Zukunft des Kosmos
Die SBB prüfen Bewerbungen. Mit dabei Swisscom mit ihren BlueCinemas und der Grossgastrobetrieb Candrian Catering.
27. Januar 2023 • Beat Schmid

Bald soll klar sein, wie es mit dem Kosmos in Zürich weitergehen soll. Nach der fulminanten Pleite letzten Dezember ist der Betrieb mit Bar, Buchhandlung, Restaurant und Kinosälen geschlossen. Verriegelt durch das Zürcher Konkursamt.

Doch hinter den Kulissen werden längst Pläne geschmiedet, wie es mit dem Kulturbetrieb weitergehen soll. Wie Recherchen ergeben haben, befinden sich die SBB in Verhandlungen mit mehreren Konsortien, die den Kultur- und Gastrobetrieb übernehmen wollen. SBB ist die Besitzerin der Liegenschaft, die sich am westlichen Zipfel der Europaallee befindet, kurz vor der Langstrasse.

Der Standort und die Liegenschaft sind attraktiv. Die SBB haben mindestens die Hälfte des 20 Millionen Franken teuren Innenausbaus mitfinanziert. Die Kinosessel gelten als die bequemsten, weit und breit; in der Küche wurden die teuersten Geräte verbaut. Die SBB haben somit Interesse daran, bald neue Mieter zu finden. Wie mehrere Quellen übereinstimmend berichten, sollen sich mit Swisscom und Candrian Catering zwei Branchenschwergewichte um das Kosmos bemühen.

Swisscom – eine der grössten Kinobetreiberinnen der Schweiz

Swisscom ist mit ihren BlueCinemas (ehemals Kitag) eine der grössten Kinobetreiberinnen der Schweiz. Auf dem Platz Zürich ist das vom Staat kontrollierte Telekomunternehmen mit zwei Dutzend Kinosälen Marktleaderin. Zum Portfolio gehören die Kinos Corso, Capitol, Abaton und Metropol. In den Sälen werden vor allem Hollywood-Produktionen für ein Massenpublikum gespielt.

Candrian Catering ist ein Grossbetrieb mit 45 Restaurants, Bars und Hotels. Das Unternehmen beschäftigt über 1000 Personen in der Schweiz. Die Firma betreibt etwa die Kunsthalle in Basel, die Jules Verne Bar, das Lipp und das Bauschänzli in Zürich. Die Firma ist aber auch in der Systemgastronomie aktiv als Franchisenehmer von Burger King und Nordsee.

Interessant: Mit Tina Candrian sass die Schwester des Candrian-Geschäftsführers bis letzten Frühling im Kosmos-Verwaltungsrat. Dass ihr Bruder nun ein Konzept für das Kosmos vorlegt, dürfte allerdings ohne ihr Wissen oder Mittun geschehen sein. Es ist in der Gastroszene kein Geheimnis, dass die beiden in geschäftlichen Fragen nicht immer gleichen Meinung sind.

SBB: “Die Nachfolgenutzung soll Ähnliches leisten”

Ebenfalls Interesse an den Kinosälen soll die Arthouse Commercio Movie AG haben, die in Zürich fünf Studiokinos und das Restaurant Commercio betreibt. Hinter dem Unternehmen steht der Zürcher Filmer und Banker Hans Syz. Seine Familie besitzt die Privatbank Maerki Baumann, wo er Verwaltungsratspräsident ist, und er ist Filmproduzent und Inhaber der Condor Films. Er gilt als einer der bestvernetzten Unternehmer in Zürich: Er sitzt unter anderem im Vorstand der Tonhalle-Gesellschaft und ist Präsident der einflussreichen Baugarten-Stiftung.

Eine Sprecherin von BlueCinema wollte sich nicht äussern. “Dies kommentieren wir nicht”, sagte sie. Candrian reagierte nicht auf eine Anfrage. Eine Arthouse-Vertreterin war nicht zu erreichen.

Auf Anfrage sagt ein SBB-Sprecher, dass die ehemaligen Kosmos-Flächen “kurz vor Weihnachten” ausgeschrieben wurden. Für die sorgfältige Auswahl des Nachfolgeangebots nehme sich die SBB die “erforderliche Zeit”. “Mit einem Vergabeentscheid rechnen wir frühestens zum Ende des ersten Quartals 2023”, sagt er. Die Europaallee sei heute ein lebendiger Ort. Das sei auch ein Verdienst des Kosmos. Eine Nachfolgenutzung soll “Ähnliches leisten”, schreibt der SBB-Sprecher.

Europaallee wird “weiter gentrifiziert”

Wie eine Quelle berichtet, soll das “Konglomerat” mit Candrian Catering und Swisscom BlueCinema mit “hinreichender Wahrscheinlichkeit” den Zuschlag bekommen. Die Kultur in der Europaallee werde damit “weiter gentrifiziert”, lautet die Befürchtung. Angefragte frühere Kosmos-Engagierte hätten grosse Mühe, sollte das Team Swisscom-Candrian das Rennen machen. “Wenn dieses Konsortium gewinnt, dann erinnert gar nicht mehr an das alte Kosmos”, sagt eine Person. “Das wäre Kommerz pur.”

Nachvollziehbar ist, dass die SBB nach dem unrühmlichen Ende im Dezember keine Experimente mehr eingehen und bei den neuen Mietern auf Nummer sicher gehen will. Kapitalkraft und Erfahrung dürften bei den Erwägungen im Vordergrund stehen.

Allerdings wäre ein Engagement von Swisscom im Kosmos politisch heikel. Als staatlich kontrolliertes Unternehmen könnte es Einfluss nehmen auf Veranstaltungen und politische Debatten, die im Kosmos Tradition haben. Der Bund schreibt der Swisscom vor, die “Grundsätze der Staatsunabhängigkeit der Medien zu beachten”. Bereits mit dem Bluewin-Onlineportal und dem Kinoprogramm wird dieser Grundsatz geritzt. Dieser würde noch weiter ausgehöhlt, wenn Swisscom sich im Kosmos engagiert.