Belastete Vergangenheit
Der gestrauchelte Privatbankier wolle gar nicht Präsident von EFG International werden, heisst es aus seinem Umfeld. Richtig ist auch: Er dürfte es gar nicht.
17. Mai 2022 • Beat Schmid

Es ist das spektakulärste Comeback der letzten Monate: Boris Collardis Einstieg bei der Privatbank EFG International. Er wird 3,6 Prozent der Aktien an der Bank halten und Einsitz in den Verwaltungsrat der Privatbank am Zürcher Bleicherweg nehmen. Das zumindest ist der Plan, den sich die Bank und ihr Hauptaktionär zurechtgelegt haben.

Die Wahl soll im Rahmen einer ausserordentlichen Generalversammlung erfolgen. Doch die Einladung wurde noch nicht verschickt. Wann das sein wird, kann niemand sagen. Der Brief geht erst dann raus, wenn die Finma grünes Licht gegeben hat. Das scheint bisher noch nicht geschehen zu sein. Die Finanzmarktaufsicht muss abklären, ob der Privatebanker geeignet ist, Einsitz in das oberste Leitungsgremium zu nehmen.

Finma hat grossen Ermessensspielraum

Wie Recherchen ergeben haben, dürfte die Finma die Kandidatur von Collardi durchwinken. Sie wird ihn für “fit and proper” für das Amt erklären. Solche Prüfungen sind Standard. Jedes Verwaltungsratsmitglied einer Bank muss Gewähr für eine einwandfreie Geschäftsbesorgung bieten, wie es im Jargon heisst. Die Regeln sind nicht besonders scharf formuliert, sonst würden wohl zu viele Kandidatinnen und Kandidaten hängen bleiben. Im Gegenzug erhält die Finma dadurch grossen Ermessensspielraum.

Offenbar erfüllt Collardi die Bedingungen, obschon er in Zusammenhang mit Geldwäschereifällen eine Rüge kassiert hat. Das war zu der Zeit, als er bei der Bank Bär CEO war und es unter seiner Führung zu mehreren schwerwiegenden Problemen kam. Spektakulär sind Fälle um den venezolanischen Erdölkonzern PDVSA und den Fussballverband Fifa. Boris Collardi und weitere Personen wurden gerügt. Auch Julius Bär kam an die Reihe: Sie wurde verpflichtet, wirkungsvolle Massnahmen zur Durchsetzung der geldwäschereirechtlichen Pflichten zu ergreifen. Zudem wurde es ihr bis auf Weiteres untersagt, grosse Firmenübernahmen zu tätigen.

"Ich akzeptiere die auf dieser Grundlage ausgesprochene Rüge”, kommentierte Collardi kleinlaut das Urteil der Finma. Das war vor über einem Jahr. Nur ein halbes Jahr später schied er bei der Genfer Privatbank Pictet als Partner aus.

Präsident kann Collardi nicht werden

Und jetzt ist alles wieder gut mit Boris Collardi? Nicht ganz. Denn wie Tippinpoint erfahren hat, dürfte das Plazet der Finma nur für ein gewöhnliches Verwaltungsratsmandat reichen, nicht jedoch für das Präsidium. Tatsächlich ist es so, dass für das VR-Präsidium einer Bank strengere “Fit and proper”-Regeln gelten als für einfache Mitglieder. Präsident von EFG kann der Banker aufgrund seiner belasteten Vergangenheit also nicht werden. Bestätigen will dies niemand, die Finma und ein Sprecher von Collardi wollen sich dazu nicht äussern.

Allerdings ist zu hören, dass Collardi nach einer langen Karriere als Banker mit Exekutivverantwortung auch gar nicht im Sinn habe, Verwaltungsratspräsident zu werden. Ihn würden vielmehr strategische Fragen bei EFG interessieren. Doch gehören nicht genau diese Themen zum Aufgabendossier eines Verwaltungsratspräsidenten?

Mit 47 zu jung für den elder Statesman

Mit erst 47 Jahren ist Collardi noch viel zu jung, um den elder Statesman zu geben. Wer den Banker kennt, weiss, dass er sich stark einbringen und viele Ideen entwickeln wird. Collardis Job wird es sein, die Bank auf einen Wachstumskurs zu setzen. Seine Erfahrung ist gefragt, wenn es darum geht, nach geeigneten Übernahmekandidaten Ausschau zu halten und vielleicht die “eine oder andere Transaktionen durchzuziehen”, wie ein enger Vertrauter sagt.

Als CEO der Bank Bär legte Collardi vor zehn Jahren mit dem Kauf und der Integration von Merrill Lynch International sein Gesellenstück ab. Es ist anzunehmen, dass Hauptaktionär Spiros J. Latsis ihn genau wegen seiner Merger-Qualitäten zur EFG holen will. Den Deal eingefädelt haben soll der 76-jährige Hauptaktionär von EFG International, der mehr als 40 Prozent an der Bank hält.

Dass EFG durchaus frischen Wind brauchen kann, zeigt der Blick auf den Aktienkurs. Dieser ist weit von einem Höchst in Jahr 2008 entfernt. Der Vergleich mit Konkurrentin Vontobel, deren Hauptsitz nur einen Steinwurf von EFG entfernt liegt, sieht nicht gut aus. Kein Aktionär hat Freude an einer solchen Entwicklung.

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