Zürcher Kulturtempel
Gestern wurde der Verwaltungsrat des Zürcher Kulturhauses Kosmos neu bestellt. Filmemacher Samir wurde ausgebootet. Der Betrieb stehe kurz vor der Deponierung der Bilanz, sagt ein Aktionär.
2. September 2022 • Beat Schmid

Das Zürcher Kulturhaus Kosmos hat einen neuen Verwaltungsrat. Damit endet eine mehrmonatige Übergangsphase. Diese entstand, nachdem im letzten Frühling fünf Verwaltungsrätinnen aus Protest nicht mehr zur Wiederwahl antraten. Interimistisch führte die Finanzchefin des Kosmos die Geschäfte des Verwaltungsrats.

Neu in den Verwaltungsrat gewählt wurden der Zürcher Gastrounternehmer Valentin Diem und Roberto C. Feusi von der Sprudelwasser-Firma Gazosa Monti. Diem ist Spezialist für Pop-Up-Konzepte und steht hinter dem Szenelokal Gül; mit einem Partner übernimmt er nächstens die Wirtschaft Neumarkt.

Die Aktionäre erfuhren erst gestern Abend von den beiden Kandidaturen. Diem war an der gestrigen ausserodentlichen Generalversammlung der Kosmos AG nicht anwesend und konnte sich nicht vorstellen. Feusi ist neben seiner Tätigkeit für Gazosa Monti auch Schlichter beim Zürcher Bezirksgericht.

Samir wurde ausgebootet

Enttäuschend verlief der Abend für Filmemacher Samir. Er stellte sich ebenfalls für den Verwaltungsrat zur Verfügung. Doch er wurde von den beiden Hauptaktionären Ruedi Gerber und François Chappuis übergangen. Samir zeigte sich enttäuscht. Er vertrete immerhin 25 Prozent der Stimmen, die im Verwaltungsrat künftig nicht mehr repräsentiert sein werden. Und er stehe auch für die Kultur, die das Kosmos letztlich ausmache.

Mit zwei Männern aus der Gastro- und Getränkebranche ist die Kulturkompetenz tatsächlich an einem kleinen Ort. Das war auch ein Grund, warum Unternehmer Steff Fischer kurz vor der Wahl seine Kandidatur zurückzog. “Diese Zusammensetzung bietet keine Grundlage, um das Kosmos in eine erfolgreiche Zukunft zu führen”, sagt er auf Anfrage.

Etliche Aktionäre, die seit Beginn dabei sind, können die Veränderungen der letzten Monate nicht nachvollziehen. Sie verstehen das Kosmos primär als Ort der Debatten und der Kultur. Es gibt eine Buchhandlung und sechs Kinosäle. Es ist – oder vielmehr war – ein Ort, der über das linke Kulturmilieu hinaus strahlte.

Mehrheitsaktionär Chappuis schweigt den ganzen Abend

Aktionäre befürchten nun, dass aus dem Kulturtempel mit schweizweiten Ambitionen eine weitere gesichtslose Zürcher Szenebeiz wird. Was Sprudelwasserfachmann Feusi mit dem Kosmos vorhabe, wurde er von Aktionären gestern Abend gefragt. Er konnte darauf keine Antwort geben. Für Steff Fischer ist das eine “Bankrotterklärung”.

“Es sind unglaubliche Vorgänge, die sich abspielen”, sagt er. Die finanzielle Lage sei völlig desolat, der Betrieb hat aktuell keinen Geschäftsführer. “Das Kosmos steht kurz vor der Deponierung der Bilanz, und die neue Führung kann nicht sagen, was sie vorhat – so stirbt das Kosmos”, sagt er. Auch die beiden Hauptaktionäre äusserten sich gestern nicht zu ihren Plänen. Kinderpsychologie Chappuis, der die Mehrheit der Aktien besitzt, schwieg während der gesamten Generalversammlung.

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