Wiederaufbau
Der osteuropäische Staat will die zerschossene Stahlindustrie klimafreundlicher wiederaufbauen und verlangt viel Geld vom Westen. Doch die Milliarden fliessen laut J.P. Morgan «wahrscheinlich» nur dann, wenn das Land Nato-Sicherheitsgarantien bekommt.
19. Juni 2023 • red.

Eine weitere Geberkonferenz startet am Mittwoch in London. Doch die Forderungen liegen bereits auf dem Tisch. Die Ukraine verlangt bis zu 40 Milliarden Dollar für den ersten Teil eines «grünen Marshall-Plans» zum Wiederaufbau ihrer Wirtschaft. An dem Treffen am Mittwoch werden Politiker und Banken die kurzfristigen Finanzierungsprobleme des Landes diskutieren und sich mit den langfristigen Wiederaufbaubemühungen befassen.

Die Weltbank schätzt, dass der Wiederaufbau der Ukraine 411 Milliarden Dollar kosten wird, was dem Dreifachen des Bruttoinlandsprodukts des Landes entspricht. Seit dem Einmarsch Russlands im Februar 2022 haben externe Geldgeber 59 Milliarden Dollar in die Ukraine gepumpt, um den Finanzierungsbedarf zu decken.
In einer ersten Phase des Wiederaufbaus will die Ukraine den Schwerpunkt auf der Eisen- und Stahlindustrie liegen. Der Sektor trug 2021 rund 10 Prozent zum ukrainischen BIP bei, erwirtschaftete ein Drittel der Exporteinnahmen und beschäftigte rund 600’000 Menschen. Er ist auch für 15 Prozent der Kohlenstoffemissionen des Landes verantwortlich, und Shurma sagte, es gebe jetzt die Chance, eine Industrie aufzubauen, die auf erneuerbaren Energien basiere.

«Vision einer grünen Stahlindustrie» in der Ukraine

«Wenn man etwas neu aufbauen muss, ist es logisch, dass man es grün und im Einklang mit den neuen Technologien neu aufbaut. Unsere Vision ist es, in der Ukraine eine grüne Stahlindustrie mit einem Volumen von 50 Millionen Tonnen aufzubauen», sagte ein ukrainischer Offizieller gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Damit könnte das Land zum weltweit günstigsten Anbieter von grünem Stahl werden und die europäischen Bemühungen zur Dekarbonisierung unterstützen, die durch einen Investitionsschub in neue Wind-, Solar-, Atom- und Wasserkraftwerke vorangetrieben werden.

Viele der beschädigten alten Stahlwerke des Landes seien an Standorten gebaut worden, die für die Abhängigkeit von Kohle als Energiequelle geeignet gewesen seien, aber nun könnten sie näher an den Eisenerzvorkommen und weg von der Donbass-Region gebaut werden, sagte Shurma.

Um eine Anschubfinanzierung in Höhe von 20 bis 40 Milliarden US-Dollar aufzubringen, plant die Ukraine die Gründung einer Koalition aus Industrie, öffentlichem und privatem Sektor, die den Plan ausarbeiten und erste Projektstudien durchführen soll.

Nur mit Sicherheitsgarantien der Nato?

Die Vorbereitungsarbeiten würden wahrscheinlich eineinhalb Jahre in Anspruch nehmen, aber «um realistisch zu sein, werden die eigentlichen Bauarbeiten erst nach dem Ende des Krieges beginnen», sagte er.

Finanzierung des Wiederaufbaus wird eine Mischung aus Mitteln von Exportkreditagenturen anderer Länder, Mitteln zu Vorzugskonditionen aus dem ukrainischen Entwicklungsfonds, der zusammen mit Blackrock eingerichtet werden, Eigenkapital der Betreibergesellschaften, sowie Übergangsfinanzierungen der EU und Darlehen des Privatsektors sein. Gemäss J.P. Morgan braucht die Ukraine «wahrscheinlich» eine NATO-Sicherheitsgarantie, damit sich der Privatsektor am Wiederaufbau finanziell beteiligt.