Streit wegen Öl und Gas
Der US-Bundesstaat hat ein Verbot erlassen, mit Finanzinstituten Geschäfte zu machen, die dem Erdölsektor "feindselig" eingestellt sind. Neben den Schweizer Grossbanken sind weitere, vor allem europäische Finanzkonzerne betroffen.
24. August 2022 • Beat Schmid

Der US-Bundesstaat Texas hat seine Drohung wahr gemacht und die Schweizer Grossbanken UBS und Credit Suisse auf eine Schwarze Liste gesetzt. Zusammen mit Blackrock und weiteren Finanzkonzernen ist es ihnen künftig verboten, Geschäfte mit dem Bundesstaat zu tätigen. Der Grund: Die Konzerne seien dem fossilen Energiesektor feindlich eingestellt.

Glenn Hegar ist der sogenannte Comptroller von Texas. Der Rechnungsprüfer des republikanisch regierten Bundesstaates sagte am Mittwoch, die Unternehmen würden den Sektor der fossilen Energieträger “boykottieren”. Der Konflikt schwelt bereits seit mehreren Monaten. Im Frühling hat der Comptroller über 150 Finanzfirmen zu ihren Öl- und Gas-Engagements befragt. Er wollte wissen, ob sie die für Texas wichtige Branche im Rahmen ihrer Nachhaltigkeitspolitik meiden würden.

Hintergrund ist ein Gesetz, die sogenannte Senate Bill 13, die staatlichen Stellen verbietet, Geschäftsbeziehungen mit Unternehmen einzugehen, die ihre Aktivitäten zu CO₂-intensiven Energieunternehmen heruntergefahren haben. Texas ist der grösste Erdöl- und Erdgasproduzent der USA.

Glenn Hegar bezeichnete ESG (also die Berücksichtigung von Umwelt-, sozialen und Governance-Aspekten bei Anlageentscheidungen) als ein “undurchsichtiges und perverses System”, in dem Finanzinstitute ihre Entscheidungen nicht mehr im besten Interesse ihrer Aktionäre oder Kunden treffen, sondern ihren finanziellen Einfluss nutzen würden, um eine soziale und politische Agenda voranzutreiben.

Viele europäische Institute sind betroffen

Die anderen Unternehmen auf der Schwarzen Liste sind BNP Paribas, Danske Bank, Jupiter Fund Management, Nordea Bank, Schroders, Svenska Handelsbanken und Swedbank. Darüber hinaus hat die Aufsichtsbehörde fast 350 Fonds aufgeführt, in die Anleger der öffentlichen Hand wie Pensionskassen nicht mehr investieren dürfen.

Blackrock kritisierte in einem E-Mail-Statement den Entscheid. Der Vermögensverwalter boykottiere keine fossilen Brennstoffe. Das würden Investition von über 100 Milliarden Dollar in texanische Energieunternehmen im Namen der Kunden beweisen. Blackrock ist mit Kundengeldern von 10 Billionen Dollar der grösste Vermögensverwalter der Welt.

Politiker hätten die Pflicht, im besten Interesse der Menschen zu handeln, denen sie dienen. Das Unternehmen spricht von einer “Politisierung” des staatlichen Vorsorgesystems. Eine Behinderung des Zugangs zu Investitionen und die Gefährdung von finanziellen Erträgen der Rentnerinnen und Rentner seien mit dieser Pflicht nicht vereinbar.

Staatliche Pensionsfonds sind nun verpflichtet, sich von den genannten Unternehmen zu trennen. Dazu gehört auch das Teacher Retirement System of Texas – die Lehrerversicherung gehört mit 200 Milliarden Dollar Vermögen zu den 20 grössten Pensionskassen der Welt.

Kampf zwischen demokratischen und republikanischen Staaten

Texas ist kein Einzelfall. Es dürften mindestens 30 weitere, mehrheitlich republikanisch dominierte Bundesstaaten ähnliche Gesetze in Kraft gesetzt oder in Planung haben. West Virginia verabschiedete Mitte Juni ein entsprechendes Gesetz (Tippinpoint berichtete).

Die neuen Anti-ESG-Gesetze in den konservativen US-Bundesstaaten sind auch eine Reaktion auf Entwicklungen in progressiven Teilstaaten, die von der Demokratischen Partei dominiert werden. Maine beispielsweise hat bereits vor einem Jahr seine staatlichen Investmentfonds verpflichtet, alle Asset mit Bezug zu fossilen Energien zu verkaufen.

In Kalifornien wurde Ende Mai der sogenannte Fossil Fuel Divestment Act verabschiedet, der staatliche Kassen wie Calpers zwingt, aus Öl-, Gas- und Kohle-Unternehmen auszusteigen. Calpers ist die grösste Pensionskasse der USA mit über 400 Milliarden Dollar Anlagevermögen.

Noch ist unklar, welche Folgen das Gesetz in der Praxis haben wird. Zum einen gibt es Ausnahmen, wonach Pensionskassen nicht verpflichtet sind, sich von den sanktionierten Unternehmen zu trennen, wenn dadurch die Rentenleistungen beinträchtig werden. Auch staatliche Gläubiger können in Ausnahmefällen weiterhin mit einer Bank zusammenzuarbeiten, obschon sich diese auf der Liste befindet. Auch unklar ist, wie hart der Rauswurf die Banken und Asset-Manager trifft.

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