Pictet, Lombard Odier und UBS unter den "Sündern"
Fast jeder zweite nachhaltig deklarierte Fonds enthält Investitionen in Kohle, Öl, Gas oder Fluggesellschaften, wie eine gemeinsame Recherche von mehreren Medienunternehmen zeigt. Doch die Sache ist komplexer, als es scheint.
1. Dezember 2022 • Beat Schmid

Die beiden niederländischen Websites Follow The Money und Investico sowie ein Dutzend Medienunternehmen publizieren heute die sogenannte “Great Green Investment Investigation”. In einer gemeinsamen Recherche, an der unter anderem Le Monde, das Handelsblatt, El País oder Der Standard teilgenommen haben, haben sie über 800 Anlagefonds unter die Lupe genommen. Diese sind gemäss Artikel 9 der EU-Taxonomie klassifiziert. Weil diese Fonds eine positive Wirkung haben sollen, werden sie auch als “dunkelgrün” bezeichnet.

Gemäss dem Recherchenetzwerk seien sie aber in “Wirklichkeit grau gefärbt”, wie “Le Monde” heute schreibt. Fast die Hälfte der 838 Investmentfonds, die im Rahmen der Great Green Investment Investigation untersucht worden waren, investierten mindestens in eine "graue" Firma, die mit fossilen Brennstoffen oder der Luftfahrt in Verbindung steht.

Sämtliche untersuchte Fonds seien von den Vertreibern im Sinne der European Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) als nachhaltig deklariert worden. Als Artikel-9-Fonds dürfen sie nur in "nachhaltige" Vermögenswerte investieren, schreibt Le Monde. “Sie scheinen jedoch nicht in der Lage zu sein, diese Anforderung in vollem Umfang umzusetzen”, lautet das Urteil der Zeitung.

Auch Schweizer Fonds gebrandmarkt

Auf der Website von Le Monde sind alle 388 Fonds abrufbar, die trotz dunkelgrünem Mantel auch in graue Anlagen investiert haben. Darunter befinden sich auch etliche Fonds, die von Schweizer Asset-Managern herausgegeben werden. Insgesamt sind je sieben Fonds von Pictet und UBS aufgeführt, sechs von Lombard Odier und je ein Fonds von der Credit Suisse und von Swisscanto.

Der Fonds mit dem höchsten Anteil an “grauen” Investments ist der vier Milliarden schwere Fonds Pictet Clean Energy. Über 12 Prozent des Vermögens stecken in Firmen wie Nextera Energy, RWE, Fistenergy und Aes. Auf 6,2 Prozent graue Anlagen kommt der Climate Transition Fonds von Lombard Odier. Auch dieser Fonds investiert in Nextera Energy und Aes.

Regulierung ist im Fluss

Die Untersuchung Follow The Money und Investico wirft einen Schlagschatten auf eine Problematik, welche auch in der Sustainability-Szene kontrovers diskutiert wird. Was genau ist ein nachhaltiges Investment, was nicht? Mit welchen Messinstrumenten soll was gemessen werden? Diese Fragen sind weiterhin nicht klar zu beantworten, da auch die Regulierung von nachhaltigen Finanzanlagen weiterhin im Fluss ist.

Auffallend ist: Viele vom Recherchenetzwerk gebrandmarkte Produkte sind sogenannte Transitions-Fonds. Das heisst, sie investieren die Gelder dort, wo sie die grösste CO₂-Reduktionswirkung erzielen. Das können Firmen sein, die jetzt noch in der Kohleverstromung aktiv sind, aber das Ziel verfolgen, daraus auszusteigen und neue Geschäftsfelder aufzubauen. Die Krux ist, dass gemäss SFDR auch Transitions-Fonds explizit als Artikel-9-Fonds bezeichnet werden können.