Kehrtwende
Nach über 30 Jahren hat die britische Regierung erstmals wieder ein Kohlebergwerk bewilligt. Sie riskiert damit ihren Ruf als Netto-Null-Vorreiterin.
12. Dezember 2022 • red.

Die britische Regierung hat letzte Woche nach langem Tauziehen das erste Kohlebergwerk nach über 30 Jahren bewilligt – und internationale Kritik auf sich gezogen. Hubert Keller, geschäftsführender Gesellschafter von Lombard Odier, bezeichnete die Entscheidung als “unglücklich”.

Das Projekt Woodhouse Colliery in Whitehaven, Nordwestengland, wird von Umweltpolitikern und Aktivisten seit Jahren heftig kritisiert. Sie sehen darin einen Rückschritt für England, das als eines der ersten Länder ein Netto-Null-Ziel gesetzlich verankert hat.

“Ich kann die beiden Seiten verstehen”, sagte Hubert Keller in einem Interview mit Bloomberg. “Die britische Stahlindustrie braucht Kohle, und es gibt ein Argument dafür, sie vor Ort zu produzieren, statt sie zu importieren. Das Problem ist, dass die britische Regierung sich als Vorreiterin in Sachen Umweltschutz sieht.” Laut Keller sollte die Regierung das Geld besser für die Dekarbonisierung der Stahlindustrie einsetzen.

John Kerry: Mine sendet falsches Signal an die Entwicklungsländer

Der britische “Guardian” berichtete am Samstag, dass der Sonderbeauftragte des US-Präsidenten für das Klima, John Kerry, die Genehmigung der Mine genau prüfe. Er befürchtet, dass die Mine zu einem Anstieg der CO₂-Emissionen führen und ein “falsches Signal” an die Entwicklungsländer senden werde.

In dem Interview sagte Keller, dass die Entscheidung auch Investoren, die langfristig Grossbritannien wollen, zurückschrecken könnten. “Investoren, die sich in Energiewende-Projekte engagieren, brauchen klare Zeichen der Politik. Wenn die britische Regierung jetzt eine Kehrtwende vollzieht, kann man sich fragen, wie sehr man sich noch auf sie verlassen kann”, sagte er.

Hubert Keller wird Anfang 2023 Senior Managing Partner bei Lombard Odier. Er übernimmt dann die Rolle von Patrick Odier, der per Ende Jahr zurücktreten wird.