Klage gegen Medium
Die Klage der Grossbank gegen den Zürcher Finanzblog schlägt internationale Wellen. Vorbereitet und eingereicht wurde sie von Medienanwalt Daniel Glasl.
20. Dezember 2022 • Beat Schmid

Es ist dicke Post, die Lukas Hässig erhalten hat. Wie er gestern auf seinem Portal Inside-Paradeplatz schrieb, wird er von der Credit Suisse wegen seiner Berichterstattung, beziehungsweise wegen unzähligen Leserkommentaren vor dem Handelsgericht eingeklagt. Die Bank beziffert den Streitwert mit 300’000 Franken.

Die Klageschrift umfasst 265 Seiten. Gegenstand der Klage sind 52 Beiträge, die in der Zeit vom 27. Juli bis zum 28. Oktober auf dem Finanzblog erschienen sind und das Wort CS enthalten. Mit den Publikationen sollen das Medium und der Autor widerrechtlich gehandelt haben.

Gefordert wird nicht nur die Löschung sämtlicher eingeklagter Text-Passagen und Kommentare, wie Hässig schreibt. Die Kläger verlangen auch die Herausgabe des “seit 27. Juli 2022 erzielten Gewinns, nebst 5 Prozent Zins seit Publikationsdatum“. Damals trat Ulrich Körner seinen Job als CEO der Bank an.

"Bankengruppe wird verächtlich gemacht, ja schlichtweg totgeschrieben"

Wie es in der Klageschrift weiter heisst, sei die “CS dediziert für die freie Presse und anerkenne die Medien als vierte Gewalt im Staat”. Die Medien “üben in einer demokratischen Gesellschaft eine unabdingbare Wächterfunktion aus, wofür sie gesetzliche und verfassungsmässige Freiheiten beanspruchen können”.

Und doch: “Die Führungsequipe und damit die Klägerinnen werden der Lächerlichkeit preisgegeben, mit Beleidigungen überzogen und blossgestellt, und die Bankengruppe wird verächtlich gemacht, ja schlichtweg totgeschrieben, Kunden und Mitarbeiter werden gar aktiv zum Verlassen der Bank animiert”, heisst es in der Klageschrift weiter.

“Dabei ergötzen sich die so bei Laune gehaltenen zahllosen anonymen Online-Kommentatoren am Thema, indem sie ihre unverblümte Verachtung zum Spass oder aus Frust auf dem Blog absondern können, was wiederum zahllose Leserreaktionen provoziert und damit weitere Klicks zur Folge hat.“

Dies sei nicht mehr als “verantwortungsvoller Journalismus” zu qualifizieren, sondern “sprengt die Freiheit der Medien”. Und weiter: “Skandalisierung und Sensationsjournalismus, permanente Verunglimpfung und komplette Desavouierung praktisch im Dreitagesrhythmus – dies müssen sich die Klägerinnen nicht gefallen lassen.“ Solches Gebaren verlasse den Rahmen der Medienfreiheit und sei in einem Rechtsstaat zu sanktionieren.

Die Klage hat international Wellen geschlagen. Die Financial Times berichtete darüber. In der heutigen Printausgabe wird die Geschichte sogar auf der Front angerissen. Im Artikel bestätigt Lukas Hässig, dass dies bisher seine grösste Klage sei – “the biggest so far”.

Parallelen zum Fall Spiess-Hegglin

Wie Hässig gegenüber Tippinpoint bestätigt, wurde die Klage von dem Zürcher Medienanwalt Daniel Glasl eingereicht. Er ist Partner bei der Kanzlei Bratschi Rechtsanwälte und ist einer der erfahrensten Medienanwälte in der Deutschschweiz. Bekannt wurde er als Rechtsvertreter des ehemaligen Clubbetreibers Carl Hirschmann.

Ein heikler Punkt bei der Klage gegen Inside-Paradeplatz dürfte die verlangte Herausgabe des Gewinns sein. Wie viel ein Medium mit einem Artikel verdient, ist nicht einfach zu ermitteln.

Im Fall von Jolanda Spiess-Hegglin sind die Verfahren weiterhin am Laufen. Die ehemalige Zuger Kantonsrätin klagt gegen Ringier auf eine Herausgabe des Gewinns, den das Unternehmen mit der Publikation von fünf Artikel zur Landammann-Feier erwirtschaftet hatte. Die Klägerseite spricht von 200’000 bis 300’000 Franken.

Glasl kennt solche Berechnungen in Zusammenhang mit Carl Hirschmann. “Die Details sind unglaublich komplex”, sagte er in der Sendung “10 vor 10” zum Spiess-Hegglin-Fall Anfang Jahr. Die Kunst sei es zu differenzieren, wie viel Gewinn ein einzelner Artikel gebracht habe. “Wie viel Wert ist ein Klick auf ein Banner?”

Medienrechtler Glasl sagte in der Sendung auch: “Das wäre sicher ein wichtiges Präjudiz, und im Ergebnis würde es der Qualität des Journalismus dienen. Man weiss dann, Unrecht lohnt sich nicht, und es kostet auch.”

Im Fall von Carl Hirschmann konnte der jahrelange Rechtsstreit mit einem Vergleich beendet werden. Der “Tages-Anzeiger” und “20 Minuten” publizierten je eine Entschuldigung. Über den weiteren Inhalt des Vergleichs, insbesondere finanzielle Details, haben die Parteien damals Stillschweigen vereinbart.