Eine kalkulierte Blossstellung?
Der UBS-Chef setzte viel Prestige in die 1,4 Milliarden-Übernahme. Dass sie jetzt nicht stattfindet, schwächt seine Position als CEO der Bank.
3. September 2022 • Beat Schmid

Am Freitagabend liess die UBS eine kleine Bombe platzen: Die Ende Januar angekündigte Übernahme der US-Vermögens-App Wealthfront findet doch nicht statt, die 1,4-Milliarden-Dollar-Transaktion ist geplatzt. Die UBS zieht sich überraschend aus dem Deal mit dem Fintech-Start-up aus dem Silicon Valley zurück. Gründe dafür werden in einem ungewöhnlich knappen Communiqué keine genannt.

Dass die Übernahme nicht zustande kommt, ist ein harter Schlag für UBS-Konzernchef Ralph Hamers. Der Kauf galt als ein Prestigeprojekt, mit dem der 56-Jährige ein Versprechen einlösen wollte, das er bei seinem Antritt vor zwei Jahren gab, nämlich die UBS in eine verheissungsvolle digitale Zukunft zu führen.

Der Entscheid fiel in New York

Unklar ist, wer den Ausschlag für den Übungsabbruch gegeben hat. Wie Tippinpoint erfahren hat, kam die Entscheidung direkt aus den USA, wo der UBS-Verwaltungsrat in diesen Tagen zusammenkommt. Auch Ralph Hamers weilt derzeit in der US-Finanzmetropole. Das legt die Vermutung nahe, dass der Entscheid direkt aus dem Verwaltungsrat kam, mutmasslich gegen die Empfehlung von Hamers.

Wie aus dem Innern der Bank zu hören ist, stehen zwei Gründe für den Rückzieher im Vordergrund:

Hoher Preis: 1,4 Milliarden Dollar sind enorm viel Geld für eine Vermögens-App, die zum Zeitpunkt der Kaufankündigung Kundenvermögen von 27 Milliarden Dollar auswies. Mit Gebühreneinnahmen von 0,25 Prozent hätte es Jahre, wenn nicht Jahrzehnte gedauert, bis sich die Transaktion für die UBS gerechnet hätte.

Technische Risiken: Die Wealthfront-Plattform ist nicht kompatibel mit der hauseigenen, amerikanischen Vermögensverwaltungsplattform. Wealthfront wird auf Amazon gehostet und basiert auf einer anderen Basistechnologie als WMAP (Wealth Management Americas Platform). Die Integration der beiden Lösungen wäre mit hohen Risiken verbunden gewesen.

Die hohen Kosten und die technischen Unwägbarkeiten dürften den Verwaltungsrat dazu bewogen haben, einen Schlussstrich zu ziehen. Damit setzt Präsident Colm Kelleher eine starke Duftmarke im Konzern. Selbst wenn er den Entscheid nicht persönlich vorangetrieben hat, so hat er ihn zumindest durchgesetzt.

Eine kalkulierte Blossstellung von Ralph Hamers?

Ob bewusst gewollt oder nicht: Mit diesem Entscheid schwächt Kelleher die Position von CEO Hamers empfindlich. Diese Blossstellung wird das Verhältnis zwischen den beiden nicht verbessern, das von Mitarbeitern mit Zugang zur Machtwolke als “schwierig” beschrieben wird. In Sitzungen falle auf, dass Kelleher seinen CEO mit knapp gebührendem Respekt behandle, aber nicht mehr.

Mit der abgeblasenen Übernahme steht Hamers vor einem Scherbenhaufen. Der Holländer trat vor zwei Jahren an, die UBS zu digitalisieren und “agiler” zu machen. Es ging ihm der Ruf des “Google-Banker” voraus. Jetzt, da Wealthfront Geschichte ist, ist sein Leistungsausweis dürr. Die im Mai in Asien angekündigte Digitalplattform CircleOne ist ein Produkt, das vor seiner Zeit entwickelt wurde.

Der geplatzte Deal lässt die Fieberkurve in der grössten Bank der Schweiz steigen. “So viel Unruhe habe ich schon lange nicht mehr erlebt”, sagt eine Person mit Kenntnissen der Vorgänge im Group Executive Board, der Konzernleitung. Das seien Anzeichen, dass bald weitere Veränderungen kommen könnten. Bislang gingen Insider davon aus, dass Hamers in den nächsten sechs bis zwölf Monaten seinen Rücktritt ankündigen könnte. Möglicherweise hat sich der Zeitplan nun beschleunigt.

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