Wasserknappheit
Die Valuing Water Finance Initiative – bei der auch Schweizer Banken mitmachen – will das Sensorium für die Ressource Wasser schärfen. Im Visier haben sie Grossverbraucher wie Nestlé und Lindt & Sprüngli.
23. August 2022 • Beat Schmid

Wäre jetzt GV-Saison, dann würden aktivistische Aktionärsgruppierungen wahrscheinlich die Sommerdürre in Europa zum grossen Thema machen. Mit Vorstössen würden sie Druck auf Unternehmen machen, ihr Wassermanagement zu verbessern. Ob das Thema nächsten Frühling immer noch aktuell ist, wird sich weisen.

Damit es auf der Agenda bleibt, will eine neue Gruppierung von Investoren sorgen, welche die Valuing Water Finance Initiative ins Leben gerufen hat. Der von der US-Non-Profit-Organisation Ceres vorangetriebenen Initiative haben sich inzwischen 63 Banken, Asset-Manager und Pensionskassen angeschlossen, die total 10 Billionen Dollar verwalten.

Raiffeisen Schweiz ist auch dabei

Neben Playern wie DWS, Fidelity International und CalPERS haben auch Schweizer Banken wie Pictet, Lombard Odier und überraschenderweise Raiffeisen Schweiz ihre Teilnahme zugesagt. Ebenfalls Mitglied ist die Schweizer Ethos Foundation. Zum jetzigen Zeitpunkt nicht dabei sind grosse Finanzinstitute wie die beiden Schweizer Grossbanken oder Blackrock.

Die Valuing Water Finance Initiative zielt auf 72 Lebensmittel-, Getränke-, Technologie- und Bekleidungsunternehmen ab. Sie sollen ihren Wasserverbrauch messen und reduzieren sowie Verschmutzungen verhindern.

Zuoberst auf der Liste der Unternehmen steht der Schweizer Nahrungsmittelmulti Nestlé, gefolgt von Unilever, Mondelez und Kraft Heinz. Lindt & Sprüngli steht ebenfalls weit oben auf der Liste. Andere bekannte Namen sind: McDonalds, Coca-Cola, Heineken, Chiquita, LVMH, H&M, Burberry, Adidas, Apple und Microsoft.

Als Vorbild dient Climate Action 100+

Vorbild der Valuing Water Finance Initiative ist das Netzwerk Climate Action 100+, das auf die Messung und Reduktion von CO₂-Emissionen von Unternehmen abzielt. Diese Initiative wird von 700 Investoren mit verwalteten Vermögen von 68 Billionen Dollar gestützt. Die US-Klimaschutzorganisation Ceres ist Gründungsmitglied beider Organisationen.

Es ist nicht so, dass Wasserrisiken von Unternehmen bisher völlig ignoriert worden wären. Nestlé beispielsweise hat das Thema seit vielen Jahren auf dem Radar. In der Vergangenheit gab es auch immer wieder Investorenkampagnen, die sich vor allem gegen Fast-Food-Ketten richteten.

Unzählige Studien und Schätzungen haben den Einfluss der Ressource Wasser auf Mensch und Wirtschaft untersucht. Die Weltbank schätzt, dass das globale BIP bis 2050 um sechs Prozent schrumpfen könnte, weil der Wasserverteilkampf zunimmt. Die UNO warnt, dass bis 2030 40 Prozent des benötigten Wasserbedarfs nicht mehr gedeckt werden kann.

Das Thema brennt Aktionären unter den Nägeln

Das Thema brennt vielen Aktionären unter den Nägeln. Anfang August unterstützten 63 Prozent der unabhängigen Aktionäre einen Investorenantrag, in dem Tesla aufgefordert wurde, eine Strategie zu entwickeln, den Wasserverbrauch in den Fabriken zu senken. Die Gigafactory in der Nähe von Berlin verbraucht so viel Wasser wie eine Stadt mit 30’000 Einwohnern.

Viele Experten sind überzeugt, dass die Auswirkungen des Klimawandels am stärksten über das Wasser zu spüren sein werden. Wegen des erhöhten Wasserdampfgehalts in der Atmosphäre werde die Wasserverfügbarkeit weniger berechenbar, hiess es bereits 2018 in einem Bericht der Europäischen Umweltagentur. Dies könne in einigen Gebieten zu stärkeren Regenfällen führen, wohingegen in anderen Regionen, insbesondere in den Sommermonaten, stärkere Dürreperioden auftreten könnten.