ungnade gefallenen Stiftungspräsidenten aufgelistet. Auch das Stiftungsratsmitglied Guido Schmitz-Krummacher wird heftig kritisiert, weil er Gevers nicht zum Rücktritt bewegen kann.
Nachhaltig meinungsbildend wird aber vor allem ein mehrseitiger Artikel im anerkannten Tech-Magazin «Wired» - «Inside the Crypto World’s Biggest Scandal». Ein Branchenvertreter erinnert sich an den mehrwöchigen Aufenthalt des Wired-Journalisten in der Region Zug: «Wir versuchten vor allem die Anti-Crypto-Valley-Stimmung im Bericht etwas abzudämpfen.» Auch die «Schweiz Aversion» von Kathleen Breitman sei in dieser Zeit immer latenter geworden. Sie wird in besagtem Artikel mehrfach zitiert und teilt gegen Tezos und die Schweizer Behörden kräftig aus.
Vermittlungsversuche scheitern
Der Stiftungsrat Schmitz-Krummacher beobachtet das Geschehen aus Distanz. Aus seiner Sicht funktioniert der Stiftungsrat. Er kommuniziert mit Gevers und Ponz per E-Mail. Diese Beschaulichkeit wird durch ein Telefon von Arthur Breitman zerstört: «Unterschreibe auf keinen Fall die Papiere, welche Dir Johann Gevers vorlegen wird». Schmitz-Krummacher merkt, dass er in ein toxisches Umfeld geraten und es zu schwerwiegenden Differenzen zwischen Breitman und Gevers gekommen ist. Er arrangierte er in der Zürcher Anwaltskanzlei Baker McKenzie ein Treffen aller Parteien, um die Wogen zu glätten.
Als Schmitz-Krummacher die Kanzlei verlässt, ist er der Überzeugung, dass seine Vermittlung Früchte getragen habe. Dieses Gefühl hält zwei Wochen. Dann erhielten die Schmitz-Krummacher und Ponz ein fast fünfzigseitiges Dokument, dass vor allem Beschuldigungen gegen Gevers enthält – darunter etwa, dass er Gelder veruntreut habe, das operative Geschäft vernachlässige und die Geschäfte von Monetas und Tezos zu vermischen versuche, um sein angeschlagenes Start-up Monetas zu retten.
Zahlreiche Überprüfungen
Der Stiftungsrat hat aber nie einen Hinweis gesehen, dass Gevers die Tätigkeiten der beiden Unternehmen vermischt hätte. Tezos nutzt zwar die Räumlichkeiten von Monetas. Da ist es kein Wunder, dass sich die Mitarbeiter begegneten. In einer rudimentären Prüfung wird festgestellt, dass die Fiat-Währungen vollumfänglich vorhanden sind. Ein anschliessendes Audit durch ein Prüfungsunternehmen stellte das Gleiche für die Krypto-Bestände fest. «Um gegen jegliche Kritik gefeit zu sein, hätte man eines der grossen Revisionshäuser beauftragen müssen», meint ein Beobachter. Der Stiftungsrat hat aber «nur» ein lokales Unternehmen eingesetzt. Eine Anwaltskanzlei geht gleichzeitig alle Verträge und Geschäftsunterlagen durch und findet ebenfalls keine Unregelmässigkeiten. Das Ehepaar Breitman bleibt bei seiner Forderung, Gevers müsse gehen. «Tezos hat wegen Gevers keinen direkten Schaden erlitten», sagt Schmitz-Krummacher. Abzuschätzen, was die Verzögerung der Investitionen gekostet hat, ist ein schwieriges und subjektives Unterfangen.
Für den Stiftungsrat ist klar, dass er sich ans Reglement halten muss und das ausser Alter und Unzurechnungsfähigkeit nur «wichtige Gründe» für die Absetzung des Präsidenten vorgesehen sind und lehnt eine Absetzung von Gevers mit Blick auf den Ruf der Rechtssicherheit im Crypto-Valley ab. Es gibt dafür auch keine rechtliche Handhabe. Dafür sorgt der Aufbau des Stiftungsrats. Gevers hätte mit seiner Entscheidungsstimme jeden Entscheid der anderen beiden Stiftungsräte blockieren können.
Psychoterror gegen Stiftungsrat
Schmitz-Krummacher wird zu einem Treffen mit den Breitmans eingeladen, wo ihm zuerst ein Zuschuss von 1,5 Millionen Dollar für eine Klage gegen Gevers angeboten wird. Als er das ablehnt, verlieren die Breitmans völlig die Contenance und drohten neben üblen Beschimpfungen auch mit einer Klage von «Hunderten von Millionen» gegen den Stiftungsrat. Schmitz-Krummacher lässt sich nicht beirren. Er sorgt dafür, dass der Schlüssel zu den Krypto-Währungen von Tezos in einen Banksafe gelegt werden, zu dem Gevers und er nur gemeinsam Zugriff haben. Bisher lag die Verfügungsgewalt – und das Verlustrisiko – allein bei Gevers.
Doch die Arbeit bringt Schmitz-Krummacher ans Limit. Das Belastendste ist in dieser Zeit nicht der hohe Arbeitsaufwand, sondern die Angriffe denen er sich auf Social Media und in Artikeln ausgesetzt sieht. Diese lauteten unter anderem: Er habe versagt, Gever zu entlassen, er habe Mitarbeiter belästigt (er hatte gar keine Mitarbeiter). Mitten in der Nacht ruft ihn Arthur Breitman an und droht und beschimpft ihn «ich werde dich in ins Gefängnis bringen». Schmitz-Krummacher entschliesst sich sein Mandat aufzugeben, er hat in den vergangenen Wochen auch gesundheitlich Probleme bekommen.
Nach Versöhnungssitzung die Kapitulation
An der damals erstmals stattfindenden Crypto Finance Conference St. Moritz im Januar 2018 organisieren Vertreter des Crypto Valleys eine Versöhnungssitzung, an der alle Parteien teilnehmen, selbst Bundesrat Johann Schneider-Ammann ist anwesend und hält eine Rede. Die Organisatoren glauben, dass Gevers sich entschuldigen, bedanken und dann zurücktreten wird. Doch sie haben die Persönlichkeit falsch eingeschätzt. Gevers nutzt die Redezeit, um sich als «Musterbeispiel der Good Governance» zu präsentieren.
Johann Gevers wählt lange die Strategie «alles zu ignorieren». Das sei jedoch einfacher gesagt als getan, wenn man ins Visier einer globalen Community gerate, gibt er zu Protokoll. Bald habe er eingesehen, dass es keinen Sinn ergebe, als Stiftungspräsident weiterzumachen, obwohl es vertraglich möglich gewesen wäre, auf unbestimmte Zeit im Amt zu bleiben. Im Februar 2018 kapituliert Gevers und nimmt den Hut. Tezos liegt Gevers weiterhin am Herzen. «Es freut mich, dass das Projekt nun Erfolg hat», sagt er einige Jahre später. Er sei nicht mehr involviert, kriege aber weiterhin zahlreiche Anfragen zum Projekt, die er in der Überzeugung beantworte, dass es ein wichtiges Projekt sei, das es unter die Big Three der Krypto-Währungen schaffen könne. Dieser Traum dürfte sich aber in der Zwischenzeit endgültig zerschlagen haben.