Archegos-Skandal der Credit Suisse
Die Credit Suisse hat bei Archegos vieles falsch gemacht. Und doch kratzen die Untersuchungen der Regulatoren nur an der Oberfläche. Viele Fragen zum Handelsskandal und zum Verhalten der anderen Investmentbanken bleiben unbeantwortet. Hier die wichtigsten fünf.
25. Juli 2023 • Beat Schmid

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen – ein Sprichwort, das der Credit Suisse auf den Leib geschneidert zu sein scheint. Nach dem 5-Milliarden-Handelsflop mit dem Hedgefonds Archegos muss sich die Bank anhören, was sie alles falsch gemacht hat, dass offenbar gar nichts funktioniert hat.

Die Finma packte gestern den verbalen Zweihänder aus. Die inzwischen zur UBS-Tochter degradierte Grossbank habe «schwer und systematisch gegen Finanzmarktrecht verstossen», schreiben die Regulatoren aus Bern.

Bei den Anforderungen an eine angemessene Geschäftsorganisation hätten «gravierende Mängel» bestanden. Die Bank sei nicht in der Lage gewesen, die mit Archegos verbundenen «erheblichen Risiken angemessen zu erfassen, zu begrenzen und zu überwachen». «Damit hat die Bank das bankengesetzliche Organisationserfordernis in schwerer und systematischer Weise verletzt.»

Klar, wer einen Handelsverlust von 5,1 Milliarden Dollar einfährt, hat unverzeihliche Fehler gemacht, die die Finma klar benennt. Und doch zeigt das harsche Urteil der Finma und der anderen involvierten Regulatoren, der FED und der britischen Prudential Regulation Authority, quasi nur die Spitze des Eisbergs.

Viele Fragen bleiben offen. Hier die wichtigsten:

Wie schwer wiegt das Versagen der UBS im Archegos-Skandal?

Die Bank meldete einen Handelsverlust von 774 Millionen Dollar. Doch das stimmt nicht ganz. Da die UBS Archegos einen Kredit von 400 Millionen ausstehend hatte, konnte sie diesen mit dem Handelsverlust verrechnen. Der Handelsverlust beträgt somit brutto knapp 1,2 Milliarden Dollar. Wie bewertet die Finma diesen Verlust? Ist das nicht auch ein viel zu hoher Verlust mit einer einzigen Gegenpartei? Was ist in der Investmentbank der UBS schiefgelaufen? Diesen Fragen ist die Finma nicht nachgegangen. Wir erinnern uns: Der damalige UBS-CEO Oswald Grübel und sein Investmentbanking-Chef traten nach dem Adoboli-Skandal 2011 zurück. Er kostete die Bank 1,8 Milliarden Franken.

Warum sind vor allem Nicht-US-Banken betroffen?

Die grössten Verluste haben die Credit Suisse (5,1 Milliarden Dollar), die japanische Nomura (2,85 Milliarden) und die UBS (brutto 1,2 Milliarden) angehäuft. Die kumulierten Verluste dieser Banken belaufen sich somit auf über 9 Milliarden Dollar. Mit einem Gesamtverlust von rund 10 Milliarden Dollar tragen sie die Hauptlast.

Warum haben andere Banken keine Verluste erlitten?

Andere Investmentbanken, die mit Archegos Geschäfte machten, erlitten praktisch keine Verluste. Goldman Sachs, Morgan Stanley und Wells Fargo trennten sich vor dem Zusammenbruch von Aktienpaketen im Wert von mehreren Milliarden Dollar, um ihr an Archegos verliehenes Geld zurückzubekommen. Auch der Deutschen Bank gelang es, das Archegos-Risiko vor dem Zusammenbruch deutlich zu reduzieren. Warum? Waren sie so viel besser organisiert als die Credit Suisse? Hatten sie die Risiken besser im Griff? Darüber würde man gerne mehr erfahren.

Wurden Goldman & Co. intern gewarnt?

Es gibt Hinweise darauf, dass die Banken, die ungeschoren davonkamen, intern gewarnt wurden. Als der Gründer von Archegos, Bill Hwang, durch Kursverluste in Schwierigkeiten geriet, soll er mehrere Banken um eine Kreditfazilität gebeten haben. Im Rahmen der Due Diligence wurde klar, welche konzentrierten Wetten er eingegangen war. Diese Information war entscheidend, um das mögliche Ausmass der Probleme des Hedgefonds zu erkennen. Es ist möglich, dass diese Information trotz Chinese Walls von den Kreditabteilungen an die Händler weitergegeben wurde. Auffällig ist, dass die Banken, mit denen Archegos nicht über einen Kredit verhandelte, die grössten Verluste erlitten. Auch darüber würde man gerne mehr erfahren.

Warum konnte Bill Hwang unbemerkt riesige Positionen aufbauen?

Der Zusammenbruch von Archegos und die enormen Verluste sind auch auf eine Regulierungslücke zurückzuführen. Wenn ein Investor eine Beteiligung an einem Unternehmen aufbaut, muss er die Höhe der Beteiligung dem Markt melden, nachdem er bestimmte Schwellenwerte überschritten hat. Je nach Markt liegen diese bei 3, 5, 10, 15, 20, 25, 30, 50 Prozent. Archegos ist es gelungen, bedeutende Positionen in Unternehmen wie Discovery und Viacom aufzubauen, ohne dies melden zu müssen. Der Trick: Der Hedgefonds hielt die Aktien synthetisch über sogenannte Total Return Swaps. Effektiv gehalten wurden die Aktien von den Investmentbanken. Sie waren es auch, die die Positionen meldeten. Nur wussten die Banken untereinander nicht, dass sie diese Aktien für ein und denselben Kunden hielten. Dass dies möglich war, ist ein Regulierungsversagen der amerikanischen Börsenaufsicht.

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